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Eine soziale Klimapolitik – wo bleibt die Revolution?

„Die notwendige Entscheidung ist eine Chance, ein starkes Zeichen für den sozial-ökologischen Umbau zu setzen: Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten halten wir an unseren Klimazielen fest, unterstützen Familien in Not und gehen verantwortungsvoll mit Steuergeldern um. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sind neben Innovation und Wettbewerbsfähigkeit die Leitplanken für alle Entscheidungen einer modernen Volkswirtschaft. Gerade in herausfordernden Zeiten kommt es darauf an, diese Ziele konsequent zu verfolgen. Nur so können wir die notwendigen Weichen für eine zukunftsfähige Wirtschaft und Gesellschaft stellen“, schreibt Sigrid Stagl, die Klima-Ökonomin im Der Standard vom 10.10.2024. 

Ein Gastkommentar von Ilse Kleinschuster

Die politischen Angriffe auf die CO2-Bepreisung sind schon länger ein verheerendes Signal und ein Armutszeichen für unsere Innenpolitik. Statt Verteilungsfragen stärker in den Fokus zu rücken, um eine sozial gerechte Transformation voranzutreiben, soll jetzt an jenen Menschen im unteren Einkommensbereich gespart werden, die ohnedies schon von Zukunfts- und Abstiegsängsten geplagt sind. Der Klimabonus war ja zumindest ein Instrument, um die Akzeptanz für andere Klimaschutzmaßnahmen zu erhöhen und um die Angriffe auf die CO2-Bepreisung abzufedern. Und jetzt soll er gestrichen werden?

Im Rahmen der Transformation gilt es doch, Soziales und Klimaschutz deutlich stärker zusammenzudenken und systemisch integrierte Politikinstrumente anzuwenden, die beides befördern – Just Transition! – erst dann kann es gelingen, die Kosten und Belastungen gerecht zu verteilen. Eine erfolgreiche Klimapolitik sollte auch dazu beitragen, Energie- und Mobilitätsarmut zu verringern und die Gesundheit, gerade auch von einkommensschwächeren und vulnerablen Gruppen zu verbessern.

Klar ist, dass die sozial-ökologische Transformation nicht von heute auf morgen geht, aber um so mehr sollte ihr ein solider finanzpolitischer Spielraum gewährt werden. In einem zeitlichen Bereich, wo „die Erde an ihre Grenzen stößt“ – und davon wissen wir seit 50 Jahren! – hätte nicht weiter mit überkommenen neoliberalen Denkmustern und Regeln wie der Schuldenbremse gewirtschaftet werden dürfen. Jetzt sollten notwendige Zukunftsinvestitionen nicht weiter blockiert werden.

Eine zukunftsfähige Budgetpolitik hätte vor Jahren schon mehr Kapital in den Bau von Energie- und Mobilitätsinfrastruktur, in die Förderung von zukunftsträchtigen Bildungsprogrammen und Schlüsseltechnologien stecken müssen. Es wäre wahrhaft nachhaltiger gewesen, zukünftige Bedarfsbereiche zu berücksichtigen und entsprechend zu handeln, als gegenwärtige Bedarfsansprüche mit nachhaltig-kontraproduktiven Subventionen zufriedenzustellen.

Es ist entscheidend, den Wandel zu einer klimaneutralen Zukunft sozial gerecht und inklusiv zu gestalten. Mit gezielten Maßnahmen im Rahmen von Just Transition (gerechter Übergang) sollen Herausforderungen gemeistert und Chancen genutzt werden.

Hierzulande häufen sich die negativen Folgen des Ausbleibens von notwendigen Investitionen, weil eine in die Zukunft blickende Ausgabenpolitik für Interessen „zukünftiger Generationen“ sträflich vernachlässigt worden ist – und das rächt sich jetzt. War es der Mythos von der Schuldenbremse, der in der Vergangenheit die Politik nicht dazu bewegt hat, Prioritäten richtig zu setzen? Ist das Ergebnis unter anderem eine vernachlässigte Infrastruktur? Warum hatten trotz niedriger Zinsen und wirtschaftlichen Aufschwungs immer die konsumtiven öffentlichen Ausgaben Vorrang? Warum wurde so lange der Investitionsbedarf im Bereich Dekarbonisierung, Digitalisierung und Bildung vernachlässigt?

Ich verstehe nicht viel von fiskalischen Möglichkeiten und der regelnden Wirkung durch Steuern, aber ich wundere mich – wie viele andere vernünftige Mitbürger:innen auch – warum in guten Zeiten die Investitionen nicht ausreichend angekurbelt worden sind, und warum im Hier und Jetzt notwendige Investitionen verunmöglicht werden sollen, weil der Schuldenberg zu hoch geworden ist.

Es ist ein schwacher Trost, dass die Stadt Wien sich letzte Woche mit dem Festival Urbanize der Frage, wie Energie, Gerechtigkeit und Stadtplanung zusammengedacht werden können, gestellt hat. Ich hoffe aber, dass ein Spaziergang durch Wien während des „Festivals für urbane Erkundungen“ vielen Menschen beim Nach- und Umdenken geholfen hat.


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Titelbild: cubicroot / Pixabay

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