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Sebastians Wutbürger

Von Wut, Angst, Yodas Lücke, der katholischen Ergänzung und dem eiligen Sebastian.

Ein Gastbeitrag von Markus Auer

Derzeit macht der Begriff „Wutbürger“ erneut die Runde. Teile der Bevölkerung echauffieren sich in den sozialen Medien über die Maßnahmen der Regierung, es kommt zu öffentlichem Protest und Demonstrationen. Da türkise Ohren für alles außer Lobpreisung und Danksagung verschlossen – und kritische Bürger_innen in unserem Land nicht vorgesehen sind, werden Aufbegehrende einfach zu Wutbürgern erklärt, ihnen somit die Vernunft abgesprochen, und jede Diskussion mit ihnen als sinnlos dargestellt. Dabei wird zusätzlich verdrängt, dass man bloß erntet, was man selbst gesät hat.

Für alle, die Star Wars kennen, war diese Entwicklung bereits abzusehen, als unser unterbrochener Kanzler die meiner Meinung nach kurzsichtige Entscheidung traf, eine Angstkampagne zu fahren, damit wenigstens die Regierten die Pandemie ernst nehmen.

Die Menschen haben Angst, seit Monaten. Aber wer will schon ewig Angst haben? Es kommt der Punkt, wo es reicht, und dann ist der leichteste Schritt der in die Wut. Für viele Menschen ist Wut die einfachste und schnellste Möglichkeit, alle anderen unangenehmen Emotionen zu überdecken – häufig, weil sie sich nicht eingestehen wollen, dass sie z.B. traurig sind oder sich ohnmächtig fühlen. All jene, die sich ihrer Gefühle bewusst sind, brauchen nicht wütend zu werden, sondern können für ihr seelisches Gleichgewicht sorgen, indem sie die Gedanken und Überzeugungen hinterfragen, die ihre Emotionen verursachen. Aber dafür muß man sich erst über die eigene Gefühlslage im Klaren sein, deswegen heißt es ja: „Erforsche deine Gefühle, junger Padawan.“

Was die sogenannten Wutbürger angeht, ist die Wut der (nach Meister Yoda logische) nächste Schritt nach der Angst, weil sie es irgendwann satt haben, sich ständig zu fürchten. Dazu kommt noch der Unwillen, einzusehen, daß man selbst (mit)verantwortlich ist für den eigenen Zustand, also muss wer anderer Schuld sein. Bei der Suche nach Schuldigen ist ja die eine oder andere Partei gerne behilflich, und auch Medien assistieren gelegentlich. Womit wir beim nächsten Schritt, dem Hass wären, der früher oder später zu innerem oder auch äußerem Leid führt, je nachdem ob man davon verzehrt wird oder sich zu Taten hinreißen läßt.

Diese Entwicklung ist aber kein Grund zum Verzweifeln, denn Meister Yoda hat bei seiner Wegbeschreibung zur dunklen Seite – in seiner Angst-Wut-Hass-Leid Kette – etwas Entscheidendes weggelassen. Die katholische Weisheit, wonach Leid zur Erlösung führt. Möglicherweise kannte er keine Katholiken, oder er hat sich gedacht: Na wås a Wunder – wer nicht leidet, braucht ja auch keine Erlösung. Wer weiß? Vielleicht wollte er bloß potentiellen Sith-Jüngern kein Licht am Ende des Tunnels in Aussicht stellen? – Apropos…

Nachdem nun der Weg zur dunklen Seite durch die katholische Ergänzung zu einem taoistischen Kreislauf gesponnen ist, wird es Zeit, türkise Jünger einzubremsen, bevor sie beginnen unseren gesegneten Gesendeten, Seine allertürkiseste Bastialität zu lobpreisen, weil er uns alle zur Erlösung führt. Die von Yoda beschriebene Verkettung ist die Darstellung einer individuellen Entwicklung, deren Auswirkungen im Einzelfall vom persönlichen Umfeld und auch der Gesellschaft aufgefangen und getragen werden können. Einzelfall, das kennen wir doch hierzulande ganz gut, sogar im (absurden) Plural. Sowas ist bei uns für viele kein Problem.

Wird jedoch diese Entwicklung in größerem, gar gesamtgesellschaftlichem Rahmen künstlich – und für die Einzelnen verfrüht – herbeigeführt und noch forciert, dann können höchst unschöne Ereignisse auftreten. Da zu viele gleichzeitig aus der Balance geraten und zu wenige da sind, das abzufedern oder zu begleiten, entstehen Gruppendynamiken durch die jeweilige innere Zustände verstärkt werden, und es kommt vermehrt zu Fehleinschätzungen und Konflikten. Im Extremfall meinen jene in der Mitte der Kette, andere wären von selbst nicht in der Lage den Zustand des Leids hinter sich zu lassen, und sie müßten diese eigenhändig davon erlösen.

Aber keine Panik, noch sind wir nicht soweit, und auf jedem Weg besteht die Möglichkeit zur Umkehr. Über die Umkehrer soll es ja bekanntlich besonders viel Freude im Himmelreich geben. Auch das müsste einer unserer Regierungsparteien geläufig sein. Was bleibt, ist die Frage: Warum hatte es unser unterbrochener Kanzler so eilig, uns alle gleichzeitig auf den Weg in diesen dunklen Tunnel zu führen? – Aber das ist eine andere Geschichte.

Nachdem ich nun allen Sith, Katholiken, Türkisen und wer-weiß-wem-noch die Haare aufgestellt habe, ist es mir im Sinne des Gleichgewichts zum Schluß noch ein Bedürfnis, die Jedi vor den Kopf zu stoßen: Wer meint, es gäbe eine dunkle Seite der Macht, ist ihr bereits anheim gefallen. Die Macht ist die dunkle Seite. Umkehren weit mehr als gedacht sollten.


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Titelbild: eezy auf Pixabay 

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