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Sonntag ist Büchertag: OBJEKTIV – Konfession statt Profession im Journalismus

In einer Zeit, in der die Medienlandschaft immer stärker hinterfragt wird, öffnet dieses Buch die Augen für die Mechanismen und Strukturen, die hinter den Kulissen wirken. Es beleuchtet, wie Journalisten, einst die Wächter der Wahrheit, ihren investigativen Antrieb aufgaben und sich den gängigen Narrativen anpassten – oft aus dem simplen Wunsch heraus dazuzugehören. Aus Dialogen mit eben diesen Journalisten wird ersichtlich, wie aus professioneller Distanz eine Art Konfession wurde, die einen kritischen und objektiven Journalismus verdrängt hat. Doch dieses Buch bleibt nicht bei der Analyse stehen. Es bietet konkrete Lösungen und Ansätze, wie die Medien als „vierte Säule in der Demokratie“ wieder ihre ursprüngliche Rolle einnehmen können – unabhängig, mutig und wahrhaftig. Dieses Buch bietet einen Blick hinter die Schlagzeilen der vergangenen Jahre.

Der Wert der Medien in der Demokratie

Cover „OBJEKTIV – Konfession statt Profession im Journalismus“ (c) Stichpunkt Edition

Der Autor hatte zwischen 2020 und 2024 zahlreiche Kontakte und Gespräche mit österreichischen Journalisten und Institutionen der österreichischen Medienlandschaft (z.B. Presserat). Manchmal nahmen diese Dialoge amüsante Wendungen, meistens waren sie allerdings geprägt von stereotypen Antworten. Die seit 2020 grassierende Eintönigkeit wurde eindrücklich bestätigt und die Idee entstand, darüber – aus der kritischen Distanz eines pluralistisch interessierten Medienkonsumenten – ein Buch zu schreiben. Insbesondere die für eine Demokratie so wichtige 4. Gewalt im Staat hat während der Corona-Krise augenscheinlich zu schwächeln begonnen.

 

 

In einem demokratischen System der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative besteht die Aufgabe der vierten Säule darin, mittels wahrhaftiger Berichterstattung eine Kontrollfunktion auszuüben.

Warum aber waren der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) und andere, bisher unter Qualitäts-Journalismus firmierende, Medien auf einmal gleichgeschaltet? Die ab März 2020 erlebte Monotonie in der Berichterstattung war anfangs noch verständlich. Man starrte auf die täglich präsentierten Grafiken, da niemand wirklich wusste, wie bedrohlich die Gefahr durch das C-Virus war. Im Verlauf der Zeit (geprägt durch zusätzliche Erkenntnisse und Evidenzen) schien die Lernkurve der Medien hingegen kaum anzusteigen. Bis heute, mehr als vier Jahre danach, hat sich vor allem bei den großen Leitmedien nicht wirklich etwas geändert. Hin und wieder wird – eher homöopathisch und, um nicht komplett die Glaubwürdigkeit zu verlieren, – eine dem jahrelang gepflegten Narrativ widersprechende Information ‚eingestreut‘. So wird die durch die erzwungene Veröffentlichung der RKI-Files entstandene Transparenz von den meisten Medien nach wie vor entweder beschwichtigt oder einfach ignoriert.

Abweichende Positionen wollten nicht mehr gehört werden, Kritik wurde sogar zunehmend ein Synonym für rechts(radikal). War der Begriff ‚Querdenker‘ lange positiv belegt (vor allem Unternehmen suchen seit Jahren innovative, kreative und über den Tellerrand blickende Talente), wurde man nach Appellen, das Problem ganzheitlicher zu betrachten und über den Fernsehrand hinaus zu schauen, schnell eine Zielscheibe von Diffamierung. 

Fehlende Fehlerkultur

Immer mehr Menschen fragten sich, warum viele Medien aufgehört haben, ihre Rolle als Kontrollinstanz einzunehmen und ihre Hausaufgaben zu machen: Nämlich investigativ zu arbeiten. Journalismus bedeutet, die Öffentlichkeit über relevante Themen zu informieren, Transparenz zu fördern und eine demokratische Gesellschaft zu unterstützen. Dabei sollte vor allem Objektivität stets im Vordergrund stehen. Die erlebte (und oftmals bestätigte) Realität während der Corona-Krise war aber folgende (Zitat eines Redakteurs): 

“Wir mussten Zahlen und Argumente aus Dashboards vom RKI in Deutschland oder von der AGES in Österreich 1:1 übernehmen.“

Ist es nicht eine Chuzpe, dass fundamentale Fehler im Pandemiemanagement einer wachsenden Allgemeinheit zunehmend klarer wurden, nur dem Gros der Journalisten nicht? Ideologische Getriebenheit, Dogmatik und so etwas wie ein ‚gefühlter‘ Gehorsamsjournalismus verhindern bis heute eine echte Aufklärung. Eine in der Gesellschaft manifestierte Spaltung sowie das Erstarken von Parteien an den extremen Rändern wurde zudem von den Leitmedien gefördert. 

