Immer neue Details, immer neue Fragen
Deutschland: Die Opposition im NRW-Landtag fordert mehr Tempo bei politischer Aufarbeitung vom tödlichen Polizeieinsatz in Dortmund von Anfang August.
Von David Bieber
Dortmund. Im Fall des von einem Polizisten bei einem entgleisten Einsatz in Dortmund erschossenen 16 Jahre alten schwarzen Flüchtling werden immer weitere Details bekannt. In der Sitzung des Rechtsausschusses hat das NRW-Justizministerium einen neuen Bericht im Zusammenhang mit dem Tod von Mouhamed Lamine Dramé veröffentlicht.
Nun ist bekannt geworden, dass abgelaufenes Pfefferspray zum Einsatz gekommen sein soll. Zudem ist wohl inzwischen ein Augenzeugen-Video von dem offenkundig dilettantisch abgelaufenen Polizeieinsatz aufgetaucht. „Immer neue Informationen, immer neue Fragen – so geht es nun seit Wochen mit jedem Bericht von Justiz- und Innenminister. Das unterstreicht für uns umso deutlicher: Es ist richtig, diesen Fall auch politisch aufzuarbeiten“, erklärt Sonja Bongers, rechtspolitische Sprecherin der oppositionellen SPD-Fraktion im NRW-Landtag. Schlussfolgerungen für die künftige Polizeiarbeit müssten demnach dringend gezogen werden. Ersten Absichtserklärungen müssen laut SPD „Taten folgen“.
Derweil teilt für den deutschlandweit für Aufsehen erregenden Fall zuständige Oberstaatsanwalt Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund mit, dass er „aktuell keine Ermittlungsergebnisse bekannt geben und auch Presseanfragen bis auf Weiteres nicht mehr beantworten“ werde. Das Innenministerium schweigt auch und verweist auf die Staatsanwaltschaft Dortmund, die „in diesem Verfahren nicht nur sachleitend, sondern hat auch die Pressehoheit“ habe. Vorher werde auch Minister Herbert Reul (CDU) sich zu neuen Erkenntnissen oder Einzelheiten des Verfahrens nicht äußern können.
Bereits vergangene Woche ließ Innenminister Reul verlauten, dass die Möglichkeit bestünde, dass sich die Polizisten tatsächlich falsch verhalten haben könnten. Er habe den „Eindruck, dass bei diesem Einsatz einige Dinge nicht einwandfrei gelaufen sein könnten“.
Welche Details ihm dabei genau in den Sinn kämen, könne er mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nicht sagen. Reul kündigte aber an, nun die Dienstvorschriften und Handreichungen der Polizei in NRW, die auf derlei Situationen vorbereiten sollen, zu prüfen und ebenso über eine „bessere Qualifizierung“ der Polizisten zu beratschlagen. Auch der Einsatz der Bodycams soll genauer untersucht werden, da diese im Dortmunder Fall nicht eingestellt waren. Eine eventuelle Pflicht zum Tragen einer Bodycam und zur Aufzeichnung in bestimmten Fällen wird ebenfalls überdacht, heißt es.
Das alles reicht der SPD allerdings nicht. Sie fordert: „Das Land muss die künftigen Einsatzvorschriften für Maschinenpistolen klären. Genauso muss die Polizeiarbeit im Umgang mit psychisch erkrankten Personen verbessert werden.“
Darüber hinaus stelle sich auch Fragen zum Material. „Wie stellt die Landesregierung eine funktionierende Ausrüstung der Polizei sicher, bei der etwa Pfefferspray nicht abgelaufen ist“, fragt die Bongers, die die Landesregierung bei der politischen Aufarbeitung in der Pflicht sieht. Die Entwicklung der vergangenen Wochen können niemanden zufrieden stellen, urteilt Bongers.
Mouhamed, der in Dortmund in einer katholischen Jugendhilfeeinrichtung wohnte und laut Polizei psychisch auffällig gewesen sein soll, wurde Anfang August in der Dortmunder Nordstadt von vier Kugeln aus einer Maschinenpistole erschossen. Laut Polizei soll Mouhamed zuvor mit einem Messer auf einen Beamten losgelaufen sein soll. Carsten Dombert von der Staatsanwaltschaft Dortmund hatte kürzlich eine Mitschuld der Polizei attestiert. Nach Angaben Domberts sei bis zum Zeitpunkt, bis Mouhamed mit (abgelaufenen) Reizgas von zwei Beamten besprüht worden war, die Lage »statisch«, also ruhig, gewesen. Die Beamte sollen diesen mutmaßlichen Messer-Angriff Mouhameds somit überhaupt erst herbeigeführt haben.
Titelbild: Ingo Kramarek auf Pixabay
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