Kolumbiens Zukunft: Sozial gerecht und ökologisch nachhaltig?
(Buenos Aires, 27. Januar 2025, Agencia Tierra Viva) – Der jüngste diplomatische Konflikt zwischen den Vereinigten Staaten und Kolumbien hat die Position des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro zu fossilen Brennstoffen und der Notwendigkeit der Nahrungsmittelproduktion erneut in den Fokus gerückt. Welche politischen Maßnahmen hat er in den fast drei Jahren seiner Amtszeit ergriffen, und welche Herausforderungen im sozialen und ökologischen Bereich stehen noch aus?
Gustavo Petro und Francia Márquez gewannen die Wahlen 2022 in Kolumbien und etablierten die erste linke Regierung des Landes nach 200 Jahren. Der soziale Aufstand von 2019, der durch den Widerstand von Gewerkschaften, indigenen Gemeinschaften, Landwirt*innen und afrokolumbianischen Jugendlichen ausgelöst wurde, erschütterte den hegemonialen Konsens. Er schuf eine neue symbolische und politische Dynamik, die zur Gründung des Movimiento Pacto Histórico und schließlich zur Wahl von Petro und Márquez führte.
In den Tagen nach der Amtseinführung von Donald Trump, wurde Kolumbien mit Drohungen konfrontiert, die eine Erhöhung der Zölle auf kolumbianische Exporte in die USA ankündigten, falls Petro sich weigerte, kolumbianische Staatsbürger*innen aufzunehmen, die mit Militärflugzeugen aus den USA abgeschoben wurden.
Obwohl der Konflikt beigelegt wurde und keine Erhöhung der Zölle erfolgt, nachdem Kolumbien zugestimmt hatte, die Abgeschobenen aufzunehmen – unter der Bedingung der Einhaltung menschenrechtlicher Protokolle und sogar der Bereitstellung des Präsidentenflugzeugs –, reagierte Petro mit einer klaren politischen Botschaft. In einer Erklärung auf der Plattform X schrieb er: „Ich mag dein Erdöl nicht, Trump. Du wirst die menschliche Spezies aus Gier auslöschen.“ Und weiter: „Lasst unser Volk Mais anbauen – das Korn, das in Kolumbien entdeckt wurde – und die Welt ernähren.“
Diese Aussagen verdeutlichen seine Haltung zur Förderung der Volkswirtschaften des globalen Südens sowie seine konsequente Politik gegen fossile Brennstoffe und für Ernährungssouveränität seit seinem Amtsantritt.
Petros wirtschaftspolitische Vision
Petros Position ist nicht überraschend. Er hat sich in internationalen Foren für den Übergang von einer extraktivistischen zu einer dekarbonisierten Wirtschaft mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit eingesetzt. Dieser Wandel ist jedoch mit Herausforderungen verbunden, da die Abhängigkeit von Rohstoffexporten Kolumbien und Lateinamerika historisch geprägt hat.
Der Nationale Entwicklungsplan 2022–2026 mit dem Titel „Kolumbien – Weltmacht des Lebens“, der partizipativ durch „verbindliche regionale Dialoge“ erarbeitet wurde, stellt die territoriale Planung rund um Wasser in den Mittelpunkt. Er zielt darauf ab, Produktionsstrukturen so umzugestalten, dass eine saubere, biodiversitätsfreundliche Wirtschaft die kohlenstoffintensive Produktion ablöst. Zudem soll Nachhaltigkeit mit sozialer Gerechtigkeit und regionaler Integration einhergehen.
Ernährungssicherheit und soziale Gerechtigkeit
Laut einem 2022 veröffentlichten FAO-Bericht wurde Kolumbien als Land mit hoher Alarmstufe hinsichtlich der Ernährungssicherheit eingestuft – unter anderem aufgrund des anhaltenden internen bewaffneten Konflikts und der tiefgreifenden Landbesitzungskonzentration.
Die Regierung Petro und Márquez setzt sich in der Tradition linker Bewegungen dafür ein, den Einfluss der wirtschaftlichen und politischen Eliten zurückzudrängen und strukturellen Rassismus sowie die territoriale Enteignung von Gemeinschaften zu beenden. Kolumbien ist ein Land, in dem zehn Prozent der Bevölkerung 70 Prozent des Reichtums kontrollieren, wie Edwin Martínez Casas in seinem Buch „El patrón de acumulación en Colombia“ (zu dt. Das Muster der Akkumulation in Kolumbien) beschreibt.
