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Studierende arbei­ten immer mehr: Gründe, Folgen, Handlungs­räume

Studieren und gleichzeitig arbeiten? Die Studierendensozialerhebung 2023 zeigt einmal mehr: Für fast 70 Prozent der Studierenden in Österreich ist das Realität – und oft bittere Notwendigkeit. Steigende Lebenshaltungskosten und real immer niedrigerer Beihilfen verstärken diese Entwicklungen zusehends. Besonders hoch ist die Belastung durch Mieten, die im Schnitt fast 40 Prozent des Budgets verschlingen. Diese Entwicklungen gefährden Studienerfolg und Chancengleichheit. Die Politik muss dringend handeln: Reformen bei Beihilfen, Wohnkosten und der Vereinbarkeit von Studium und Beruf sind unumgänglich.

Von Dora Jandl (A&W-Blog)

Das Ausmaß der Erwerbstätigkeit: Studieren als Vollzeitjob?

69 Prozent der Studierenden arbeiten neben dem Studium – ein Anstieg um 4 Prozentpunkte seit 2019. Im Durchschnitt sind das 21 Stunden pro Woche. Das Zeitbudget für das Studium sinkt jedoch bereits ab 9 Arbeitsstunden pro Woche. Für fast drei Viertel der Studierenden ist es die finanzielle Notwendigkeit, die zu einer (erhöhten) Erwerbstätigkeit führt. