Senegal hat wieder einen Premierminister
Senegals Präsident Sall ernennt Minister, äußert sich zu einer möglichen dritten Amtszeit als Präsident allerdings nicht.
Von David Bieber
Dakar. Der Senegal hat eine neue Regierung. Senegals Präsident Macky Sall hat sein neues Kabinett am vergangenen Samstagmittag in einer vielbeachteten Fernsehansprache an die Nation verkündet. Die Entscheidung, wer künftig ins Regierungsteam kommt, und vor allem ob Sall sich zu seinen Plänen für eine dritte Amtszeit als Präsident der senegalesischen Republik äußern würde, wurde mit Spannung verfolgt in dem seit vielen Monaten politisch stark gespalteten Land.
Bei der konstituierenden Sitzung in der Nationalversammlung des neu gewählten Parlaments war es vor etwa einer Woche zu tumultartigen Szenen gekommen. Die Gendarmerie wurde daraufhin hinzugezogen und wachte über die Abgeordneten, was für große Bestürzung und Entsetzen in der Bevölkerung sorgte. Für den senegalweit bekannten Aktivisten Alioune Tine ist das abgegebene Bild der Abgeordneten eine Katastrophe für das Land. „So etwas geht in die Geschichtsbücher ein. Der Präsident der Nationalversammlung muss unter Aufsicht der Polizei gewählt werden. Das ist eine ernsthafte politische Krise, die von einer exzessiven Polarisierung und von exzessiven politischem Misstrauen und Trotz geprägt ist.“
Zudem ist der im Jahre 2019 von Sall per Dekret abgeschaffte Posten des Premierministers mit dem früheren Finanz- und Außenminister Amadou Bâ wieder besetzt worden. Das Amt des Premierministers wurde im Mai 2019 vom Staatsoberhaupt abgeschafft, um die Umsetzung der öffentlichen Politik zu beschleunigen. Im Dezember 2021 wurde der Posten allerdings wiederhergestellt, blieb aber unbesetzt, da Sall auch die Aufgaben des Premierministers interimsweise übernahm. Das neue Regierungsteam wird nun die Geschicke des Landes bis zur Präsidentschaftswahl 2024 führen.
Ob das Staatsoberhaupt dort kandidieren wird, diese brisante Frage ließ Sall zum Erstaunen vieler Senegalesen unbeantwortet. Eigentlich hatte Sall, der seit Anfang Januar auch Präsident der Afrikanischen Union (AU) ist, bereits am Tag nach den Parlamentswahlen vom 31. Juli versprochen, sich dazu zu äußern. Das tat er aber am Samstag wieder nicht und facht damit weiter die anhaltende aufgeladene politische Lage im 18-Millionen-Einwohner-Land an.
Für Unruhe in der Bevölkerung sowie teils heftige und tödliche Auseinandersetzungen – besonders im Vorfeld der jüngsten Parlamentswahl – sorgte das seit etwa anderthalb Jahren hartnäckig kolportierte Gerücht einer dritten Amtszeit Salls als Präsident. Die senegalesische Versammlung sieht aber nur zwei aufeinander folgende Amtszeiten vor. Viele warfen Sall, der sich bis dato aber nie öffentlich zu seinen Ambitionen und den Gerüchten äußerte, bereits vor, die Verfassung aushebeln zu wollen.
Aber vor allem auch wegen der im Zuge des Ukraine-Kriegs rasant gestiegenen Lebensmittelpreise, der hohen Arbeits- und Perspektivlosigkeit der Jugend sowie fehlender Standards im Gesundheits- und Bildungssektor ist Macky Sall zunehmend in der Kritik. „Ich denke, dass der Druck mittlerweile so hoch für Macky ist, dass er nicht für eine dritte Präsidentschaft kandidieren wird“, sagt Birane Gueye, ein senegalstämmiger Politiker der Partei „Die Linke“ aus Duisburg und ehemaliger Kandidat bei den senegalesischen Parlamentswahlen von 1988.
Derweil wurde ein Konzert gegen eine dritte Amtszeit von afrikanischen Künstlern in der Hauptstadt Dakar am Samstag vom zuständigen Präfekten verboten.
Am Freitag zuvor hatte Sall in einer ebenso im Fernsehen ausgestrahlten Rede an seine Rolle als „Garant der nationalen Einheit“ erinnert und Maßnahmen versprochen, die den Anstieg der Lebens- und Unterstützungskosten ausgleichen sowie für Beschäftigung sorgen sollen. Auch für den neuen Premier Bâ sei dies „die essentiellste Aufgabe“.
Der Präsident der senegalesischen Liga für Menschenrechte, Alassane Seck, lud den neuen Regierungschef Bâ bereits ein, um über „konkrete Maßnahmen gegen die hohen Lebensmittelpreise“ und über eine „Befriedung der angeheizten politischen Lage im Land“ zu sprechen, berichtet die Tageszeitung „Le Mandat“.
Salls Regierung droht ein in der Geschichte des Landes beispielloser Stillstand. Mit nur einer Stimme Vorsprung in der Nationalversammlung profitieren die Abgeordneten der Präsidialkoalition Benno Bokk Yakaar (BBY) nur von einer sehr knappen Mehrheit. Die Gefahr, der sie ausgesetzt sind, ist umso größer, als sich die ehemalige Premierministerin Aminata Touré im neu besetzten Kabinett übergangen fühlt und einen offenen Machtkampf innerhalb der Koalition vom Zaun brechen könnte.
Titelbild: Senegals Präsident Macky Sall 2017. Foto: GovernmentZA / Flickr / CC BY-ND 2.0
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