Von hässlichen Bildern
Derzeit macht in den sozialen Medien ein etwas unvorteilhaftes Bild von Sebastian Kurz die Runde. Als Überschrift trägt es ein Zitat von ihm, laut dem es nicht ohne hässliche Bilder gehen wird.
Eine Gastpredigt von Markus Auer
Wie vermutlich die Meisten wissen, hat er damals mit diesem Satz versucht, seine menschenverachtende Strategie in der Migrationspolitik zu rechtfertigen, und Not und Elend – ja sogar den Tod von Menschen als für unsere europäische Sicherheit notwendig darzustellen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob ihm dabei bewusst war, dass wir als Republik durch die Umsetzung seiner Politik eben ein solches hässliches Bild abgeben.
Als wenn es noch nicht gereicht hätte, dass Parteien mit fragwürdigen bis niederträchtigen Äußerungen in unserem schönen Land mehrheitsfähig wurden – nein, sie mussten ihren Worten aus dem Wahlkampf auch noch im Regierungsamt Taten folgen lassen, und die Republik vor den Augen der Welt in ein Zerrbild ihres einstigen internationalen Renommees verwandeln.
Die Enthüllungen aus den Chats der türkisen Familie offenbaren ebenfalls ein Bild, das man als hässlich bezeichnen kann. Konnte unser geschätzter Bundespräsident Alexander Van der Bellen anlässlich des Ibiza-Videos noch zu der Schutzbehauptung „So sind wir nicht“ greifen, blieb ihm diesmal beim ÖVP- Skandal nichts anderes übrig, als sich (an Stelle von Sebastian Kurz) bei der Bevölkerung für das untragbare Sittenbild zu entschuldigen, welches sich beim Einblick in die türkise Kommunikation darbietet.
Da sich nach der FPÖ nun auch die ÖVP in einem höchst fragwürdigen Zustand präsentiert hat, und diese beiden Parteien nach der letzten Nationalratswahl gemeinsam die Mehrheit der Wahlberechtigten repräsentieren, liegt es bei uns allen, die wohlwollenden Worte unseres Bundespräsidenten zu bestätigen. Am nächsten Wahltag wird sich zeigen, ob wir wirklich nicht so sind – und welches Bild wir alle gemeinsam abgeben.
Apropos. Da das eingangs erwähnte unvorteilhafte Bild samt seinem Zitat besonders bei Freunden und Genossinnen Gefallen findet, könnten sich diese fragen, ob man eventuell dem politischen Gegner in die Karten spielt, wenn man statt die Systemfrage zu stellen, Personalfragen auch noch auf Äußerlichkeiten reduziert. Mangelt es der Bevölkerung an Belustigung oder eher an politischem Bewusstsein für die herrschenden Zustände? Die Aufmerksamkeitsspanne ist kurz, die alltägliche Informationsflut enorm – will man den knapp bemessenen Raum in der öffentlichen Wahrnehmung wirklich dafür verwenden?
„Ohne hässliche Bilder wird es nicht gehen.“ – Sebastian Kurz im Jahr 2016
Wir Linken besingen das Erkämpfen des Menschenrechts. Werden wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht – halten wir unserer eigenen Kritik an Anderen selbst stand, wenn wir die politische Auseinandersetzung auf die persönliche Ebene verlegen und uns über die Äußerlichkeiten von Menschen lustig machen? Entspricht dies unseren Idealen? Was für ein Bild zeichnen wir Linken damit von uns selbst?
Ich halte das für ähnlich entbehrlich wie die bildungsbürgerliche Häme über den Ausbildungsgrad von Sebastian Kurz. Die weckt nämlich sogar bei mir (als nicht akademisch geschultem Proletarier) einen Impuls der Solidarität. Zum Glück hält dieses aufflammende Gefühl nicht lange an, da unser jüngster Doppelaltkurzkanzler aller Zeiten über die Gabe verfügt, es umgehend durch seine Wortspenden einzudämmen.
Die linke Freude an diesem Bild erinnerte mich an den Edtstadler-Manson-Tweet vom Chmelar. Damals wurde aufgrund des Echos, der Reaktionen der Reaktionären, deren Spin schnell klar, dass die Regierenden den Moment nutzen, um sich als Opfer darzustellen, Spott über Äußerlichkeiten mit Hass gleichzusetzen, und damit Gewaltdrohungen, Verhetzung und ähnliches zu verharmlosen. Das ganze Theater diente wunderbar der Ablenkung von den schändlichen Taten der Mächtigen, die sich absurderweise trotz ihrer Maßnahmen hoher Popularität erfreuten. Ein Hofnarr dient, wie sein Titel schon zeigt, eben dem Hof.
Zur Klarstellung: Ich verurteile hier nicht das Spotten über Menschen in Machtpositionen. Spott verwende ich selbst auch, denn wie Dario Fo gesagt hat: „Die Macht fürchtet nichts mehr als das Lachen, das Lächeln und den Spott.“ Irgendwie muss man sich ja gegen den geistig-seelischen Dreck zur Wehr setzen, und am besten find‘ ich, ihn mit Hilfe von Humor, Kreativität, Ironie, Sarkasmus und Spott in etwas zu verwandeln, womit man die Leute zum Lachen bringt. Oder zum Nachdenken. Vorzugsweise beides – natürlich hintereinander, denn bekanntlich setzt beim Lachen der Verstand kurz aus und hat Pause. Was übrigens sehr erholsam ist. Kurz aussetzen und Pause machen, find‘ ich höchst empfehlenswert.
Ich habe auch den Satz von den hässlichen Bildern verwendet – und sogar das unvorteilhafte Bild seiner allertürkisesten Bastialität, aber niemals zusammen. Die hässlichen Bilder des Sebastian Kurz wurden von ihm und seinesgleichen in Lagern wie Moria, an unseren Grenzen und den Küsten des Mittelmeers geschaffen. Sie zeigen unsere Kaltherzigkeit, Gier und Missgunst, unseren Mangel an Mitgefühl und Menschlichkeit, den Fall unserer Zivilisation in die Niedertracht.
„Ohne hässliche Bilder wird es nicht gehen.“ – Ich halte absolut gar nichts davon, diesen grässlichen Satz durch ein Bild von Sebastian Kurz mit entgleisten Gesichtszügen zu verharmlosen und ihn mit ein paar Lachern billig davonkommen zu lassen.
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Titelbild: UNIS Vienna auf Flickr / CC BY-NC-ND 2.0
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