Biden und die Hoffnung auf eine neue Dynamik in der Klimapolitik
Joe Biden ist der neue Präsident der Vereinigten Staaten. Damit steht ein Wandel mit internationalen Auswirkungen bevor. Doch was bedeutet das Wahlergebnis den USA für das Klima und die Umwelt?
Von Sandra Czadul
Was bedeutet der Wahlsieg von Joe Biden?
Umwelt- und Klimaschutz gehören zu den wichtigsten Aufgaben dieses Jahrhunderts. Es sind internationale Herausforderungen, die wir nur gemeinsam meistern können und die USA als zweitgrößter CO2 Emittent nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Das sieht auch der Demokrat Joe Biden so, zumindest wenn man seinen Wahlreden Glauben schenken kann. Denn im Vergleich zu Donald Trump erkennt er den Klimawandel nicht nur als reale Herausforderung, sondern macht ihn darüber hinaus zu einem zentralen Punkt in seinem Wahlprogramm.
„Der Wechsel an der Spitze der USA vergrößert die Chancen für wirkungsvolle internationale Klimapolitik massiv“, sagt Christoph Bals, politischer Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, in einer Aussendung.
Eines seiner wichtigsten Versprechen ist, die USA wieder zurück zum Klimaabkommen von Paris zu führen. Laut dem Climate Action Tracker könnte die globale Erwärmung bis 2100 um 0,1°C gesenkt werden, wenn die Netto-Null Emissions Versprechen von Joe Biden bis 2050 eingehalten werden, und auch China und Europa ihre Ziele erreichen.
Die Spuren Trumps
In den kommenden vier Jahren wartet viel Arbeit auf Joe Biden. Denn die Trump-Administration hat in den vergangenen vier Jahren versucht mehr als 125 Umweltvorschriften umzukehren. Trump hat weiters dafür gesorgt, dass die USA aus dem Klimaabkommen aussteigen. Außerdem hat er sich stark für die Förderung eingesetzt und dafür Naturschutzgebiete geopfert, obwohl fossile Energien bekanntermaßen einen massiven Beitrag zur Klimakrise leisten. Wegen Trump dürfen nun auch wieder Grizzly Bären im Yellowstone National Park gejagt werden.
Die Liste an verantwortungslosen Entscheidungen könnte noch weitergeführt werden, aber wir alle haben in den letzten Jahren mitbekommen, wie Donald Trump die USA beeinflusst hat. Widmen wir uns also dem neuen Präsidenten und was er für den Schutz unserer kollektiven Lebensgrundlage tun möchte und kann.
Die Umwelt- und Klimaziele von Joe Biden
„Es gibt keine folgenschwerere Herausforderung, der wir uns im nächsten Jahrzehnt stellen müssen, als die hereinbrechende Klimakrise“, sagte Biden bei einem Auftritt in Wilmington im Bundesstaat Delaware. Wenn es nach dem Demokraten geht, sollen die Vereinigten Staaten von Amerika auf einen irreversiblen Pfad der Emissionsreduktion gebracht werden, und währenddessen sollen zahlreiche „gut bezahlte Arbeitsplätze“ geschaffen werden, heißt es in seinem seitenlangen Wahlprogramm. Unter anderem sind darin folgende Ziele zu finden:
Klima-, Umwelt-, und Artenschutz
Biden hat angekündigt, 2 Billionen US-Dollar für Klimaschutz in den kommenden vier Jahren verfügbar zu machen, bis 2050 sollen die Emissionen auf netto null gedrückt werden. Während der ersten 100 Tage seiner Amtszeit plant Biden einen globalen Klimagipfel, um international das aufzuholen, was die USA in den letzten Jahren versäumt haben. Eine Abteilung für Umweltgerechtigkeit im Justizministerium soll der gezielten Strafverfolgung von Umweltverschmutzer_innen dienen. Die Behörden sollen das allgemeine Verschmutzungslevel vor allem in BiPoc (Black, Indigenous and People of Color) Gemeinden erheben, da gerade solche Regionen stark von Umweltverschmutzung betroffen sind.
