Warum fehlt Österreich so viel Geld? Wie es zum Budgetloch gekommen ist
Von Sebastian Panny / MOMENT
Es gibt schönere Abschiedsgeschenke: Mitte September 2024 wurde bekannt, dass Finanzminister Magnus Brunner EU-Kommissar für Migration wird. Kurz darauf – passenderweise nach der Nationalratswahl – gab Brunner bekannt: Das Budgetloch ist doch größer als gedacht.
Zwischen 18 und 24 Milliarden muss der Staat in den kommenden Jahren einsparen. Die Neuverschuldung liegt bei etwa vier Prozent. Um ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden, wollen FPÖ und ÖVP noch dieses Jahr 6,4 Milliarden einsparen. Dabei wäre es für die Wirtschaft eigentlich besser, ein Verfahren einzuleiten. So müssten weniger radikale Sparmaßnahmen getroffen werden. Sparmaßnahmen wird es aber brauchen – dazu ist das Budgetloch zu groß. Doch woher kommt das eigentlich so “plötzlich”? Dazu gibt es zwei Erzählungen.
Budgetloch: Rezession, Inflation und Mehrausgaben
Einerseits ist die Wirtschaftslage so schlecht wie schon lange nicht: Sowohl 2023 als auch 2024 ging die Wirtschaftsleistung in Österreich zurück. Eine so lang anhaltende Rezession gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr.
Zusätzlich hat die Regierung die Inflation nicht in den Griff bekommen. Die Teuerung ist explodiert. Und auch, wenn sie mittlerweile wieder zurückgegangen ist: Die Menschen sparen lieber, statt Geld auszugeben – auch das ist schlecht für die Wirtschaft. Dazu kommt, dass die Ausgaben des Bundes 2024 unerwartet stark gestiegen sind.
Die andere Erzählung zum Budgetloch fängt schon früher an. Denn die türkis-grüne Regierung musste in ihrer Amtszeit viele zusätzlich Ausgaben stemmen. Die kamen vor allem einer Gruppe zugute – einer Gruppe, die zum Flicken des Budgetlochs kaum etwas beitragen muss: den Unternehmen.
Budgetloch: Wer hat das Geld bekommen?
Die Türkis-Grüne Regierung war in ihrer Amtszeit mit vielen Krisen konfrontiert. Kurz nach Beginn ihrer Amtszeit begann die Corona-Krise, ein russischer Angriffskrieg samt Energiekrise sowie extreme Inflation kamen in den folgenden Jahren dazu. Um das alles zu bewältigen, wurde sehr viel Geld in die Hand genommen.
Das war vielfach notwendig. Doch es erhielten nicht alle gleich viel. Während die Not vieler Menschen auch mit staatlicher Unterstützung zunahm, haben andere sogar davon profitiert – und müssen bei den zuletzt vorgestellten Sparplänen von FPÖ und ÖVP nichts beitragen.
Die meisten Zusatzausgaben der letzten Regierung gingen an Unternehmen. Das war teilweise zielführend – wie etwa bei der Kurzarbeit. Dabei konnten Arbeitnehmer:innen ihre Arbeitszeit stark verringern, die Arbeitgeber:innen zahlten die tatsächlich geleistete Arbeitszeit, das AMS stockte auf 80 bis 90 Prozent des Gehalts auf. Das System hat sich bewährt und könnte auch jetzt in schwierigen Situationen aushelfen.
Den mit Abstand größten Teil machten jedoch die Coronahilfen aus. Fast 19 Milliarden Euro wurden zwischen 2020 und 2024 an Unternehmen verteilt. Dafür wurde sogar eine eigene Agentur gegründet: die Covid-Finanzierungsagentur, besser bekannt als COFAG. Das Problem daran: Die COFAG war völlig undurchsichtig. Sie wurde der Kontrolle des Parlaments entzogen, verschlang hohe Beratungsgelder und auch parteinahe Personen verdienten gut. Und sie sorgte vor allem dafür, dass viele große Unternehmen aus der Krise profitiert haben. Einige haben dank der Förderungen höhere Gewinne geschrieben als in den Jahren vor Corona.
Diese Überförderung haben wir alle mitfinanziert, den Staat hat sie viel Geld gekostet. Konsequenzen hatte es keine. Menschen wie René Benko oder Martin Ho wurden von uns mit Steuergeld versorgt. Einige Monate später mussten ihre Unternehmen Insolvenz anmelden.
Unternehmen profitierten auch von Steuersenkungen
Es sind nicht nur steigende Ausgaben für das Budgetloch verantwortlich. Durch Steuersenkungen unter Türkis-Grün sind dem Bund in den vergangenen Jahren einige Milliarden Euro entgangen. Unternehmen müssen auf ihre Gewinne weniger Steuern zahlen, die Lohnnebenkosten wurden ebenfalls gesenkt. Von der Abschaffung der Kalten Progression haben wiederum zwar fast alle Haushalte etwas – besonders aber jene mit höheren Einkommen.
Natürlich waren nicht alle Unternehmensförderungen schlecht. Doch die vorige Regierung hat sich ihre Unterstützung viel kosten lassen. Im Schnitt waren es jedes Jahr 7,76 Milliarden Euro – alleine das ist deutlich mehr, als die zukünftige Regierung aus FPÖ und ÖVP 2025 einsparen möchte.
Diese hohen Ausgaben und niedrigeren Einnahmen der vergangenen Jahre haben stark zum Budgetloch beigetragen. Die schwierige gesamtwirtschaftliche Situation hat dazu geführt, dass das Loch weiter aufging.
Das Budgetloch stopfen vor allem die Haushalte
Es wäre nur logisch, dass die Profiteure von damals auch mithelfen, das aktuelle Budgetloch zu stopfen. Sollte man meinen.
Tatsächlich werden Unternehmen im Sparpaket von FPÖ und ÖVP kaum in die Verantwortung genommen. Nur 8 Prozent der Einsparungen werden ausschließlich von den Unternehmen getragen. Fast die Hälfte davon hingegen ausschließlich von Haushalten:
Möglichkeiten hätte es einige gegeben: ÖVP und FPÖ hätten die Körperschaftsteuer etwa wieder erhöhen können. In Deutschland werden etwa 30 Prozent auf Gewinne von Unternehmen fällig, bei uns nur 23 Prozent. Auch eine Bankenabgabe auf die Übergewinne von Banken fehlt bei den Plänen von FPÖ und ÖVP. Dabei hatten die in den vergangenen Jahren ebenfalls Grund zum Jubeln und fuhren Rekordgewinne ein. Zwölf EU-Länder haben als Reaktion bereits neue Bankensteuern eingehoben.
Gekommen sind Kleinigkeiten: Der Energiekrisenbeitrag von Stromkonzernen – eine Steuer auf Übergewinne – bleibt noch einige Zeit erhalten. Die Digitalsteuer soll außerdem leicht erhöht werden. Die wurde 2020 eingeführt, um Einnahmen aus Online-Werbung zu besteuern und trifft vor allem große Unternehmen wie Meta oder Amazon.
Budgetloch: Die einen verursachen, die anderen müssen sparen
Doch die Maßnahmen sind nur ein winziger Teil des Sparpakets. Unterm Strich bleibt die Erkenntnis: Am Entstehen des Budgetlochs waren Unternehmen maßgeblich beteiligt. Beim Stopfen lassen Parteien, die der Industrie und Banken nahe stehen, sie aus.
Dieser Beitrag wurde am 23.01.2025 auf moment.at unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
Titelbild: Alexander Stein / Pixabay
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