Zickenkrieg statt Zusammenhalt um gesperrte Bundesgärten
So Mancher wundert sich in aktuellen Krisenzeiten über zunehmende „seltsame Blüten“ vonseiten der Gesetzgeber und politischen Entscheidungsträger: Warum zum Beispiel die österreichischen Bundesgärten „wegen Corona“ schließen mussten, versteht kaum jemand. Und warum dieser wertvolle innerstädtische Erholungsraum auch noch bis Mitte April der öffentlichen Nutzung entzogen bleiben soll, lässt sich „logisch“ weder nachvollziehen noch begründen. Viele fordern die ehestmögliche Wiedereröffnung der Parkanlagen – bishin zum Wiener Bürgermeister.
Von Robert Manoutschehri
Die sieben denkmalgeschützen Bundesgärten, die seit 1918 im Eigentum der Republik stehen, umfassen den Schlosspark Schönbrunn, Belvedere, Augarten und die Hofburggärten in Wien sowie den Hofgarten und Schlosspark Ambras in Innsbruck. Sie sind nicht nur weltbekannte Kulturbereicherungen sondern auch wertvolles Naherholungsgebiet für die Anrainer.
Doch seit 16. März und dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen nach dem Covid-19 Gesetz wurden sie auf Anordnung der zuständigen Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger geschlossen. Die Begründung lautet zusammengefasst so: Nur so wären Ansteckungen mit dem Coronavirus zu verhindern. Denn die Parkanlagen würden im gerade beginnenden Frühling zu viele Menschen anziehen, sodass der geforderte Mindestabstand zueinander nicht mehr eingehalten werden würde.
Ein Grund, der Keiner ist
Wäre diese Begründung tatsächlich stichhaltig, müsste die Regierung allerdings sämtliche Parks und Grünanlagen schließen, die zudem oftmals noch viel kleiner sind und somit also noch höheres Ansteckungsrisiko bergen. Und im Weiteren müsste eigentlich jeglicher öffentlicher Raum gesperrt werden, wo viele Menschen aufeinandertreffen könnten, selbst unter Einhaltung der geltenden Ausgangsbeschränkungen. Da dies jedoch niemand ernsthaft in Erwägung zieht und ziehen kann, ist der Ausschluss der Bevölkerung aus den Bundesgärten für eine ungleich höhere Besucher-Frequenz in den restlichen Parks verantwortlich – hat also die exakt gegenteilige Wirkung, als jene, die in der Begründung als Ziel angeführt wird.
Von einer einheitlichen Strategie der Regierung gegen die Corona-Krise ist man offenbar weit entfernt, wenn jeder Minister nach Gutdünken irgendwelche Beschlüsse fasst, egal ob sie sinnvoll und verhältnismäßig sind oder nicht, ob sie ins Gesamtkonzept passen oder dieses doch eher konterkarieren. Weiß hier die rechte Hand nicht mehr, was die Linke tut, oder kümmert das überhaupt niemand mehr?
Urgenzen mit Beleidigungen beantworten
Nun, einige „kümmert“ dies sehr wohl, darunter die Wiener Stadtregierung, die bereits wiederholt für die Wiedereröffnung der Bundesgärten plädierte – und dafür ebenso unverhältnismäßige Antworten aus dem Landwirtschaftsministerium erhielt: Das wäre „unverantwortlich“ und „grob fahrlässig“, die Parks blieben zu. Punkt.
Die hauptsächlich über Medien geführte Debatte eskalierte letztlich sogar zu einer Art Zickenkrieg zwischen Köstinger (ÖVP) und Stadträtin Ulli Sima (SPÖ). Köstinger wirft Wien vor, nur politisches Kleingeld gewinnen zu wollen. Es gehe nicht „um Bund gegen Stadt, es geht um Menschenleben“, was Sima mit „das Niveau der Ministerin ist kindisch“ kommentierte. Im engsten Umkreis der Bundesgärten würden rund 113.500 WienerInnen wohnen, die sich derzeit ihres Naherholungsgebiets beraubt sehen.
Am Sonntag riss nun wohl auch dem Wiener Bürgermeister der Geduldsfaden und er machte sich in einem Facebook-Posting Luft:
Michael Ludwig schreibt:
„Strahlend blauer Himmel und Frühlingstemperaturen. Viele Menschen in ganz Österreich nutzen dieses Wetter heute, um einen kurzen Spaziergang oder einfach etwas Bewegung zu machen und die warmen Sonnenstrahlen zu genießen.
Wer in Stadt Wien keinen eigenen Garten hat und auch nicht über Balkon oder Terrasse verfügt, spaziert eine Runde in der direkten Wohnumgebung. Die allermeisten genießen auch Grünraum und Parks. Ob in einem der hunderten Grätzelparks, in den großzügigen Parkanlagen der Stadt oder in den grünen Lungen im Prater und im Wienerwald – die Wienerinnen und Wiener sind sehr diszipliniert, halten Abstand und befolgen auch strikt die Sicherheitsregelungen.
Trotzdem spricht sich die Bundesregierung weiter gegen die Öffnung der Bundesgärten aus. Das bedeutet für tausende Wienerinnen und Wienern, die direkt am Augarten, beim Belvedere, dem Schlossgarten Schönbrunn oder auch dem Volks- und dem Burggarten wohnen, dass ihnen Parks vorenthalten werden. Weiterhin bleiben damit 230 Hektar Grünraum hinter Schloß und Riegel. Wichtige Naherholungsgebiete, die man der Öffentlichkeit zugänglich machen sollte.
Im Sinne des nationalen Schulterschluss, den wir in Wien leben und den die Wienerinnen und Wiener voll und ganz mittragen, sollte die Bundesregierung nun endlich einlenken, und die Bundesgärten öffnen. Die Wienerinnen und Wiener haben ein Recht darauf, den gesamten Wiener Grünraum unter Einhaltung aller Sicherheitsmaßnahmen nützen zu können.“
Die Überraschung in der jüngsten Pressekonferenz
Offenbar hat man sich bei der Kurz-ÖVP doch beeindruckt von der massiven Kritik aus vielen Richtungen gezeigt – in einem fast beiläufigen Nebensatz gegen Ende der Pressekonferenz Montag Mittags über den künftigen Fahrplan der Anti-Corona-Maßnahmen wurde auch erwähnt, dass die Bundesgärten ab 14. April wieder öffnen werden. So kann man offenbar sein Gesicht wahren, ohne Fehler eingestehen zu müssen…
Die Meinung des Autors dazu:
Kasperltheater und parteipolitisches Hickhack auf Tiefstniveau brauchen wir in Krisenzeiten so dringend wie eine Kropf. Politiker-Willkür und ministerielle Einzelgänge statt dem allseits eingeforderten Zusammenhalt noch weniger. Und weder als Wiener noch als Innsbrucker sollte man es sich – im Wesentlichen dazu noch grundlos – gefallen lassen, dass öffentlicher Erholungs- und Grünraum willkürlich der öffentlichen Nutzung entzogen wird. Es würde wohl Allen gut tun, einem Lagerkoller vorzubeugen, indem man/frau sich ein paar Minuten auf eine sonnige Parkbank setzt und sich an der Schönheit unserer Gärten erfreut.
Titelbild: Garten (Robert Manoutschehri)