Biden spricht sich gegen Ölerkundungen in arktischen Gewässer und im ANWR (Arctic National Wildlife Refuge), und für Wiederaufforstungsprojekte und Naturschutzgebiete aus. 30 Prozent der amerikanischen Land- und Wasserfläche sollen dafür unter Naturschutz gesetzt werden. Auch einige andere wichtige Naturschutzgebiete, die Trump in seiner Amtszeit für Ölbohrungen frei gegeben hat, möchte Biden wieder schützen lassen.
Energie, Mobilität und Infrastruktur
Wenn es nach Biden geht, fließen in den kommenden zehn Jahren 400 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien und Klimaforschung. Bis 2035 soll die USA komplett CO2-frei Strom produzieren. Dafür soll beispielsweise die Offshore-Wind Stromgewinnung bis 2030 verdoppelt werden, und auch stark in die Forschung von Wasserstoff, Co2 Speicherung, und Atomreaktoren investiert werden. Der Demokrat spricht sich des Weiteren für die Abschaffung von Subventionen der fossilen Industrie aus und strebt an, dass durch das Beispiel der USA auch andere Länder diesen Weg gehen werden. Er versprach einen Ausbau der Elektromobilität und, dass bis 2030 500.000 neue E-Ladestellen gebaut werden sollen. Außerdem will er „das sauberste, sicherste und schnellste“ Zugsystem der Welt entwickeln lassen.“
„Biden hat erkannt, dass sich Umweltverschmutzung besonders auf sozial schwache und unterprivilegierte Teile der Bevölkerung auswirkt, weswegen er Umweltgerechtigkeit als zentrales Prinzip seines Umweltprogramms verankert hat“, schreibt die Politikwissenschaftlerin Alice Vadrot in einer Aussendung der Universität Wien.
Biden und die Umwelt in der Vergangenheit
Vor diesem Wahlkampf stand die Umwelt- und das Klima nicht im Zentrum seiner Politik. Denn im Vergleich zu den Ausgaben von zwei Billionen Dollar für die nächsten vier Jahre, die jetzt geplant sind, waren es ursprünglich nur 1,7 Billionen Dollar für die nächsten zehn Jahre.
In Vergangenheit hat Biden den Green New Deal, einen umfassenden Klimaplan, nicht unterstützt. Auch was das Thema Fracking betrifft zeigt sich Biden noch heute verhalten und will das Bohren nach Erdgas vorerst nicht verbieten. Existierende Fracking Anlagen sollen vorerst bleiben und auf ihre Schädlichkeit untersucht werden. Abgesehen von den Auswirkungen auf die Umwelt, soll Fracking laut der EPA (Environmental Protection Agency) auch einen Einfluss auf Trinkwasser Ressourcen haben und laut der US Geological Survey wurde festgestellt, dass Erdbeben in Oklahoma auf Fracking Aktivitäten zurückzuführen sind.
„Es sind die jüngeren sozialen Bewegungen und auch Initiativen wie der Green New Deal, der das Thema wieder prominent machten. Biden selbst hat ja in der Obama-Regierung, während der das Fracking massiv ausgeweitet wurde, eine wenig ambitionierte Klimapolitik mitgetragen. Aber die Zeiten haben sich zumindest teilweise geändert“, sagt der Politikwissenschaftler und Universitätsprofessor Ulrich Brand.
Die Hürden und Möglichkeiten
Auch wenn Joe Biden seine Klima- und Umweltziele ehrlich erreichen will, braucht er dennoch für viele Entscheidungen die Mehrheit im Senat. Dafür muss er die Republikaner von seinen Plänen überzeugen und ob das gelingt, bleibt noch offen und hängt auch von zwei Stichwahlen ab, die im Jänner stattfinden.
