Mehr Menschen als je zuvor auf der Flucht
Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR verzeichnet einen neuen Rekord an Menschen, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Die meisten von ihnen finden in einkommensschwachen Ländern Schutz.
Mehr als 108 Millionen Menschen waren gegen Ende des vergangenen Jahres auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen – um 19 Millionen Menschen mehr als noch 2021. Das berichtet das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) in seinem neuen Report „Global Trends in Forced Displacement 2022“.
Der Großteil des Anstiegs ist demnach auf Russlands Krieg in der Ukraine zurückzuführen. Innerhalb eines Jahres steig die Zahl der Flüchtenden von 27.300 auf 5,7 Millionen Menschen. Das sei „die schnellste Entwicklung einer Flüchtlingssituation seit dem Zweiten Weltkrieg“, berichtet das UNHCR. Ein Anstieg der Vertriebenen wurde auch etwa in Afghanistan oder Venezuela verzeichnet. Die meisten Flüchtenden (6,5 Millionen Menschen) stammen nach wie vor aus Syrien.
„Diese Zahlen zeigen uns, dass Konfliktparteien viel zu schnell einen Konflikt beginnen, ohne politischen Lösungen genügend Raum zu geben, und viel zu langsam sind, um Lösungen zu finden. Die Folgen sind Verwüstung, Vertreibung und Leid für jeden einzelnen der Millionen Menschen, die gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben wurden“, sagt UN-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi.
Die Zahlen zeigen außerdem, dass 70 Prozent der Menschen in Nachbarländer fliehen und sogar drei Viertel aller Flüchtenden in Ländern mit mittleren oder niedrigen Einkommen aufgenommen werden. Auf die 46 am wenigsten „entwickelten“ Länder entfallen zwar nicht einmal 1,3 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, dennoch haben sie mehr als 20 Prozent aller Flüchtlinge aufgenommen.
„Menschen auf der ganzen Welt zeigen weiterhin eine außergewöhnliche Gastfreundschaft gegenüber Flüchtlingen, indem sie ihnen Schutz und Hilfe gewähren“, sagt Grandi. „Aber wir brauchen viel mehr internationale Unterstützung und eine gerechtere Aufteilung der Verantwortung, gerade mit den Ländern, die die meisten Vertriebenen aufnehmen.“
Ein Ende des Trends zeichnet sich nicht ab, durch die Eskalation des Konflikts im Sudan geht das UNHCR aktuell (Stand: Mai) von mehr als 110 Millionen Menschen aus, die ihre Heimat verlassen müssen.
Text: Moritz Ettlinger
Titelbild: Julie Ricard auf Unsplash
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