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Keine Wohnung unter diesem Namen – Anzeichen für rassistische Diskriminierung am Wohnungsmarkt

Für immer mehr Menschen wird Wohnen zu einer zentralen sozialen Frage. Investitionen in Betongold und steigende Eigentums- und Mietpreise stehen massiven Leistbarkeitsproblemen vieler Menschen gegenüber. Über die letzten von Krisen geprägten Jahre gaben durchgehend bis zu einem Viertel der Menschen in Österreich an, dass Wohnkosten eine große finanzielle Belastung darstellen. Die Suche nach leistbarem Wohnraum ist daher zu einer zentralen Herausforderung für viele Menschen geworden. Doch die Chancen, eine passende Wohnung zu finden, sind nicht für alle Personen gleich.

Von Mara Verlič, AK Wien (A&W-Blog)

Name, Erscheinungsbild und Sprache entscheiden in der Wohnungsvergabe

Eine AK-Studie zu Diskriminierungserfahrungen in Österreich aus dem Jahr 2019 zeigt, dass vor allem Menschen mit muslimischer Religionszugehörigkeit oder Personen, denen aufgrund von Hautfarbe, Erscheinungsbild, Sprache oder Namen ein Migrationshintergrund zugeschrieben wird, Diskriminierungen im Wohnen erleben.

Bei der Wohnungssuche bedeutet das: keine Rückmeldung auf Besichtigungsanfragen zu erhalten, ungewöhnliche Fragen gestellt zu bekommen, Zusatzdokumente vorlegen zu müssen, beleidigende Äußerungen durch Vermieter:innen und Makler:innen hinnehmen zu müssen oder mehrfach Wohnungen aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht zu bekommen.

In letzter Zeit sind in Österreich weitere Untersuchungen hinzugekommen, die ein noch eindeutigeres Bild zeichnen. In sogenannten „Paired ethnic testing“-Verfahren werden fiktive Personen kreiert, die sich nur durch ihrem ethnischen Hintergrund zuschreibbare Attribute unterscheiden. So kann getestet werden, ob es sich bei dieser Zuschreibung tatsächlich um die ausschlaggebende Variable für eine Schlechterbehandlung handelt. In dieser Form haben etwa zwei Journalistinnen des „Standard“ im Selbstversuch über mehrere Monate der Jahre 2022 und 2023 hinweg Anfragen auf Wohnungsinserate geschickt. Beide Journalistinnen sind jung, weiblich, beim selben Arbeitgeber beschäftigt, auf der Suche nach einer Singlewohnung in Wien und unterscheiden sich einzig durch ihren Nachnamen. Das Resultat war eindeutig: Muzayen Al-Youssef wurde bei 100 Anfragen 48-mal eingeladen, Franziska Zoidl 71-mal. Die Ergebnisse einer umfassenden Studie von SORA, beauftragt durch die Gleichbehandlungsanwaltschaft von 2023, weisen in dieselbe Richtung. In der Studie antworteten die fiktiven Personen „Michael Gruber“ und „Muhammad Asif“ auf 157 Wohnungsinserate in den Städten Wien, Graz, Linz und Innsbruck. In dem per Telefon durchgeführten Testing unterschieden sich die Testpersonen nur durch Namen, Migrationsgeschichte und Deutschniveau – mit eindeutigen Folgen: Die Person ohne zugeschriebenen Migrationshintergrund wurde bei allen Anrufen zur Besichtigung eingeladen, aber die Person mit zugeschriebenem Migrationshintergrund nur in der Hälfte der Fälle. Und selbst wenn die Testperson „Muhammad Asif“ zu einer Besichtigung eingeladen wurde, zeigte sich in der Mehrzahl der Fälle eine Schlechterbehandlung: Die Testperson „Muhammad Asif“ wurde öfters zu Gruppenbesichtigungen statt Einzelterminen eingeladen, erhielt in einigen Fällen erst spätere Besichtigungstermine und erfuhr häufigere Nachfragen zu Beruf und Privatleben im Verhältnis zur Vergleichsperson „Michael Gruber“.

Eine Untersuchung von deutschen Städten aus dem Jahr 2015 ermöglicht die Hypothese, dass die Diskriminierung im weiteren Verlauf eines Anmietungsprozesses sogar noch drastischer hervortritt. In dieser Studie wurde das Testing bis zur tatsächlichen Wohnungszusage durchgeführt und brachte in diesem letzten Schritt nochmals die deutlichsten Unterschiede zwischen den Testpersonen mit und ohne Migrationshintergrund hervor.

Gesetzlicher Schutz vor Diskriminierung

In Anbetracht dieser dramatischen Ergebnisse von Testingstudien mag es fast überraschen, dass die Diskriminierung von Personen aufgrund ihrer (zugeschriebenen) ethnischen Herkunft bei der Wohnungsvergabe in Österreich gesetzlich verboten ist. Das Gleichbehandlungsgesetz verbietet in §30 (2) die Benachteiligung unter anderem „beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum“. Explizit umfasst das Gesetz nicht nur Diskriminierung aufgrund tatsächlicher ethnischer Zugehörigkeit, sondern auch deren Zuschreibung aufgrund von Attributen wie Hautfarbe oder Sprache. Zumindest die deutlichsten Fälle im Bereich der Inserate konnten durch die Arbeit der Gleichbehandlungsanwaltschaft weitgehend verunmöglicht werden. Während also expliziter Ausschluss von Personen in Inseraten kaum mehr zu finden ist, ist die subtilere Diskriminierung im Verlauf einer Wohnungsanmietung, wie sie in den Testingstudien nachgewiesen wurde, deutlich schwieriger zu verfolgen.