Realsatire in Dialogform

OBJEKTIV soll vor allem wachrütteln, um zukünftig auf eine professionelle (und nicht konfessionelle) 4. Säule zählen zu können. Das Motto ‘Profession statt Konfession’ muss wieder in den Vordergrund rücken. Auf die Leser können die Dialoge mit diversen Journalisten zeitweise wie eine Realsatire wirken. Oft blieb man verwirrt zurück. Tagtäglich grüßte das Murmeltier und vor allem aus dem ÖRR wurden – von Journalisten, die mehr Ministranten glichen – Zahlen, Dramen, Statistiken und horrende Bilder kommuniziert, die mehr Angst als relevante (und vor allem kontextualisierte) Information vermittelten. War ihnen nicht bewusst, dass sie damit in der Gesellschaft sowohl Ängste als auch Spaltungen schürten? Immer mehr entfernten sich die meisten Medien von einer objektiven und ausgewogenen Berichterstattung. Die Zusammensetzung von Diskussionsformaten im Fernsehen repräsentierte ein Narrativ – und alles unter dem Argument von ‚false balance‘.

Insbesondere klassische Medien sind mit einem fundamentalen Wandel konfrontiert sind und (zu) vieles wird im digitalen Zeitalter transparent. Wir leben in deregulierten Wahrheitsmärkten, welche insbesondere durch das Erstarken neuer und vor allem sozialer Medien gekennzeichnet sind. Die Monopolstellung tradierter Medien auf ‘Wahrheit’ bröckelt, da es sehr einfach geworden ist, zu einem bestimmten Ereignis das eigene Meinungsspektrum zu erkunden. Folgendes Phänomen kann immer weniger verschwiegen werden:

Hinter jeder Information steht eine Intention und hinter jeder Intention steht ein Geschäftszweck. Der Eindruck, dass die wichtigsten Medien in der Hand diverser Institutionen sind, wird immer klarer.

Intentionen hängen meist mit globalen Absichten, sprich mit Geschäftsmodellen, zusammen. Da die öffentliche Meinung immer die veröffentlichte Meinung ist, steigen in Zeiten der Multikrisen somit auch die Erwartungen an den Qualitäts-Journalismus. Viele JournalistInnen mutierten allerdings seit 2020 zu Gesinnungsjournalisten und die Frage sei erlaubt, ob Propaganda zu ihrem Beruf geworden ist. Noam Chomsky beschreibt den Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien, das Thema Durchsetzung betreffend, folgendermaßen:

‘Man hält die Knute bereit, und wer aus der Reihe tanzt, bekommt sie zu spüren. Aber in freieren und demokratischeren Gesellschaften geht so etwas nicht. Deswegen ist hier das Mittel der Propaganda so wichtig. Sie ist für die Demokratie, was für die Diktatur die Knute ist’.

Das Buch besteht aus 3 Teilen. 8 Exkurse zu Spezialthemen reichern das Buch an:

  1. Fachlicher Teil: Betrachtungen zu Gruppen- und Massenpsychologie, Kommunikations-, und Propaganda-Mechanismen (auch historisch beleuchtet). Aus der Expertenbrille des Autors zu ‘Kommunikation’ und ‘Change-Management‘ betrachtet, wird die Relevanz von authentischer und ehrlicher Kommunikation im Rahmen von Krisen- und Change-Management Situationen aufgezeigt. So ist die Umsetzung großer Strategien nur durch hierarchische Strukturen und dem ‚Besitz‘ der Kommunikationskanäle möglich.
  2. Dialogischer Teil: Mit großer Verwunderung beobachtete der Autor, insbesondere ab 2020, die Performance der Medien. Fragen über Fragen kamen hoch, die diversen Journalisten gestellt wurden, woraus wiederum reale Dialoge resultierten. Teils waren diese amüsant, großteils aber stereotyp. Die Konversationen haben tatsächlich stattgefunden, wurden aber aus Gründen des Schutzes persönlicher Rechte anonymisiert. 
  3. Conclusio: Chronologie, Erkenntnisse und Lösungsansätze bilden den Abschluss. 

Das Buch ist eine etwas andere Analyse des (österreichischen) Medienmarktes, nämlich aus der Sicht eines Konsumenten. In Büchern, die von Medienschaffenden über die eigene Zunft geschrieben werden, geht es oft  mehr um Selbstbeweihräucherung denn um kritische Bewertung der eigenen Branche. ‚Objektiv‘ ist kein pauschales ‚Medien-Bashing‘, der Wert einer professionellen Medienlandschaft innerhalb einer Demokratie ist unbestritten und wieder zu stärken.

Aber nicht nur der Mainstream wurde monoton, sondern auch zahlreiche neue und alternative Medien (die sich gerne als ‚fünfte Gewalt im Staat‘ bezeichnen) tendieren in einer eigenen Blase zu einseitigen Sichtweisen (wenn auch mit deutlich weniger Reichweite). Auch in der Medienlandschaft haben sich zwei bipolare Cluster (Blasen) gebildet. Zurück bleibt ein Konsument, der sich über das Lesen verschiedener Medien eine eigene Wahrheit ‚basteln‘ muss.


Über das Buch: OBJEKTIV – Konfession statt Profession im Journalismus, Stichpunkt Edition, GTIN: 9783903479210, ca. 140 Seiten, 25 €

Über den Autor: Dr. Konrad Breit beschäftigt sich seit über 30 Jahren sowohl wissenschaftlich als auch in der Organisationspraxis mit dem Phänomen Change. Als Organisationsberater und Managementcoach lernte er verschiedenste Unternehmens­kulturen kennen und war an deren Entwicklung beteiligt. 2013 gründete er zusammen mit Alexander Schön das Start-up ‚More Than Checks‘ – eine innovative Online-Survey-Software für Befragungen und zur Diagnose von Organisationen.


Dieser Beitrag erschien auf Stichpunkt Magazin, Kooperationspartner von Unsere Zeitung.
Titelbild: congerdesign / Pixabay

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