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“Sicherheit durch Militär” versus “Sicherheit durch Kooperation und Friedenspolitik“

Einige zivilgesellschaftliche Organisationen bemühen sich durch ihre Positionen und Transformationspfade und ihr Handeln um Strukturen und Visionen für eine neue gerechte, sozio-ökonomische und demokratische Gesellschaft. Das Militär ist, egal wo, streng hierarchisch organisiert und widerspricht per se den Vorstellungen dieser neuen Gesellschaft. 

Ein Gastkommentar von Gerhard Kofler

Es ist klar, dass alle Blaulichtorganisation strenge hierarchische Strukturen brauchen, damit sie im Ernstfall, also im Einsatz funktionieren. Kommt die Feuerwehr zu einem Hausbrand, so muss jede/r genau wissen, was sie/er im Augenblick zu tun hat. Das gilt für die Militärs auch im Kampfeinsatz. Aber in der Ausbildung, im Erarbeiten von Einsatzkonzepten etc. müssen demokratische Regeln gelten, muss es ein Korrektiv für die Oberen geben, um Entwicklung und Kontrolle zu ermöglichen. Das sehe ich weltweit beim Militär überhaupt nicht – lasse mich aber gerne aufklären, sollte das irgendwo existieren. 

Ich wehre mich gegen jegliche Schwarz-Weiß-Malerei, auch beim Militär. Dort die bösen chinesischen und russischen Militärs – hier die guten westlichen Soldaten. Nicht zuletzt hat Trump durch seine Drohungen, Grönland zu unterwerfen, klar gemacht, wie abhängig jegliches Militär von den Machthabern ist. Die in Grönland stationierten US-Militärs könnten (theoretisch) jederzeit gegen die grönländische Bevölkerung eingesetzt werden. Aus der ursprünglichen „Schutzmacht“ würde so auf Befehl über Nacht eine Angriffsmacht. Das auf Trump zu fokussieren wäre vollkommen falsch. Er ist demokratisch gewählt und so könnte auch jede/r andere gewählte Machthaber:in Einsatzbefehle geben. 

Ich behaupte, die Ausbildungsstrukturen des Militärs sind ÜBERALL gleich und beruhen auf strengen Hierarchien, Gehorsam und Unterordnung – ohne interne und öffentliche demokratische Kontrolle. Und wir wissen, solche geschlossenen Strukturen sind sehr anfällig für Machtmissbrauch, da sie – außer dem Rechtsrahmen – keinerlei Kontrollinstanzen haben. Die/der Oberste entscheidet die Richtung. Das Heer braucht Entscheidungen meist rasch und ohne Reflexionsprozesse und Bedenkzeit. Konkret bedeutet das, dass im Einsatz eingedrillte Verhaltens- und Reaktionsmuster ausgeführt werden, die moralische Hürden und menschliche Regungen ausschalten. 

Es ist tausendfach bewiesen, dass kriegerische Handlungen entmenschlichen. Dieses „Außer-sich-geraten“ wird durch forcierten Drogenkonsum noch gestärkt. Der Gewaltrausch wird sozusagen programmiert. Dazu kommt noch die Angst, die ja durch das strenge soldatische Gefüge und die Aufputschmittel beiseite gedrängt werden soll.

Die Psychologie des Krieges ist eine Psychologie der Entmenschlichung. Der Rausch – Siegesrausch, Blutrausch, Machtrausch, sexuelle Gewaltrausch – dominiert das Geschehen. Von außen betrachtet ist das, was sich in einzelnen, an die Öffentlichkeit geratenen Massakern abgespielt hat und immer wieder abspielt, für Menschen mit einer durchschnittlichen „emotionalen Rüstzeug“ nicht vorstellbar und schon gar nicht nachvollziehbar. Die Erklärung „wie die Tiere“ ist falsch, denn kein Tier würde sich so bestialisch verhalten. 

Die Schuld an Massakern wird dann, wie oft bei Schuldfragen, dem Einzelnen zugewiesen, aber kaum je werden die Strukturen, die solches Verhalten zumindest ermöglichen, wenn nicht sogar fördern oder gar wünschen und (mit Tapferkeitsmedaillen) belohnen, in Frage gestellt.