Zentral wäre in diesem Zusammenhang die Steigerung des Bewusstseins über die bestehende Rechtslage und mögliche rechtliche Konsequenzen sowohl bei Makler:innen und Eigentümer:innen als auch bei Wohnungssuchenden und möglichen Betroffenen selbst. Die Zurverfügungstellung von Infomaterial ist ein wichtiger erster Schritt, die Einrichtung einer Gleichbehandlungsstelle für Diskriminierung im Wohnbereich wäre für die Betroffenen eine wichtige Hilfestellung. Wichtig wäre weiters eine Ausdehnung des Schutzes vor Diskriminierung durch das Gleichbehandlungsgesetz auch auf die Bereiche Religion und Weltanschauung. Derzeit ist eine Schlechterbehandlung aufgrund dieser Charakteristika nur in der Arbeitswelt verboten, doch es wäre eine wichtige rechtliche Basis, den Schutz auch auf Bereiche außerhalb der Arbeitswelt und somit auf den Zugang zu Wohnraum auszudehnen.

Menschen mit Migrationshintergrund wohnen oft teuer, befristet und in zu kleinen Wohnungen

Die Diskriminierung von Menschen mit zugeschriebenem Migrationshintergrund bei der Wohnungssuche muss im Kontext einer strukturellen Schlechterstellung von Migrant:innen bzw. nicht-österreichischen Staatsbürger:innen in der Wohnversorgung gesehen werden. So ist mangelnde Leistbarkeit von Wohnen für große Teile der Menschen in Österreich eine massive Belastung, jedoch sind Menschen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft besonders von Wohnkostenüberbelastung betroffen: Dreimal so viele Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft müssen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen aufwenden. Eine derartige Wohnkostenbelastung trifft kleine Einkommen natürlich umso stärker. Menschen mit ausländischen Staatsbürgerschaften sind deutlich öfter armutsgefährdet als der Durchschnitt der Österreicher:innen. Als Ausgleich von zu hohen Wohnkosten müssen Menschen mit Migrationshintergrund besonders oft kleinere Wohnungen und Überbelag in Kauf nehmen. Und auch die Stabilität der Wohnversorgungen ist in Gefahr. Befristete Mietverträge haben sich in den Neuvermietungen österreichweit als Norm durchgesetzt. Gerade für Wien zeigt sich, dass doppelt so viele Menschen mit Migrationshintergrund in befristeten Mietverhältnissen leben wie Personen ohne Migrationshintergrund. Auf der Spitze des Eisbergs finden sich Menschen, die sich gezwungen sehen, extrem schlechte Wohnverhältnisse in Kauf zu nehmen: Aktuelle Reportagen zeigen etwa asylberechtigte Familien, die in Abbruchhäusern mit Schimmel, Nässe und offenen Leitungen zu hohen Kosten und mit ausbeuterischen Verträgen leben müssen.

Verbesserungen sind möglich

Um gegen rassistische Diskriminierung am Wohnungsmarkt besser vorgehen zu können, bräuchte es gezielte Maßnahmen wie eine breite Informationskampagne über bestehende Rechte, das Einrichten von konkreten Gleichbehandlungs- und Beratungsstellen und die grundsätzliche Erweiterung des Gleichbehandlungsgesetzes um die Dimensionen Religion und Weltanschauung.

Die grundlegendsten Verbesserungsmaßnahmen sind jedoch jene, die im Endeffekt allen Mieter:innen zugutekommen würden. Die Situation am Wohnungsmarkt muss entlastet werden, damit leistbares und stabiles Wohnen für die Vielen möglich wird und nicht unterschiedliche Gruppen von Mieter:innen in benachteiligenden Wohnungsvergabeprozessen gegeneinander ausgespielt werden. Um die Situation am privaten Markt zu verbessern, braucht es eine umfassende Mietrechtsreform, die befristete Mietverträge weitgehend abschafft, klare Mietobergrenzen einführt und für einen größeren Teil des Wohnungsbestands gültig ist. Die zentrale Stütze der sozialen Wohnversorgung ist der geförderte Wohnbau. Wichtig ist hier eine aktive Bodenpolitik für vermehrten geförderten Neubau, aber auch die Verbesserung des Zugangs für Menschen in besonders prekären Lebenssituationen. Wird der Anteil der leistbaren und stabilen Wohnungen grundsätzlich erhöht, so wird auch die diskriminierende Vergabe zurückgedrängt und die Rechte aller Mieter:innen werden gestärkt.


Dieser Beitrag wurde am 08.04.2024 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Ruan Richard Rodrigues auf Unsplash

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