Noble Zurückhaltung des ÖGB unverständlich
Mit nur einem E-Mail an seine Mitglieder hätte der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) einen großen Teil dazu beitragen können, dass das Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“ die 100.000-Unterschriften-Hürde nimmt, meint Josef Stingl im Kommentar.
Das Volksbegehren „Arbeitslosengeld rauf!“ wurde von 86.217 Frauen und Männer unterstützt. Damit wurde leider das notwendige Quorum von 100.000 Unterstützer*innen nicht erreicht.
Damit finden zwar die Forderungen nach der Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf eine mindestens 70prozentige Nettoersatzrate und eine Entschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen nicht direkt den Weg ins Parlament. Die Anliegen dürfen trotzdem nicht im Rundordner des Neoliberalismus abgelegt werden. Sie sollen und müssen bei der Reformdebatte zur Arbeitslosenversicherung mitberücksichtigt werden.
Trotzdem, es ist Selbstreflexion angesagt. Als Proponent*innen müssen wir uns fragen, warum bei den sieben Volksbegehren nur das Begehren „Arbeitslosengeld rauf!“ die notwendigen Unterstützungsunterschriften nicht erreicht hat. Wo hätten wir anders, effizienter handeln können: Beim Zuwarten, mehr Aktionismus auf der Straße, ein besseres Mobilitätskonzept, …
Aber ebenso Selbstreflexion braucht es beim ÖGB. Denn warum versteckten sich dessen Entscheidungsträger*innen hinter dem Stehsatz, dass „der ÖGB prinzipiell kein Volksbegehren direkt unterstützen würde“ und verzichteten deshalb auf einen klaren und eindeutigen Aufruf und eine breite Mobilisierung fürs besagtes Volksbegehren.
In diesem speziellen Fall einfach unverständlich, da die Anliegen des Volksbegehrens eins zu eins der Forderungslage der Gewerkschaften entsprachen. Unverständlich, weil ohnehin alle Fraktionen, also FSG, AUGE und GLB, aber auch große Teile der FCG das Volksbegehren unterstützten.
Ich bin mir sicher, statt „nobler Zurückhaltung“ nur ein Direktmailing an die Mitglieder und die 100.000er-Hürde wäre jetzt gebrochen. Ein Faktum, dass es der Regierung deutlich schwieriger machen würde, das Anliegen nach einem armutsfesten Arbeitslosengeld zu ignorieren. Eine historische Chance wurde somit vertan.
Titelbild: Unsere Zeitung/Moritz Ettlinger
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