AfrikaAktuell

Lesotho unter dem Damoklesschwert der Zölle

Am 2. April 2025 veröffentlichte die US-Regierung unter Präsident Donald Trump die berüchtigte Zollliste. Künftig werden also auf Importe in die USA höhere Einfuhrabgaben angewandt. Während Besteuerungen in Höhe von 20 Prozent auf Einfuhren aus dem EU-Bereich, ex aequo mit Jordanien anfallen, bilden die Spitze mit 50 Prozent zwei andere Länder: die Inseln Saint Pierre und Miquelon sowie Lesotho. Das französische Überseedepartement im Atlantischen Ozean ist nicht stark betroffen, die wichtigsten Handelspartner sind Kanada und Frankreich. Die Situation Lesothos schätzen Expert*innen deutlich kritischer ein.

Ein Gastbeitrag von Atilla Pusat 

Allgemeine Situation

Lesotho ist die Heimat von ca. 2,3 Millionen Einwohner*innen mit der Hauptstadt Maseru. Es handelt sich um ein nicht absolutistisch regiertes Königreich im Süden des afrikanischen Kontinents, das zu den wirtschaftlich schwächsten Regionen der Welt zählt. Der IWF verortet das kleine Land im letzten Drittel aller Länder, geordnet nach dem Bruttoinlandsprodukt. Der Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Angesichts der Beschäftigungsrate erfasst die Bertelsmann Stiftung eine Arbeitslosenquote von ca. 24 Prozent. Die parlamentarische Monarchie stand seit ihrer Unabhängigkeit von Großbritannien 1966 vor großen Herausforderungen. Die Infrastruktur konnte nicht ausgebaut werden, nur rund ein Siebtel des 7.500 km langen Straßennetzes ist asphaltiert, die Peripherie ist aufgrund der bergigen Landschaft oft nur schwer erreichbar. Die medizinische Versorgung beschränkt sich auf größere Ballungsräume und der Zugang zu Medikamenten ist nicht immer gegeben. Zur Folge hat dies, dass Lesotho nach Eswatini (ehemals Swasiland) die höchste HIV/AIDS-Prävalenz bei Jugendlichen und Erwachsenen weltweit hat. Im Jahr 2023 bemaß UNAIDS einen Satz von 18,5 Prozent der Gesamtbevölkerung ab 15 Jahren, bei der das Virus erkannt wurde. Eine weitere Herausforderung für das Land stellt die Korruption dar. In Lesotho ist es nicht unüblich, dass sich Politiker*innen an Steuergeldern bereichern. Die NGO Transparency International indexierte Lesotho 2024 punkto Korruption auf Platz 99 von 180 Staaten der Welt. 

Der größte Handelspartner ist Südafrika, das geografisch das kleine Königreich komplett umschließt. Ins Nachbarland wird vorrangig Wasser exportiert, welches aus den hohen Bergen, die reich an sauberen Quellen sind, entspringt. Schon seit den 1950-iger Jahren gab es Initiativen, die Wasseranreicherung mit dem Bau von Gewinnungsanlagen und Dämmen zu fördern, um auch das umliegende Südafrika damit versorgen zu können. 

Die Agrarflächen Lesothos werden größtenteils mit dem Anbau von Mais, Hirse und Baumwolle bewirtschaftet, die ebenso nach Südafrika, aber auch nach Uganda verkauft werden. Daneben sind die Viehwirtschaft und der Bergbau von Bedeutung. In den letzten Jahren investierte die Regierung jedoch auch vermehrt in den Ausbau von Fremdenverkehr. 

Betroffene Branchen

Am stärksten von den US-amerikanischen Zöllen sind Bekleidungshersteller betroffen. Prominente Marken wie Wrangler oder Levi’s führen ihre Produktionen in lesothischen Fabriken durch, was den geringen Produktions- und Lohnkosten geschuldet ist. Der lesothische Handelsminister Mokhethi Shelile beklagte die neuen Zollsätze, denn laut ihm seien 30.000 Arbeiter*innen in elf Fabriken der Textilbranche beschäftigt. Bei einer sinkenden Nachfrage nach Erzeugnissen, die für den US-amerikanischen Markt bestimmt sind, seien schätzungsweise bis zu 12.000 weitere Arbeitsverhältnisse bedroht. Erwähnenswert ist neben dem Export von Bekleidung in die USA auch die Ausfuhr von Diamanten. Der Verkauf von Bekleidung und Edelsteinen bildet rund 10 Prozent des BIP.

