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Streik der Buslenker:innen: Bessere Arbeitsbedingungen für ein besseres Klima

Am 20. Februar streiken die Busfahrer:innen der privaten Autobusbetriebe. Denn auch die vierte Verhandlungsrunde zu ihrem Kollektivvertrag ist gescheitert. Wir haben mit Markus Petritsch, einem der Verhandlungsleiter der Gewerkschaft vida, über die Forderungen und Situation der Busfahrer:innen gesprochen.

Von Sebastian Panny & Max Leschanz / MOMENT

MOMENT.at: Eure Verhandlungen mit der Wirtschaftskammer laufen schon zwei Monate, Einigung gibt es noch keine. Mit welchen Forderungen seit ihr in die Verhandlungen gegangen?

Markus Petritsch: Kurz gesagt: Wir haben irrsinnigen Aufholbedarf bei den Arbeitsbedingungen.

Wir haben vor der letzten Verhandlungsrunde mit persönlichen Gesprächen bei Personal und Fahrgästen Unterschriften gesammelt. 7.000 sind zusammengekommen. Wir wollten dabei auch die Fahrgäste aufklären und ihnen erklären, worum es uns geht. Viele von ihnen haben uns ihre Unterstützung zugesichert.

Das Interview mit Markus Petritsch wurde in unserer YouTube-Liveshow geführt. Hier kannst du es nachschauen:

 

MOMENT: Was sind die Probleme, die deine Kolleginnen und Kollegen im Alltag am stärksten spüren?

Petritsch: Ich will da gleich anmerken: Der Bereich der privaten Autobusbetriebe ist vom Grundlohn kein Niedriglohnbereich. Unser größtes Problem sind sicher extrem lange Arbeitszeiten. Ein normaler Arbeitstag dauert manchmal bis zu 15 Stunden. Viele Lenker:innen brauchen vorher und nachher auch noch Zeit zum Pendeln. Von der Freizeit oder der Familie bleibt dann nicht mehr viel. Wenn du noch etwas essen musst und Zeit mit dem Partner oder der Partnerin verbringen willst, bleibt kaum noch Zeit zum Schlafen. Nach ein paar Stunden Schlaf fährst du dann mit einem vollbesetzten Linienbus durch die Gegend, in dem oft auch viele Kinder sitzen.

Das regelmäßig machen zu müssen, ist eine enorme Belastung für das Personal.

MOMENT: Mit welchen Forderungen wolltet ihr den Beruf attraktiver machen?

Petritsch: Genau das haben wir im vergangenen Jahr und den vergangenen Monaten unsere Lenkerinnen und Lenker gefragt.

Ganz wichtig ist, dass Ruhezeiten zwischen den Diensten nicht verkürzt oder geteilt wird. Auch die Pausenabzüge wollen wir reduzieren. Aktuell werden 90 Minuten von der Arbeitszeit abgezogen, das sollten nur 60 Minuten sein. Eine Fünf-Tage-Woche ist auch als Wunsch gekommen.

In anderen Branchen ist eine Sonntagszulage üblich, die fordern wir ebenfalls. Die meisten wünschen sich eine Ausweitung der Nachtzulage von 22:00 Uhr bis 6:00 Uhr in der Früh. (Anm: Aktuell gibt es Nachtzuschläge von 00:00 Uhr bis 5:00 Uhr in der Früh)

Und es sollte höhere Gehaltssprünge geben. Momentan verdient man beim Berufseinstieg rund 20 Euro brutto weniger als jemand, der schon seit knapp 20 Jahren im Betrieb ist.

MOMENT: Es gibt bei Busfahrer:innen einen immer größer werdenden Personalmangel. Welche Auswirkungen hat das?

Petritsch: Wir wollen natürlich, dass der öffentliche Nahverkehr ausgebaut wird. Aber daran ist unter diesen Umständen einfach nicht zu denken. Dabei ist Umweltschutz ein Bereich, der uns auch als Gewerkschaft sehr wichtig ist.

Dazu müssen wir die Arbeitsbedingungen verbessern, um neue, junge und motivierte Fahrerinnen oder Fahrer zu finden. Grundsätzlich empfinden die Lenker:innen das als einen schönen Beruf. Aber die Arbeitsbelastung wird einfach zu hoch. Was mir große Sorgen macht: Viele Buslenkerinnen und Buslenker, die seit 20 oder 25 Jahren im Betrieb sind, wechseln aktuell den Job. Und es kommen immer weniger Junge nach.

Wenn du heute 21-Jährigen sagst: “Ich hab eine super Arbeit für dich! Du darfst dabei fast jeden Tag der Woche bis zu 15 Stunden unterwegs sein!”, ist das wenig attraktiv für sie. Obwohl die Entlohnung nicht schlecht ist. Aber darum geht es den Fahrerinnen und Fahrern nicht primär. Sie wollen ein bisschen planbare Freizeit haben und mehr Zeit mit ihren Familien verbringen.

Die Wirtschaftskammer hat bei der letzten Regierung darauf gedrängt, dass der Beruf auf die Mangelberufsliste kommt. Wir lehnen das als Gewerkschaft ab. Gerade in Zeiten steigender Arbeitslosigkeit sollte man doch viel eher die Arbeitsbedingungen verbessern, damit sich junge Menschen für diesen Beruf begeistern.

MOMENT: Warum liefen die Verhandlungen mit der Wirtschaftskammer so schwierig?

Petritisch: Wir lesen seit einem Jahr immer wieder dasselbe in den Aussendungen der Wirtschaftskammer. Sie fantasieren darin von einem Einstiegsgehalt von 3.100 Euro brutto – was über eine etwas wahnwitzige Berechnung zustande kommt. Vermutlich werden Diäten eingerechnet, die kein Lohnbestandteil sind. Und wohl auch die eine oder andere Überstunde.

Die Wirtschaftskammer fordert Arbeitsgruppen, das lehnen wir aber ab. Wir können gerne in einem Sesselkreis diskutieren. Aber bei so Themen wie dem Sonntagszuschlag brauche ich keine Arbeitsgruppen – da geht es nur um ein Ja oder ein Nein. Solche Arbeitsgruppen wurden in der Vergangenheit außerdem immer wieder von der Wirtschaftskammer torpediert.

Wir lassen uns nicht mehr hinauszögern und mit einem Kollektivvertrag abspeisen, bei dem es nur ums Geld geht. Das wollen wir den Arbeitnehmer:innen da draußen, die Wertschätzung verdient haben, nicht mehr antun.

MOMENT: Wie geht es jetzt weiter?

Petritsch: Am 20. Februar ist der erste Warnstreik von 4 bis 6 Uhr in der Früh geplant. Dann fordern wir die Wirtschaftskammer zu einem schnellstmöglichen Verhandlungstermin auf. Wenn sie eine Verzögerungstaktik wählen, werden wir dazwischen einen weiteren Warnstreik organisieren.

Das ist alles noch in der Schwebe. Wir und die Beschäftigten sind aber auf jeden Fall kampfbereit. Die Menschen sind angefressen – jetzt gehen wir über in den Arbeitskampf.


Dieser Beitrag wurde am 18.01.2025 auf moment.at unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild:  Gewerkschaft vida

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