Auf die Frage, wie wahrscheinlich die Umsetzung Bidens Klimapolitik ist, antwortet Brand:
„ Es wird von den Kräften innerhalb der Demokratischen Partei und dann von der neuen Regierung abhängen. Kamala Harris ist eine aktive Unterstützerin des Green New Deal und die klima- und umweltpolitischen Kräfte innerhalb seiner Partei haben zugenommen. Gleichzeitig sollte man nicht vergessen, dass die fossile Energiewirtschaft in den USA sehr viel Macht hat. Die müsste Biden einhegen und den Beschäftigten in den Sektoren entsprechende Alternativen mittels Umschulungen und anderen gut bezahlen und sinnvollen Arbeitsplätzen schaffen. Das ist angesichts der Arbeitslosigkeit durch die Corona-Krise gar nicht so einfach. Doch bei Sektoren wie Gebäudedämmung, erneuerbare Energien, öffentlicher Verkehr gibt es ja viel Beschäftigungsbedarf. Auch die vermeintlich „grünen“ Sektoren wie die digitalen Unternehmen sind ja sehr ressourcen- und energieintensiv; da bräuchte es deutliche politische Vorgaben, um die Klimaziele zu erreichen.“
Trotzdem gibt es einiges, das Biden als Präsident mit seiner Rolle in der Außenpolitik, präsidialen Verfügungen oder sogenannten „executive orders“ tun kann, um im Umwelt- und Klimaschutz Fortschritte zu erzielen. Dazu zählt: Der Beitritt zum Klimaabkommen, die Umkehr der Umweltregeln die Trump geschwächt oder eliminiert hat, die Neubesetzung der EPA (Environmental Protection Agency) mit Umwelt- und Klimaexpert_innen, schärfere Methan- und Kraftstoffverbrauchs Standards setzen, Schutzmaßnahmen wieder einführen oder die Entwicklung erneuerbarer Energien fördern.
Peter Unterweger, ein früherer US-Gewerkschafter mit österreichischen Wurzeln, schätzt Bidens Umwelt- und Klimapolitik so ein: „Sie wird der von Obama und Hillary Clinton ähneln. Das heißt sehr moderat. Denn er hat viele Gelder aus der Wall Street eingesammelt. Er hat schon angekündigt den Pariser Verträgen wieder beizutreten und wird wahrscheinlich einige der schlimmsten Verordnungen Trumps rückgängig machen, doch erwarte ich keine großen Sprünge.“
Eine neue Dynamik
Wichtig ist vor allem auch die internationale Zusammenarbeit und Umsetzung gemeinsamer Maßnahmen bei der Herausforderung Klimawandel. In Bidens Klimaplan steht: „Biden wird jedes Instrument der US-Außenpolitik nutzen, um den Rest der Welt dazu zu bringen, die Klimaziele parallel mit den USA anzuheben.“ Es bleibt zu hoffen, dass der Demokrat und sein Team diese Ziele erreichen. Denn so könnte international eine neue Dynamik für Klima- und Umweltschutz entstehen.
„Da Biden während des Wahlkampfs widersprüchliche Aussagen zu Fracking getätigt hat und ein Ende der Subventionierung fossiler Brennstoffe auch unter seiner Präsidentschaft ungewiss ist, bin ich, trotz seiner Ankündigung Wirtschaft und Umwelt zusammenzudenken, skeptisch. Auch ob die USA künftig verlässliche internationale Partner im Kampf gegen den Klimawandel sein werden, bleibt abzuwarten. Immerhin haben die USA etliche internationale Umweltabkommen- auch schon vor Trump- nicht unterzeichnet. So wie auch in Europa wäre eine gesamtgesellschaftliche Transformation nötig, die ich so nicht aus dem Programm herauslese“, meint Alice Vadrot.
Auf Joe Biden wartet also viel Arbeit, und diese Präsidentschaft ist sicher eine Herausforderung, das ist klar. Eine Frage die offen bleibt ist: Wird er seinen Versprechen Taten folgen lassen? Die Antwort darauf bekommen wir erst in Zukunft, aber Versprechen haben keine Bedeutung, wenn sie nicht eingehalten werden. Es gilt weiterhin achtsam und kritisch zu bleiben, denn es geht um nichts geringeres als eine Welt, auf der wir leben wollen und können. Zumindest hat aber das Kopfschütteln über Trump und seine Entscheidungen ein Ende.
Titelbild: Brittney Weng on Unsplash
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