Fortschritte in sozial-ökologischen Fragen
Petro stellte Umweltgerechtigkeit, soziale Gerechtigkeit und Frieden ins Zentrum seiner Politik, um „Kolumbien zu einer Weltmacht des Lebens“ zu machen. Er versprach, gegen die unkontrollierte Abholzung des Amazonas vorzugehen, die Entwicklung erneuerbarer Energien zu fördern und eine führende Rolle im globalen Kampf für den Erhalt des Planeten zu übernehmen. Zudem betonte er die Bedeutung der Förderung von Volkswirtschaften und ländlicher Entwicklung mit besonderem Fokus auf die Rolle der Landwirtinnen als „Hüterinnen des Lebens“.
Während der COP28 in Dubai 2023 betonte Petro, dass CO₂-Emissionen auch in Bezug auf soziale Ungleichheit betrachtet werden müssten: „Es sind die Reichen, die am meisten CO₂ ausstoßen und verbrauchen, während die Armen am wenigsten konsumieren.“ Kolumbien war 2023 das erste lateinamerikanische Land, das einen „Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe“ unterstützte.
In seiner Rede vor der UN-Generalversammlung in New York im Jahr 2022 sagte Petro: „Ich komme aus einem Land von blutiger Schönheit und von einem verwundeten Lateinamerika. Der Wald brennt, meine Herren, während Sie Krieg führen und mit ihm spielen. Der Urwald, die klimatische Säule der Welt, verschwindet mit all seinem Leben. Was ist giftiger für die Menschen: Kokain, Kohle oder Erdöl? Die Ursache für die Klimakatastrophe ist das Kapital“, sagte er.
Er prangerte auch den so genannten „Krieg gegen die Drogen“ in seinem Land an, eine von den USA durchgeführte Politik, bei der die Bauern und Bäuerinnen eingesperrt und vertrieben werden und der Dschungel mit Glyphosat besprüht wird. Ebenso verurteilte er die kolumbianische Oligarchie, die mit der Drogenmafia, dem Paramilitarismus und den Unternehmen verbunden ist, die den Staat für ihre Geschäfte vereinnahmen. Er verwies auf das multinationale Unternehmen „Carbones del Cerrejón Limited“ von Glencore, das die Kinder der Wayuu-Gemeinschaft zum Tod durch Unterernährung verurteilt hat, indem es ihnen das Wasser entzogen hat. Hinzu kommen die monopolistischen Stromerzeuger des kolumbianischen Pazifiks, die mit den Energiepreisen an der Börse spekulieren und die Kosten für die Tarife in die Höhe treiben, die für die schwache Bevölkerung unerschwinglich sind.
Während der COP28 in Dubai 2023 betonte Petro, dass CO₂-Emissionen auch in Bezug auf soziale Ungleichheit betrachtet werden müssten: „Es sind die Reichen, die am meisten CO₂ ausstoßen und verbrauchen, während die Armen am wenigsten konsumieren.“ Kolumbien war 2023 das erste lateinamerikanische Land, das einen „Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe“ unterstützte, einer multilateralen Initiative zur Ergänzung des Pariser Abkommens über die Energiewende.
2024 hatte Petro im Rahmen eines Bergarbeiter*innenstreiks und zum Abschluss der Interamerikanischen Arbeitsministerkonferenz der OAS seine Weigerung bekräftigt, weitere Verträge über die Exploration und Ausbeutung von Erdöl und Erdgas im Land zu unterzeichnen. Darüber hinaus förderte die Regierung eine Initiative mit der Bezeichnung „Bezirke für Leben und Frieden“, die einen Raum für den Dialog und die Schaffung produktiver Alternativen, eines würdigen Lebens und nachhaltiger Territorien schafft. Dieses Projekt wird in Gebieten mit einer hohen Konzentration von Bergbauaktivitäten durchgeführt.
Von 2022 bis heute wurden 70 Prozent der sauberen Energieerzeugung erreicht (Internationale Agentur für erneuerbare Energien, IREA). Darüber hinaus wurden 18.471 „Energiegemeinschaften“ und „Miichi Ka’i“, was so viel bedeutet wie „Haus der Sonne“, gegründet. Im Rahmen dieser Gemeinschaften können sich Nutzer*innen oder potenzielle Nutzer*innen von Energiedienstleistungen zusammenschließen, um Energie aus nicht-konventionellen erneuerbaren Energiequellen, wie z. B. Sonnenkollektoren, zu erzeugen, zu vermarkten oder zu nutzen.
Fortschritte bei der Landreform
Kolumbien besitzt 44 Millionen Hektar Wald. was die Hälfte des kolumbianischen Boden ausmacht. Darunter sind 15–20 Millionen Hektar fruchtbarer Boden im Amazonasgebiet. Dennoch werden lediglich 2,5 Millionen Hektar für den Nahrungsmittelanbau genutzt, da viele Bäuer*innen durch den bewaffneten Konflikt vertrieben wurden.
