Costa Rica: „Wir können nicht weiter einfach nur Löcher flicken“
In Costa Rica hat die Regierung neue Maßnahmen zur Bewältigung der anhaltenden Sicherheitskrise beschlossen. Diese zielen jedoch nicht auf die Ursachen ab.
Von Beatriz Vicent Fernández und Sam Woolston (InsightCrime / NPLA)
Die Regierung Costa Ricas hat zehn Maßnahmen zur Bewältigung der sich verschärfenden Sicherheitskrise im Land verkündet. Die Reformen gehen jedoch weder die Haushaltskrise noch die der Kriminalität zugrundeliegenden Ursachen an.
Die Vorsitzenden der drei Gewalten der costa-ricanischen Regierung versammelten sich am 30. Januar, um einen Vorschlag zu erstellen. Wird dieser genehmigt, käme es zu folgenden Veränderungen: Gefängnisstrafen würden erhöht werden, der rechtliche Handlungsbereich zur Bestrafung Minderjähriger werde ausgeweitet und die Regierung erhielte das Recht, die Staatsbürgerschaft den eingebürgerten Personen wieder zu entziehen, die Drogendelikte begehen.
Die Bekanntgabe der neuen Maßnahmen erfolgte nur wenige Tage nach einer Mordserie in Limón, Hafenstadt und Zentrum des Drogenhandels an der costa-ricanischen Karibikküste. Diese forderte 14 Tote, darunter ein Polizist.
Die Rekordzahlen an Morden haben die Sicherheitslage in Costa Rica zuletzt in den Fokus gerückt. 2023 lag die Mordrate bei 17,2 Morden je 100.000 Einwohner, 38% höher als 2022. Die Regierung sagt, dass die steigende Anzahl auf die gewaltsamen Kämpfe zwischen den Gangs um die Kontrolle über die Drogenschmuggelruten zurückzuführen sei.
In einer vom Forschungszentrum für politische Studien (CIEP) im vergangenen November durchgeführten Umfrage gaben die Costa-Ricaner*innen „die fehlende Sicherheit und die Kriminalität“ als derzeit größte Sorge an. 69% der Befragten sagten, dass sie „kaum“ oder „kein“ Vertrauen in das Vermögen der Regierung zur Bekämpfung der Kriminalität hätten.
„[Costa Rica] hat noch nie zuvor ein so hohes Gewaltniveau erlebt wie wir es derzeit erfahren“, sagte Manuel Garro Chacón, Gründer der Policiá Municipal [eine Art Gemeindepolizei, die unter dem Kommando des jeweiligen Bürgermeisters steht und als Hilfsorgan der öffentlichen Gewalt dient] des Landes, im Interview mit InSight Crime.
Analyse von InSight Crime
Die letzten Handlungsvorschläge der Regierung zielen in erster Linie auf eine Erhöhung der Strafen für Kriminelle ab, und gehen weder auf die Haushaltskrise der Sicherheitsinstitutionen noch auf die sozioökonomischen Probleme des Landes ein, die dem Problem zugrundeliegend.
InSight Crime führte ein weiteres Interview mit Karen Jiménez Morales, der Direktorin für Polizeiwissenschaft der Staatlichen Fernlehre Universität. Jiménez Morales betonte, dass die Lösung der Krise nicht die alleineige „Erhöhung der Strafen“ sein sollte.
„Unsere Polizei versucht mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen alles Menschenmögliche. Auf der anderen Seite haben wir jedoch eine unglaubliche Schwäche auf Seiten der öffentlichen Ordnung, und fehlende Investitionen in allen Bereichen, die auf soziale Unterstützung abzielen“, fügte sie hinzu.
Die Regierung verschärfte zum ersten Mal im April 2023 seine Bemühungen im Vorgehen gegen die Sicherheitskrise. Damals wurde der Plan „Sicheres Costa Rica“ umgesetzt, der 700 neue Polizist*innen und eine Investition in Höhe von 600 Millionen Colones (1,2 Millionen US$) in neue Polizeifahrzeuge vorsah. Kurz darauf stellte der Präsident Rodrigo Chaves den Exminister Mario Zamora wieder ein, der für seine harte Hand gegen Kriminalität bekannt ist. Zamora übernahm sein altes Amt als Sicherheitsminister.
Nach nur drei Monaten im Amt, brachten die allgemeinen Kürzungen für die Polizei das Ministerium Zamoras jedoch in eine finanzielle Notlage, die nicht einmal das Akquirieren der Grundausstattung eines Polizisten einschließlich der Stiefel und Uniformen ermöglichte. 200 der 900 Einsatzwagen waren laut eines Berichts von El País im August 2023 nicht einsatzbereit.
Obwohl Garro Chacón darauf hofft, dass die Reformen im Kongress bestätigt werden, sagt er auch, dass die so notwendigen strategischen Sicherheitsreformen trotzdem noch nicht ausreichend umgesetzt werden. „Wir können nicht weiter einfach nur Löcher flicken“, so seine Aussage.
Die fehlenden finanziellen Mittel für die Polizei hat einen Kontext geschaffen, der institutionelle Korruption begünstigt – ein Problem, dass mit der Ausbreitung des Drogenhandels in Costa Rica weiter ansteigt. Garro Chacón erklärte InSight Crime, dass das Anfangsgehalt eines Polizisten bei 600 US$/ Monat liegt. „Wenn dann ein Drogenschmuggler kommt und sagt: Ich bezahle dir 2000 US$ monatlich, wenn du mir Informationen verschaffst… Dann haben wir hier ein großes Problem.“, fügte er hinzu.
Die Haushaltskrise betrifft noch weitere Ministerien, was Expert*innen zufolge ebenfalls zu Erhöhung der Kriminalität beiträgt. Mehr als 21.000 Studierende haben laut Daten des Bildungsministeriums im letzten Jahr ihr Studium abgebrochen. Zeitgleich betrug laut Banco Mundial (Weltbank) die Zahl der Jugendarbeitslosigkeit in 2022 31,9%.
„Dies ist die Realität vieler Jugendlicher, die wir nun in den Videos von Attentaten sehen. Wir sehen sehr junge Personen, die diese Taten begehen.“, sagte Jiménez Morales. Was das Land wirklich brauche, um das Niveau der Gewalt zu reduzieren, sagte sie, seien präventive Maßnahmen gegen Drogensucht und Arbeitslosigkeit, sowie Investitionen in die Bildung.
Dieser Beitrag erschien am 24.02.2023 auf npla.de, lizensiert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international. Originalartikel: insightcrime.org
Titelbild: Polizist*innen in Costa Rica. Foto: MadriCR via wikimedia commons, CC BY-SA 3.0 DEED.