Die Krise ist eine logische
Dargelegt anhand von Aussagen (kursiv) und Maßnahmen der politisch Verantwortlichen im Rahmen der Corona-Krise. Triggerwarnung für … hm … ah wås, wahrscheinlich eh alle.
Ein Gastbeitrag von Markus Auer
Eines vorweg: In diesem Text geht es nicht um Pro oder Contra Impfung, nicht um die Aussagekraft oder Verlässlichkeit der Tests, und nicht um Vergleiche mit anderen Ländern und deren Maßnahmen.. Zu all diesen Punkten wird sich ohnehin andernorts reichlich geäußert. – Mir geht es hier um die Logik der Krise.
Nach einer ersten Schrecksekunde, die so lange währte, dass die Wintersaison profitabel abgeschlossen werden konnte, haben sich die Regierenden auf nationaler und EU-Ebene beraten und beraten lassen. Welchen Hintergrund ihre Berater haben, erklärt eventuell die Ergebnisse dieser Beratungen und wieso einige gesellschaftliche Folgen der Maßnahmen außer Acht gelassen wurden. Danach wurde verkündigt:
„Die Impfung ist der Weg aus der Pandemie.“
Die politisch Verantwortlichen können sich wieder mal an einer einfach darzustellenden und somit leicht zu kommunizierenden Zahl orientieren – der Impfquote. Aus lauter Freude eine Lösung präsentieren zu können und um deren Umsetzung zu beschleunigen, hat man den Impfherstellern die Kosten für die Entwicklung der Impfstoffe mit Steuergeld bezahlt. Anscheinend entwickelt es sich besser mit Fremdkapital. Kosten zu vergesellschaften und Profite zu privatisieren, ist ein altbewährtes Konzept. Es ist besonders in einer Krise nur logisch, das beizubehalten, was seit langem funktioniert.
Das einzig Neue an diesem alten Geschäftsmodell ist, dass diesmal auch die Werbung von Regierung, Medien und sogar einem Teil der Bevölkerung aktiv übernommen wird. Schließlich soll es ja auch ein Erfolg werden, wenn wir alle schon so viel investieren.
Da unsere Regierenden großen Wert auf Vergleiche mit anderen Ländern legen, aber die Impfbereitschaft bei uns nicht so hoch ist wie anderswo, hielten sie es für nötig, dass es für die Ungeimpften ungemütlicher wird, um diese zur Impfung zu bewegen. Das erklärt auch, warum in einer Zeit der Message Control von den Regierenden die Aussage gewählt wurde:
„Alle Maßnahmen dienen dem Schutz der Ungeimpften“.
Nämlich um klarzustellen, wer für die unangenehmen Maßnahmen von den Verantwortlichen verantwortlich gemacht wird und, dass man mittels Impfung diese Verantwortung leicht auf andere abwälzen kann.
Gut zu erkennen war das am Beispiel von Wien, wo es zwischenzeitlich neue Regeln für kleinere Events gab. Die Veranstalter konnten sich wahlweise zwischen 2G oder 2,5G entscheiden.
- 2G: Zutritt nur für Geimpfte und Genesene. Keine Maskenpflicht.
- 2,5G: Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete. Maskenpflicht.
Bei 2G schützt man die Ungeimpften, indem man ihnen den Zutritt verweigert. Außer es sind genesene Ungeimpfte – oder in dem Fall besser gesagt ungeimpfte Genesene, wegen der Übersichtlichkeit. Zusätzlichen Schutz durch Maskenpflicht gibt es keinen, da Genesene bereits immunisiert sind und „alle Maßnahmen dem Schutz der Ungeimpften dienen“. Logisch.
Bei 2,5G werden die Ungeimpften dadurch geschützt, dass man ihnen den Zutritt verweigert, außer sie sind getestete Ungeimpfte. Oder wegen der Übersichtlichkeit besser gesagt: ungeimpfte Getestete. Im Unterschied zu 2G gilt für alle Maskenpflicht, also müssen die Genesenen und die Geimpften wegen den dazukommenden Ungeimpften eine Maske tragen. Sozialer, aber vielleicht nicht so angenehm wie ohne Maske. Dies führt möglicherweise zu Reaktionen wie: „Mei, lasst euch doch impfen, dann brauchen wir euch nicht mehr zu schützen und müssen keine Masken tragen. Ist doch auch gemütlicher.“ Das nennt man gesellschaftlichen Druck erzeugen, und wird von der Regierung auch gefordert:
„Wirken Sie auf ihre Mitmenschen ein, sich impfen zu lassen.“
Was dabei gerne übersehen wird, ist der Grund für die Notwendigkeit der Masken bei dieser Variante. Die dazugekommenen Ungeimpften haben als einzige den behördlich von ihnen verlangten Nachweis erbracht, dass sie laut Test momentan keine Gefahr darstellen. [1] Schutz braucht man vor den dort anwesenden Genesenen und Geimpften, die sich nach wie vor infizieren und auch das Virus übertragen können.
