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Rechtsextreme demonstrieren in Wien

Am Samstag haben laut Behörden 10.000 Menschen gegen die Covid-19-Maßnahmen demonstriert, unter ihnen auch bekannte Rechtsextreme. Diese machen durch ihre Teilnahme ihre Vernetzung sichtbar. Antifaschistische Aktivist_innen störten die Demo.

Von Denise Puiuț

Solidarität im Sinne einer linken Politik ist die gegenseitige Hilfe und Unterstützung zwischen Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, Herkunft oder anderen Merkmalen. Rechtsextreme kennen keine Solidarität, teilen jedoch durchaus gemeinsame Interessen mit anderen nationalistischen Gruppierungen und Organisationen weltweit. Was sie eint, ist ihr Menschenhass – und für den gehen sie auch auf die Straße, wie wir am Samstag in Wien sehen konnten.

Laut Behörde nahmen etwas mehr als 10.000 Menschen am vergangenen Samstag an einer Demo gegen die Covid-19-Maßnahmen teil, wohlgemerkt ohne Mund-und-Nasen-Schutz. Dies führte allerdings nicht dazu, dass die Demo aufgelöst wurde. Stattdessen kam es zu Festnahmen und Anzeigen. Von 296 Anzeigen waren allein 156 aufgrund des Covid-19-Maßnahmengesetz. 

Rechtsextreme unter sich

Unter den Demonstrierenden war der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache, Vertreter der Identitären wie Martin Sellner sowie der bekennende und mehrfach wegen NS-Wiederbetätigung verurteilte Neonazi Gottfried Küssel, der mit zwei Bussen voller Gleichgesinnter aus dem Raum Oberwart und alten Mitstreitern aus Zeiten der verbotenen “Volkstreuen außerparlamentarischen Opposition (VAPO)” aus dem Langenloiser Raum anreiste. Laut Erkenntnissen von Verfassungsschützern gibt es starke Hinweise darauf, dass Küssel wieder Kader aus VAPO-Zeiten um sich scharen will. Wir müssen uns also fragen, wozu? Was kann das Ziel einer militanten Neonazi-Gruppierung sein? Was haben die vom Sturm auf das Capitol gelernt? 

Wenn österreichische Rechtsextreme, Neonazis und Faschist_innen, gemeinsam mit in Österreich agierenden Qanon-Anhängern und deutschen AfD-Politiker_innen derart öffentlich auftreten, erfüllt das den Zweck Bilder zu schaffen, die in Österreich und weltweit signalisieren, dass sie sichtbar ihre Haltung vertreten und sich organisieren.

Die Demos gegen die Covid-19-Maßnahmen sind dabei eine bequeme Möglichkeit geworden, sich öffentlich zu versammeln und Flagge zu zeigen. Unter dem Begriff „Anti-Corona“ finden sich verschiedensten Gruppierungen und Menschen zusammen, die aus unterschiedlichen Gründen an der Demo teilnehmen. Impfgegner_innen, Esoteriker_innen, Verschwörungstheoretiker_innen, Menschen, die sich vielleicht gar nicht als rechtsextrem verstehen, aber die Existenz von Corona als Krankheit schlichtweg leugnen und diese Haltung demonstrieren wollen. Dafür nehmen sie hin, gemeinsam mit Faschist_innen zu demonstrieren, Menschen also, die über Corona hinaus noch andere, anti-demokratische und menschenfeindliche Agenden verfolgen.

Störaktion durch Antifaschist_innen

Auf der anderen Seite der Pufferzone fand eine antifaschistische Gegendemo mit rund 500 Demonstrierenden statt. Die Tatsache, dass es so wenige waren, rührt wohl daher, dass viele Menschen derzeit weder ein Ansteckungsrisiko eingehen wollen noch die Kraft und Zeit finden inmitten einer Pandemie, in der viele durch die fehlende politische und staatliche Unterstützung immens unter Druck stehen, an einer Demo teilzunehmen.

Trotzdem führten antifaschistische Aktivist_innen am Stubenring eine Sitzblockade auf der Fahrbahn durch und riefen den Anti-Corona-Demonstrant_innen entgegen: „Wir impfen euch alle!“ Danach herrschte Tumult, Teilnehmer_innen der Anti-Corona-Demo versuchten die Sitzenden anzugreifen, die Polizei-Einsatzkräfte hielt die Gruppen auseinander. Die linken Aktivist_innen wurden von der Polizei stundenlang eingekesselt, ihre Identität festgestellt und fünf Personen wurden festgenommen. Ist das im Vergleich zu tausenden Coronaleugner_innen ohne Mundschutz verhältnismäßig? Darüber hinaus wurde ein Journalist von Anti-Corona-Demonstrant_innen gewaltsam attackiert, bisher ohne Konsequenzen.

Wenn Coronaleugner_innen und Faschist_innen – trotz internen Zwists – gemeinsam marschieren, tut es gut, zu sehen, dass es antifaschistische Aktivist_innen gibt, die ihnen nicht ohne weiteres die Straßen überlassen und das Risiko einer Begegnung mit der Exekutive in Kauf nehmen, um für eine solidarische und rationale Politik einzustehen.


Titelbild: Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash

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