Mord & Deutschpop
Sebastian Fitzek ist das fünfte Jahr in Folge der meistverkaufte Autor Deutschlands. Seit seinem Debüt „Die Therapie“ sind alle seine Thriller Bestseller. Im neuesten „Fitzek“, einem Psychothriller mit dem vielversprechenden Titel „Playlist“, steht – wieder einmal – eine Kindesentführung im Mittelpunkt. Abgesehen davon enthält der Psychothriller alle Zutaten, die man von Sebastian Fitzek gewohnt ist sowie eine ganz neue Idee – die leider überhaupt nicht aufgeht. – Sonntag ist Büchertag
Von Eva Unterrainer
Für sein neuestes Werk hat sich Sebastian Fitzek so einiges einfallen lassen. Die Idee: Der Autor bittet 15 internationale (im Großen und Ganzen dann aber doch vorherrschend in Deutschland lebende) Künstler*innen, je einen Song inspiriert von Aspekten der Handlung zu schreiben. Das Ergebnis: Ein Thriller mit Soundtrack, wobei die Lieder nicht nur ein Extra für die Leser*innen darstellen, sondern auch für die Handlung selbst von großer Bedeutung sind. Soweit die Theorie, zur Praxis später mehr.
Für Fitzek selbst zahlt sich diese multimediale Inszenierung auf jeden Fall aus. Immerhin gibt es auf seiner Website nicht nur „Playlist“ als Hardcover, E-Book und Hörbuch, sondern auch die namensgebende Playlist als Standard- und Premium-CD sowie auf Vinyl zu kaufen. Auf fitzek-playlist.de gibt es dann sogar noch mehr „Experience“ – in einem interaktiven Online-Game muss man verschiedene Aufgaben lösen, um das 15-jährige Entführungsopfer zu befreien. Eines muss man Sebastian Fitzek zugestehen: Sein Marketing-Team ist gut besetzt.
All das ändert leider nichts an der Tatsache, dass der eigentliche Star des Arrangements – nämlich „Playlist“ (also der Thriller) selbst – einfach nicht gut ist. Dabei bietet er eigentlich alles, was man sich von einem Fitzek-Buch erwartet: extrem blutige Morde, Kindesentführung, Folter, vom Leben gezeichnete Protagonist*innen, hochpsychopathische Täter*innen und auf jeder Seite ein oder zwei Plot Twists. Wahrscheinlich ist aber genau das der Grund, warum „Playlist“ nicht so richtig funktionieren will: Hat man schon den ein oder anderen Fitzek-Thriller gelesen, ist einem das Rezept mittlerweile nur allzu gut bekannt. Man weiß, dass man niemandem trauen darf, ahnt, dass nichts so ist wie es scheint. So ist die Handlung von „Playlist“ leider sehr vorhersehbar. Was sich in den letzten Psychothrillern von Sebastian Fitzek schon leise angekündigt hat, trifft auf sein neuestes Werk nun vollkommen zu: Es scheint, als würden dem Autor die Ideen ausgehen. Zu verzweifelt versucht er, die Lesenden in die Irre zu führen. Zu unlogisch und wenig nachvollziehbar ist das Verhalten der Protagonist*innen, zu gewollt die Brutalität der Handlung. Die Täter*innen sind nicht mehr vielschichtig und faszinierend, sondern nur noch schräg und die Opfer wecken wenig Sympathie.
Im Klappentext von „Playlist“ heißt es: „15 Songs entscheiden über Leben und Tod“. Die Idee mit den Songs, die sowohl in der Handlung als auch in Realität existieren, ist ganz nett, funktioniert aber – wie so vieles in „Playlist“ – in der Praxis leider gar nicht. Dass die Songs extra für den Thriller aufgenommen wurden, bereichert die Handlung nicht im Geringsten. Eher wird durch die Songzitate auf gefühlt jeder zweiten Seite das Leseerlebnis gestört. Außerdem benötigt man eine große Portion Fantasie, um die Zeilen von Rae Garvey, Majan und Co. mit dem fiktiven Geschehen in Verbindung zu bringen. Die Bedeutung der Playlist im Thriller scheint an den Haaren herbeigezogen – fast so, als hätte man verzweifelt versucht, das Konzept auf irgendeine Art unterzubringen, egal ob es dem literarischen Werk schadet oder nicht. Da können Johannes Oerding, Tim Bendzko, Kool Savas, Beth Dito und Silbermond noch so viel über Mauern, Verliese und die Dunkelheit singen – den Sinn dahinter sucht man vergebens.
Psychothriller von Sebastian Fitzek waren einmal etwas Besonderes. Sie punkten eigentlich mit außergewöhnlichen Held*innen und absurden Bösewichten, schlagen unerwartete Richtungen ein und zeigen keine Scheu vor menschlichen Abgründen. Vor allem sind sie aber normalerweise eins: bis ins kleinste Detail genauestens durchdacht. „Playlist“ kann da leider nicht mithalten. Dem Thriller mangelt es an Spannung und Logik, den Protagonist*innen an Scharfsinnigkeit und Sympathiepunkten. Kleiner Trostpreis: Der Playlist von „Playlist“ kann man aber durchaus eine Chance geben – auch wenn die Songs darauf wahrlich keine Good-Vibes-Garanten sind.
Sebastian Fitzek – Playlist
Droemer HC Verlag – 2021, 400 Seiten
ISBN: 978-3-426-28156-7
Heißhunger auf Bücher? Auf ihrer Website www.book-cravings.com findet ihr noch mehr lesenswerte Rezensionen von Eva.
Titelbild: Eva Unterrainer
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