Dieses Problem ist selbstverständlich nicht so einfach zu lösen, wenn es für die Ungeimpften ungemütlicher werden soll, aber nicht für die Anderen. Um den Druck auf die Ungeimpften erhöhen zu können, muss man gewisse Dinge außer Acht lassen. Wie zum Beispiel, dass es auch Geimpfte gibt, die zu wenig Antikörper nach der Impfung entwickelt oder diese bereits wieder abgebaut haben, weswegen ja zur dritten Impfung geraten wird, weil sie eben noch nicht oder nicht mehr ausreichend immunisiert sind. Das bedeutet, auch ein Teil der Geimpften wäre trotz Impfung genauso zu schützen wie Ungeimpfte. Es ist aber in der Regierungslogik der G-Schubladen nicht vorgesehen, dass Geimpfte einen individuell unterschiedlichen Immunitätszustand haben.
Um von den Schwächen des eigenen Konzepts abzulenken, und für den Fall, dass die Message vom Schutz der Ungeimpften für Arglose zu subtil war, wird man deutlicher und spricht von der:
„Pandemie der Ungeimpften.“
Gerade in Krisenzeiten, wo sich mehr Augen und Ohren auf die Regierenden richten, führt man nicht an den Zügeln sondern durch das Beispiel, das man selbst gibt, und welches bei Bedarf von anderen aufgegriffen wird.
Die ‚Zeit im Bild‘ (ORF) postet auf Facebook ein Interview mit einer Virologin unter der Schlagzeile: „Die Ungeimpften sind jetzt die Treiber der Pandemie.“ Entstanden ist diese fragwürdige Headline aus der Antwort der Dame auf die Frage von Martin Thür, ob das nationale Impfgremium (dem diese Virologin angehört) die Drittimpfung zu spät empfohlen habe.
Als Antwort erklärt uns die Expertin anhand des hypothetischen Beispiels eines Superspreader-Events, dass Impfdurchbrüche von der falschen Seite gesehen werden. Die Impfung ist ein wirksames Mittel, sie schützt zu 70% vor Infektion und die 30% der Geimpften, die sich doch infizieren, sind um 70% weniger ansteckend – weswegen die Ungeimpften die Treiber der 4. Welle seien.
Was die Dame unerwähnt lässt, ist die entscheidende Frage, wie dieses hypothetische Event zu einem Superspreader wird. Wenn – wie uns die Virologin erklärt – sich 30% der Geimpften infizieren und auch das Virus verbreiten können, und im Gegensatz zu den anderen Anwesenden alle Ungeimpften getestet sind – wer sind dann die Infektiösen auf diesem Event, die es überhaupt erst zu einem Superspreader machen? [2]
Sie versucht dem Publikum Sündenböcke zu präsentieren, um von der Frage nach ihrer eigenen möglichen Verantwortung abzulenken: – „Haben Sie zu spät gehandelt?“ – „Nein, die Ungeimpften sind schuld.“
Der neue Stil macht Schule.
Man verwendet Desinformation, um die eigenen Ziele zu erreichen. Im Fall von Gesundheitsminister Mückstein die Impfziele:
„Das Virus unterscheidet zwischen geimpften und ungeimpften Menschen.“
Mit Verlaub, das ist ein Schmarrn. Blanker Unsinn. Der Mann ist Arzt und muss es besser wissen. Viren versuchen ihr Glück überall, wo sie hingelangen, und haben je nach Zustand des Wirts unterschiedlichen Erfolg. Viren unterscheiden nicht zwischen geimpften und ungeimpften Menschen, die Politik tut das. Wenn schlichtere Gemüter diese Aussage vom Gesundheitsminister der Republik hören, ist es logisch, dass sie sich davon zu sorglosem Verhalten verleiten lassen. Desinformation wie diese wiegt die Leute in falscher Sicherheit. Wie viel Schaden dieser eine Satz angerichtet hat, kann man wohl kaum ermessen.
Da solch ein gravierendes Fehlverhalten eines Verantwortlichen in einer maßgeblichen Position ohne persönliche Konsequenzen für ihn bleibt, steht damit für mich fest: Die Krise ist eine logische.
Zu bemerken ist noch, dass mittlerweile alles für eine Impfung spricht. Moment, cool bleiben – es gilt, was ich eingangs gesagt habe, dies ist keine Empfehlung der Impfung meinerseits. Lesen Sie ruhig und entspannt weiter.
