AktuellGedichteKulturStandpunkte

Auf dem Pfad einer Kunst-Pionierin

Zum zehnjährigen Jubiläum des Buches Rose und Nachtigall von Safiye Can. – Sonntag ist Büchertag

Von Benjamin Lapp

Safiye Can - Rose und Nachtigall (Wallstein Verlag)
Safiye Can – Rose und Nachtigall (Wallstein Verlag)

Wenn man selbst auf den Pfaden der Poesie zu wandeln beginnt, ist es ein großes Privileg, sich zu orientieren an den weithin sichtbaren Wegmarken von künstlerischen Pionier:innen.

Eine dieser Pionierinnen von mittlerweile internationaler Leuchtkraft ist die wunderbare Safiye Can. Ihr schreiberisches Talent ist im wahrsten Sinne des Wortes Legende geworden und jedem ihrer Bücher würde es zustehen, eine Lobeshymne verfasst zu bekommen.

Da ihr Debüt „Rose und Nachtigall – Liebesgedichte“ nun zehnjähriges Jubiläum feiert, möchte ich diese Zeilen nutzen, um den Einfluss, den dieses Büchlein auf mich hatte, aufzuzeigen. Vorneweg wäre es vermessen zu behaupten, ich sei vom ersten Tage an ein glühender Fan gewesen. Nein, dies wäre nicht aufrichtig. Die Wege meiner Wenigkeit und Safiye Cans Lyrik kreuzten sich um das Jahr 2018. Ich ließ mich in einem kleinen gemütlichen Buchladen durch die Regale treiben. Sie müssen wissen, ich hänge der philosophischen Denkschule des Hirngespinsts an, die besagt: Nicht Leser:innen suchen sich ein Buch, sondern das Buch sucht sich Leser:innen.

Und so geschah es, dass dieser Titel mich packte und mich eine Zeit lang nicht mehr losließ.

Sie dürfen unbesorgt sein, liebe Leser:innen, da ich zwischen Büchern lebe, weiß ich mittlerweile damit umzugehen, wenn Bücher mich plötzlich packen wollen. Die Frage wiederum, ob meine schreiberische Hinwendung zu Liebesgedichten durch diese Lektüre geschah, oder dieser Charakterzug durch dieses Buch nur eine Verstärkung fand, würde wohl eine eigene ausufernde Abhandlung ergeben.

Ein Faktum bleibt aber das unnachahmliche Sprachgefühl, welches einem auf jeder der rund neunzig Seiten begegnet.

Ohne ein Gedicht in dieser Sammlung zurückstellen zu wollen, werden die sechs Teile des Eröffnungsgedichts Heyhat wohl für immer ein poetischer Kristallisationspunkt für mich sein. Diese auf hohem Niveau dargebrachte Verspieltheit war beim ersten Lesen beeindruckend und auch nun beim Studium für diesen Text geht eine Magie von den Worten aus.

Gestatten Sie mir, einen ganz kleinen Beleg ihres Talents, Alltag und Kunst miteinander tanzen zu lassen. Oft, wenn ich mit der Regionalbahn morgens Richtung Frankfurt fahre und die Morgensonne hinter der Skyline aufgeht, fallen mir die folgenden Worte aus Zu Menschen anderer Sprache (das Frankfurt am Main Gedicht) ein:

Ein Zug fährt aus der Ferne

in Richtung Frankfurter Hauptbahnhof

blickt zielstrebig an der Skyline hoch

Ich lächle dann, insbesondere weil ein wenig weiter unten die lakonische Bemerkung folgt:

die Rolltreppen fahren wieder nicht

es wird gespart.

Beim Lesen dieses Büchleins wird man oft unmerklich begleitet von einem Humor, der unaufdringlich und leise auftritt und sich immer ein wenig an die alles aufbrechende Fantasie lehnt. Diese spannende Konstellation lädt zum wiederholten Lesen und Entdecken von meisterhaften Kleinoden der Poesie ein.

Was bleibt mir nun noch zu sagen über ein Büchlein, welches zehn Jahre alt und doch so frisch wie am ersten Tage daherkommt?

Nur, dass es nochmals so viele Leben von Leser:innen bereichert und beeinflusst, wie es bisher geschehen ist.


Safiye Can: Rose und Nachtigall. Liebesgedichte.
Wallstein Verlag – 2. Auflauge 2020, 108 Seiten
ISBN: 978-3-8353-3609-4

Titelbild: Die Dichterin Safiye Can bei einer Rede. Foto: auf FlickrCC BY-SA 2.0

DANKE, DASS DU DIESEN BEITRAG BIS ZUM ENDE GELESEN HAST!

Unsere Zeitung ist ein demokratisches Projekt, unabhängig von Parteien, Konzernen oder Milliardären. Bisher machen wir unsere Arbeit zum größten Teil ehrenamtlich. Wir würden gerne allen unseren Redakteur*innen ein Honorar zahlen, sind dazu aber leider finanziell noch nicht in der Lage. Wenn du möchtest, dass sich das ändert und dir auch sonst gefällt, was wir machen, kannst du uns auf der Plattform Steady mit 3, 6 oder 9 Euro im Monat unterstützen. Jeder kleine Betrag kann Großes bewirken! Alle Infos dazu findest du, wenn du unten auf den Button klickst.

Unterstützen!

Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.