Blau-Gelbe G’schichten
Die Landtagswahl in Niederösterreich endete mit einem Supergau für die ÖVP, an dem vor allem die anderen schuld waren.
Ein Kommentar zur Wahl von Josef Stingl
Die niederösterreichische Landtagswahl ist geschlagen. Das Positive: Die Wahlbeteiligung ist um fast fünf Prozentpunkte, auf 71,52 Prozent gestiegen. Das Negative: Zwar ist Johanna Mikl-Leitners schwarz-türkise Allmacht zerschlagen, wird jetzt allerdings durch einen unmenschlichen, blaupopulistischen Rechtsrutsch ergänzt. Und die ehemalige “rote” Arbeiterpartei, die pikanterweise in Niederösterreich gegründet wurde, rutschte am blaugelben Wahlparkett ebenfalls aus.
Das Wahlergebnis im Konkreten: Die ÖVP kommt auf 39,9 Prozent (-9,7), verliert sechs Mandate und hält noch 23 Mandate im Landtag. Die SPÖ erreicht 20,7 Prozent (-3,3) der Stimmen, hält 12 Landtagsmandate (-1) und liegt hinter den Freiheitlichen nur mehr auf Platz 3. Die FPÖ legt deutlich auf 24,2 Prozent (+9,4) der Stimmen zu. Das bringt 14 Mandate (+6). Die Grünen erlangen 7,6 Prozent (+1,2) der Stimmen und vier Mandate. Damit haben sie den Klubstatus zurückgewonnen. Auf die NEOS entfallen 6,7 Prozent (+1,5) der Stimmen bzw. drei Mandate (+/-0).
Ein schwarzer Supergau auch in der Landesregierung, die in Niederösterreich nach Proporz zusammengesetzt wird. Überhaupt erstmalig verliert die NÖVP auch hier die Mehrheit. Ebenso bedeutet das niederösterreichische Wahlergebnis für Schwarz-Grün im Bund, dass die Mehrheit im Bundesrat dahin ist. Korrekterweise noch die Ergebnisse der Kleinstwahlwerber:innen, die nur in wenigen bzw. nur in einem Wahlkreis kandidierten: MFG 0,5 Prozent, KPÖ 0,4 Prozent und Ziel 0,1 %.
Blaugelbe Präpotenz
Nach den Wahlinterviews könnte man meinen, dass trotz der historischen Tiefstände von ÖVP und SPÖ weder „die schwarze“, noch „der rote Hanni“ an ihren Wahldebakel schuld sind. Die Bundespartei-Performance, die aktuelle politische Lage, Corona, Ukraine-Krieg und Teuerung und das Verkennen ihrer hervorragenden Arbeit – oder anders gesagt die Dummheit des Wahlvolks – sind an den Verlusten schuld. Daher ein klares Njet zu einer Diskussion über ihre Person.
In der niederösterreichischen Sozialdemokratie könnte die Personal-Diskussion nochmals bei der Veröffentlichung der Vorzugsstimmen heiß werden. Nämlich dann, wenn der Bürgermeister Andreas Babler mehr Vorzugsstimmen hat als der landesweite Spitzenkandidat Franz Schnabl. Der Traiskirchner Links-Sozialdemokrat Babler hat am Wahlabend im ORF angekündigt, mehr Verantwortung in der Roten Landespartei übernehmen zu wollen, allerdings nur wenn er Bürgermeister bleiben kann. Übersetzt heißt das Landesvorsitz und Landtag JA, Landesregierung aber NEIN. Ob das funktioniert und die Rettung ist, sei dahingestellt.
Interessant werden auch die „Koalitionsverhandlungen“ in Niederösterreich. Wird aus dem in der Wahl hervorgehobenen Blau-Gelb letztendlich eine Schwarz-Rote oder ein Schwarz-Blaue Heirat? Oder entscheidet sich die ÖVP für eine „Dreierbeziehung“ bei der sich Landeshauptfrau oder -mann je nach Anliegen ihren Bettpartner aussuchen kann und das übergebliebene dritte Rad als Trost auch mal dagegen stimmen darf?
Titelbild: Das Landhaus in St. Pölten. Foto: NLK Reinberger, CC BY 4.0, via Wikimedia Commons
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