- Als in Oberösterreich die positiven Testergebnisse angestiegen sind, hieß es: ~ Die Zahlen sind hoch, man muss mehr impfen.
- Im gegenteiligen Fall hörte man in ‚Wien heute‘ (ORF) am 28.10.2021: Da Wien so eine niedrige Inzidenz hat, wird die Durchseuchung nicht funktionieren, und daher muss man mehr impfen.
Es mag im ersten Moment seltsam erscheinen, aber da bekanntlich die Impfung einen milderen Verlauf bringt und dadurch weniger Leute in die Krankenhäuser müssen, ist die Schlussfolgerung in beiden Fällen logisch – besonders im Hinblick auf die Priorität der Regierung:
Um weiter an der Macht bleiben zu können, müssen sie verhindern, dass die Menschen eine wesentliche Lektion aus dieser Krise verstehen: Austerität tötet. Das Sparen im System hat katastrophale Folgen, speziell im Gesundheitssystem. Dieser gesamte Sektor muss dem Markt und seiner Logik entzogen werden, denn wer dort profitorientiert arbeitet, kann nicht an der vollständigen Gesundheit der Menschen interessiert sein, da man durch diese weniger Gewinn machen würde.
Der Sozialstaat ist unsere Sicherheit, unser gesellschaftlicher Wohlstand, unser aller Reichtum, um den uns die neoliberalen Kürzer und Privatisierer berauben. Um davon abzulenken, verschwenden sie Unsummen an Steuergeld für Werbung, und präsentieren uns Sündenböcke.
Abschließend erinnere ich an die Begründung für Lockdown und einschränkende Maßnahmen:
„Eine Überlastung der medizinischen Kapazitäten unseres Gesundheitssystems muss mit aller Kraft verhindert werden.“
Kraft. Unser ehemaliger Kanzler Sebastian Kurz sprach hier in der Einzahl, denn gemeint ist nur eine Kraft: die Arbeitskraft der unterbezahlten und unterbesetzten Belegschaften unseres Gesundheitssystems. Die Verwendung der Mehrzahl hätte jemand auf die Idee bringen können, dass mehr Kräfte hilfreich sein könnten.
Im folgenden Budget kürzte das Kabinett Kurz II inmitten einer nationalen Gesundheitskrise „der größten Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg“ (S. Kurz) – die Mittel für Gesundheit und erhöhte die Ausgaben für Eigenwerbung und Militär. Dies ist die logische Fortsetzung der jahrzehntelangen neoliberalen Politik, und wird auch so von der EU eingefordert. Also bis auf die Eigenwerbung, aber auch die ist logisch, wenn ihre eigenen Taten nicht für die Regierung sprechen.
Deswegen sagte unser damaliger Kanzler auch ausdrücklich: „Eine Überlastung der medizinischen Kapazitäten unseres Gesundheitssystems …“ und nicht ‚eine Überlastung des Systems‘. – Ein System wird überlastet, wenn die Belastung dessen Kapazitäten übersteigt. Um eine Überlastung zu verhindern, könnte man auch die Kapazitäten erhöhen. Aber das wäre unlogisch, nachdem man so lange das Gegenteil davon getan hat. Es käme ja einem Eingeständnis gleich, dass man sich getäuscht hat, – und wer gibt das schon gerne zu.
Die Reaktionen der Regierungsverantwortlichen auf die Krise, ihr Umgang mit Menschen und dem Steuergeld, die Propagandaschlacht um die verschiedenen Impfstoffe und die Patente darauf, die Schamlosigkeit der Profiteure der Pandemie – all das zeigt einmal mehr das Offensichtliche: Unser System lebt von den Menschen, aber es dient ihnen nicht. Das Wichtigste, das an erster Stelle steht, ist der Profit. Deswegen heißt es ja auch Kapitalismus.
Ich finde es logischer, wenn die Menschen, die Gesellschaft, das Soziale an erster Stelle steht. Wie in … Sozialismus.
[1,2] Wie eingangs erwähnt, geht es mir hier nicht um die Wirksamkeit der Impfungen oder die Aussagekraft und Verlässlichkeit der Tests.
Anscheinend bieten beide keine 100%ige Sicherheit. Hier geht es nur um die Logik der Äußerungen und Maßnahmen der Verantwortlichen, und deren Auswirkungen auf die Bewältigung der Pandemie – und auch auf das gesellschaftliche Miteinander. Der Rest ist, hoffe ich, ohnehin verständlich.
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Titelbild: Heike Trautmann auf Unsplash
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