Die einfache Frage nach der Logik, warum ausgerechnet Lesotho mit 50 Prozent am stärksten betroffen ist, lässt sich schwer beantworten. Vertreter*innen des Weißen Hauses kamen zum Schluss, Lesotho übe 99 Prozent Zollabgaben auf US-Importe aus. Das Handelsministerium in Maseru dementierte die Zahlen. Der Handelsminister Shelile äußerte, er könne den hohen Zollsatz seines Landes gegenüber den USA nicht nachvollziehen.

Die Zolltarife nehmen eine sogenannte reziproke Kalkulationsformel als Basis, die neu errechneten Quoten basieren auf dem Ergebnis einer komplizierten, Wirtschaftsexpert*innen zufolge jedoch unüblichen Formel. Die Berechnung der verschiedenen Quoten orientiert sich dabei am Handelsdefizit des jeweiligen Staates gegenüber den USA. Somit soll der fehlende Import von US-Waren ausgeglichen werden. Das gesamte Handelsdefizit – so Ökonomen des Weißen Hauses, sei verantwortlich für den Bankrott von über 90.000 US-amerikanischen Produktionsanlagen seit 1997. Im Falle von Lesotho ist das Handelsdefizit keine außergewöhnliche Sache, die geringe Kaufkraft der Bevölkerung führt zu kaum realisierbaren Profiten von US-amerikanischen Unternehmen. Damit fällt Lesotho fast gänzlich als Absatzmarkt weg.

Im Widerspruch zu den Zolltarifen steht die US-amerikanische Handelsinitiative AGOA (African Growth and Opportunity Act) aus dem Jahr 2000, die auf die Legislaturperiode Bill Clintons zurückgeht und 2015 unter Barack Obama auf 10 Jahre verlängert wurde. Das Abkommen umfasst neben Lesotho einige andere afrikanische Länder südlich der Sahelzone. Die Übereinkunft zwischen den USA und den afrikanischen Ländern hat die Absicht, die Volkswirtschaften der Entwicklungsländer zu stärken und die Bürokratie im Außenhandel zu reduzieren. Konkret bedeutet dies, dass die involvierten Staaten einen zollfreien Zugang zum US-amerikanischen Markt haben. Kritiker*innen sehen in dieser Handelsinitative hauptsächlich die amerikanischen Eigeninteressen im Zentrum, konkret handle es sich um exklusive geschäftliche Rechte, von denen amerikanische Firmen profitieren. Offizielle US-Vertreter*innen äußerten sich bis dato nicht zum Widerspruch, im Gegensatz dazu wurden jedoch Stimmen aus Afrika zu diesem Thema lauter. Der kenianische Außenminister Korir Sing’Oei sieht keine Rechtskräftigkeit der Zölle, der renommierte südafrikanische Wirtschaftswissenschaftler Dawie Roodt erkennt sogar das Ende von AGOA. Tatsächlich sind die Möglichkeiten von AGOA als Instrument zur Gegensteuerung fraglich, da Washington sich das vertragliche Recht von einseitigen Ausschlüssen unterzeichnender Staaten aus dem Abkommen vorbehält. Wie die jüngere Vergangenheit zeigte, wurde auch von diesem Recht Gebrauch gemacht. Ländern wie Burkina Faso, Burundi oder der Zentralafrikanischen Republik wurde die Partnerschaft entzogen. 

Ausblick

Die Regierung in Maseru befürchtet durch die rapide ansteigende Arbeitslosigkeit ein hohes Maß an Unzufriedenheit innerhalb der Bevölkerung, deren Ursache der Verlust des ohnehin schon geringen Wohlstandes ist. Diese wiederum droht in sozialen Unruhen zu münden. Die Regierung Lesothos unter König Letsie III. verlautbarte bereits, dass eine Delegation in die USA entsandt wird, die auf diplomatischem Wege an die Vernunft des Weißen Hauses appelliert. Das lesothische Handelsministerium verlässt sich nicht auf den Erfolg seiner Delegation bzw. die Einsicht der US-Regierung. Shelile möchte die Distribution in die Volksrepublik China und in andere afrikanische Länder verstärken, um zumindest die bevorstehenden Verluste zu begrenzen. Ob sich die neuen Märkte als Alternative zu den USA erschließen lassen, bleibt vorerst offen. 

Wünschenswert ist eine Überarbeitung der Zolltarife. Die Absicht, den heimischen Markt zu schützen, ist durchaus nachvollziehbar, doch nur dann begrüßenswert, wenn die Volkswirtschaften, speziell die von Entwicklungsländern, keinen Schaden nehmen. 


Atilla Pusat, Jahrgang 1991, hat Russisch und Geschichte studiert und unterrichtet Deutsch. Seit 2024 ist er Mitglied in der Redaktion der “Volksstimme” und publiziert zu außenpolitischen Themen mit dem Schwerpunkt Osteuropa, Afrika und Asien.

Titelbildjorono / Pixabay

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