Ich kenne keinerlei Bemühungen, demokratische Strukturen im Militär zu schaffen. Seit es Armeen gibt, beruhen diese auf den gleichen Prinzipien von Hierarchie, Gehorsam und Unterordnung. Vielleicht kann mich jemand eines Besseren belehren, ich bin kein Militärexperte. Aber ich habe meine persönlichen Erfahrungen aus acht Monaten waffenlosem Wehrdienst und die lauten kurz zusammengefasst: Nie in meinem Berufsleben habe ich so ein Parasitentum erlebt, wie es einige Offiziere und Unteroffiziere vorgelebt haben, nie habe ich so viel Leerlauf und unnützes Tun erlebt wie beim Militär und nie habe ich so schräge Aussagen gehört wie z.B. „Ein Soldat arbeitet nicht, sondern er kämpft oder er wartet auf den Kampf.“ 

Heute schätze ich die Faktenbezogenheit mancher Offiziere bei ihren Statements in TV-Interviews und ich denke, es gibt wie überall, Militärs, die ihren Job wirklich sehr ernst nehmen und mit ihren Möglichkeiten versuchen, das Beste daraus zu machen. Aber das ändert nichts an den Strukturen. Diese Strukturen sind diametral entgegengesetzt dem, was sich viele NGOs auf ihre Fahnen geschrieben haben: Die Suche nach Transformationspfaden für eine gerechte, sozi-ökonomische und demokratische Gesellschaft in Kooperation mit der internationalen Gemeinschaft. 

Soweit einige Argumente, die, was den Gehorsam betrifft, auch auf die ganze Gesellschaft anwendbar sind. Dazu ein Zitat des in der US-Bürgerrechts- und Friedensbewegung tätigen Politikwissenschaftlers und  Historikers Howard Zinn  (1922 – 2020), der über die Notwendigkeit des zivilen Ungehorsams schrieb: „Man sagt, das Problem sei ziviler Ungehorsam, aber das ist nicht unser Problem. Unser Problem ist der zivile Gehorsam. Unser Problem ist die große Anzahl der Menschen auf der ganzen Welt, die dem Diktat ihrer Regierung folgen und deshalb in Kriege ziehen, in denen Millionen genau wegen dieses zivilen Gehorsams getötet werden. Unser Problem ist der zivile Gehorsam auf der ganzen Welt, angesichts der Armut, des Hungers, der Dummheit, der Kriege und aller Verbrechen. Unser Problem besteht darin, dass Menschen gehorsam sind, sich die Gefängnisse wegen Bagatellen füllen, während die großen Verbrecher die Staatsgeschäfte führen.“

Nach dem Grundsatz „Schuster bleibe bei deinen Leisten“, muss sich nicht jede NGO auf eine Militärdiskussion einlassen. Die Ressourcen sind ohnehin sehr beschränkt und daher sollte wir uns auf jene Themen fokussieren, die in der Öffentlichkeit viel zu wenig präsent und bekannt sind. In meinem Bestreben ist das der Aufbau einer Friedenskultur, also die Schaffung von Strukturen und Einrichtungen für die Friedensbildung, Konfliktanalyse, ein Friedensbudget u.a.m. Großteils beruhen Friedensbemühungen auf den Anstrengungen zivilgesellschaftlicher Organisationen und auf ehrenamtlicher Tätigkeit. Der Erfolg ist entsprechend bescheiden, die Hör- und Sichtbarkeit äußerst gering.

Fazit  

Es gilt daher einerseits unser geringes Potenzial vor allem für die Förderung der kooperativen Friedenslogik und den Aufbau einer Friedenskultur einzusetzen und andererseits durch Kooperation mit anderen NGOs und demokratischen Kräften die wirtschaftlichen Triebkräfte hinter den Kriegstreiber:innen aufzudecken und die Zusammenhänge von Militarismus, Hochrüstung und Krieg mit der Zerstörung von Klima, Umwelt und sozialen Strukturen lautstark in die Öffentlichkeit zu tragen.


Gerhard Kofler ist Friedensaktivist, Mitbegründer von AbFaNGAktionsbündnis für Frieden, aktive Neutralität und Gewaltfreiheit, Initiator von www.friedensatlas.at – 1. Österr. Friedensatlas und des Gedenkprojekts zur Wöllersdorfer Brandkatastrophe sowie Koordinator der Attac-Arbeitsgruppe zum Thema Frieden.

Titelbild: Annette Meyer / Pixabay

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