CO2-Kompensation: Was ist das und was bringt das?
Fliegen mit der AUA, Shoppen bei Zalando, Tanken bei Shell – und alles ohne schlechtes Gewissen? Dank CO2-Kompensation soll das gehen, sagen die Unternehmen. Das klingt zu schön, um wahr zu sein? Ist es auch.
Von Lisa Wohlgenannt (MOMENT)
Klimaschutz zum Schnäppchenpreis
Viele Unternehmen wie eben Shell, Lufthansa oder Zalando bieten den freiwilligen CO2-Ausgleich für meist relativ wenig Geld an. Für nur 3 Cent mehr pro Liter, kann man laut dem Ölkonzern Shell die Emissionen ausgleichen, die bei der Fahrt mit dem Auto durchschnittlich entstehen. Bei der Austrian Airline (AUA) kann man seinen Flug von Wien nach Venedig um 1,38 Euro ausgleichen. Klimaschutz wird zum vermeintlichen Schnäppchen.
Vermittelt wird dadurch: Du kannst weitermachen wie bisher. Du musst deine Emissionen nur kompensieren. Doch so einfach geht das nicht.
Was ist CO2-Kompensation?
Die Idee hinter dem recht sperrigen Wort „CO2-Kompensation“ ist simpel: Wer Treibhausgase ausstößt, kann Geld dafür zahlen, damit sie an anderer Stelle eingespart werden. Ein Treibhausgas-Ausgleich für den Planeten also. Dabei ist die CO2-Kompensation freiwillig – im Gegensatz zu gesetzlich vorgeschriebenen Emissionshandelssystemen, wie die EU es beispielsweise eingeführt hat.
Eingespart werden Emissionen bei den freiwilligen Ausgleichsprojekten beispielsweise durch Projekte, wo Wälder aufgeforstet und/oder geschützt werden. Gut gemacht können sie auch auf mehreren Ebenen unterstützen, weiß Joachim Thaler von der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien. In seiner Kompetenzstelle für Klimaneutralität betreibt die BOKU selbst Projekte zur Kompensation – beispielsweise zur Wasseraufbereitung in Uganda, zur Kompostierung von Abfällen in Äthiopien und zu Wiederbewaldung in Costa Rica.
“Gute Projekte gehen über den Klimaschutz hinaus”, sagt Thaler. Sie nützen etwa auch Mensch und Umwelt in der Umgebung. Gerade, wenn sie in Entwicklungsländern umgesetzt werden. Also in Ländern, die einerseits wenig zur Klimakrise beigetragen haben und tendenziell stärker darunter leiden. Andererseits fehlt in diesen Ländern häufig das Geld für Klimaprojekte. Allgemein wird viel zu wenig Geld in Klimaschutz investiert. Kompensationsprojekte helfen, diese Lücke zu schließen und können zusätzlich Entwicklungshilfe leisten. Doch leider werden sie häufig nicht gut umgesetzt.
Ist CO2-Kompensation Greenwashing?
Immer wieder wird darüber berichtet, dass CO2-Ausgleichsprojekte nicht halten, was sie versprechen.
Das zeigte auch eine große investigative Recherche von “Guardian”, “Zeit” und “SourceMaterial”. Die Journalist:innen überprüften die Waldschutzprojekte von Verra – einem führenden Zertifizierungsunternehmen. Das Ergebnis: Viele der Zertifikate seien nutzlos, nämlich über 90 Prozent. Nur wenig bis kein CO2 wurde ausgeglichen. Knapp 89 Millionen Tonnen CO2 seien dadurch eben nicht eingespart worden, obwohl die entsprechenden “Nachweise” verkauft wurden. Verra kritisiert die Erhebung.
Wie kann ein CO2-Zertifikat nutzlos sein?
Bleiben wir beim Beispiel Verra. Das Unternehmen verkaufte laut der Recherche das Versprechen, die Abholzung des Regenwaldes mit dem Geld für die Zertifikate zu stoppen. 100 Hektar Wald zu erhalten, würde etwa 40 Tonnen CO2-Ausstoß vermeiden. Große Unternehmen wie Gucci, easyJet, Shell kauften diese Nachweise – und verkauften sich danach als “grün”. Verra hatte aber laut der Kritik die Gefahr für diese Wälder übertrieben. Stimmt das, dann “beschützten” die Zertifikate also Teile des Amazonas-Regenwaldes, die wahrscheinlich gar nicht abgeholzt worden wären.
Ein weiteres Problem ist, dass die Projekte die Emissionen langfristig binden müssen, damit sie ihren Zweck erfüllen. Mindestens so lange, wie die damit ausgeglichenen Emissionen in der Atmosphäre sind. Wird ein Wald, mit dem CO2 ausgeglichen werden sollte, aber zerstört, gelangen die gesamten Emissionen wieder in die Atmosphäre. Das ist bereits des Öfteren passiert – beispielsweise durch Waldbrände.
Und: Es müssen viele Bedingungen stimmen, damit eine Aufforstung auch wirklich die gewünschte und versprochene Wirkung erzielt. Wird beispielsweise ein Wald gepflanzt, wo vorher ein Moor war, setzt man damit vielleicht sogar mehr Treibhausgase frei, als man bindet.
Wir können nicht weitermachen wie bisher
All das heißt nicht, dass der Kampf und Projekte gegen die Entwaldung oder für die Aufforstung immer ein Schwindel oder eine schlechte Idee sind. Aber die Klimakrise einfach wegkompensieren können wir nicht. Selbst, wenn die Kalkulation bei Projekten stimmt und die Emissionen langfristig gespeichert werden, ist eines deshalb wichtig: Emissionen gar nicht erst zu verursachen.
Erst, wenn Treibhausgase nicht mehr verringert werden können, dann sollen sie ausgeglichen werden. “Es kann nicht sein, dass man sich mit der Kompensation einfach das schlechte Gewissen wegkauft”, sagt Thaler.
Dieser Beitrag wurde am 23.02.2024 auf moment.at unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
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