Im Jahr 2023 trat das Agrarreformgesetz von 1994 endlich in Kraft. „Reichtum besteht nicht im Besitz von Land, sondern darin, es produktiv zu nutzen“, erklärte Petro bei der Unterzeichnung der Verordnung. Seither wurden 300.000 Hektar der im Friedensabkommen von 2016 vereinbarten 3 Millionen Hektar Land an Bauernfamilien übergeben, während 807.000 Hektar durch massive Landtitulierungen reguliert wurden.
In Bezug auf die indigenen Gemeinschaften wurden mit dem Dekret 1275/2024 des Ministeriums für Umwelt und nachhaltige Entwicklung Umweltkompetenzen in den Gebieten der indigenen Behörden festgelegt, um den Schutz der Ökosysteme des Landes zu gewährleisten.
Dies ist zwar ein Fortschritt in den Beziehungen zwischen Staat und den indigenen Völkern in Umweltfragen, aber die Verabschiedung des Dekrets löste eine intensive Debatte aus. Es ist möglich, dass einige gegnerische wirtschaftliche und politische Sektoren versuchen werden, es aufzuheben. Sein Erfolg ist deshalb abzuwarten.
Petro und Márquez: Von der Umweltbewegung zur Präsidentschaft
Gustavo Petrost ist Wirtschaftswissenschaftler und Spezialist für Entwicklungs- und Umweltstudien an der Katholischen Universität von Louvain. Er begann seine politische Karriere im Alter von 17 Jahren in der Guerillabewegung M-19, die am internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien beteiligt war.
Seine Karriere in der institutionellen Politik begann 1981, als er für die Alianza Nacional Popular (ANAPO) zum Ombudsmann und Ratsmitglied von Zipaquirá (Cundinamarca, nördlich von Bogotá) gewählt wurde. Im Oktober 1985 wurde er von der Nationalen Armee gefangen genommen und gefoltert, im Februar 1987 wurde er freigelassen.
Zwischen 1990 und 1991 war er Berater im Gouverneursamt von Cundinamarca und wurde 1991 mit Unterstützung der Partei Alianza Democrática M-19 (AD M-19) Mitglied des Abgeordnetenhauses. 1994 ging er ins Exil nach Belgien. Nach seiner Rückkehr nach Kolumbien wurde er 1998 in das Abgeordnetenhaus, 2006 in den Senat und 2012 zum Bürgermeister von Bogotá gewählt. Während seiner Amtszeit setzte er sich für Umweltschutzmaßnahmen ein, insbesondere für den Erhalt der Sumpfgebiete und eine nachhaltigere Müllentsorgung.
Wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei einer Initiative der Müllentsorgung wurde er im Dezember 2013 entlassen und von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen. Im November 2017 hob der Staatsrat die Entscheidung auf Betreiben des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte auf und er wurde wieder in sein Amt eingesetzt. Im Jahr 2022 wurde er zum Präsidenten von Kolumbien gewählt.
Francia Márquez, seine Vizepräsidentin, wuchs in einer afrokolumbianischen Bergarbeiterfamilie auf und arbeitete zuerst als Goldgräberin und später als Hausangestellte. Márquez begann ihren Aktivismus im Kampf gegen den umweltschädlichen Goldabbau.
2019 leitete sie die Marcha de los Turbantes, ein Protest afro-kolumbianischer Frauen für den Schutz des Lebens und der angestammten Gebiete, gegen den wahllosen Abbau von Rohstoffen. Zusammen mit mehr als hundert Frauen legte sie fast 300 Kilometer nach Bogotá zurück, um vom damaligen Präsidenten Juan Manuel Santos die Rücknahme der Bergbautitel zu fordern, die nach einem gewaltsamen Eindringen in angestammte Gebiete erteilt worden waren.
Ein neuer Kurs für Kolumbien?
Die Regierung Petro und Márquez stellt einen mutigen Schritt im lateinamerikanischen Progressivismus dar. Während die „Rosarote Welle“ [Die rosarote Welle bezeichnet eine politische Strömung in Lateinamerika, bei der ab den frühen 2000er-Jahren linke und zentristisch-linke Regierungen in mehreren Ländern an die Macht kamen und soziale Gerechtigkeit, staatliche Interventionen in die Wirtschaft sowie eine stärkere Unabhängigkeit von den USA anstrebten] zu Beginn des 21. Jahrhunderts auf Rohstoffexporte als Mittel der wirtschaftlichen Entwicklung setzte, verfolgt Petro eine alternative Strategie, die soziale und ökologische Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stellt. Ob die kolumbianische Bevölkerung diesen Weg weitergehen will, wird sich am Ende ihrer Amtszeit zeigen.
Dieser Beitrag erschien am 27.01.2025 auf npla.de/poonal, lizensiert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Titelbild: Präsident Gustavo Petro und Vizepräsidentin Francia Márquez bei der Amtseinführung im August 2022. Foto: Departamento Nacional de Planeación via flickr, CC BY 2.0.
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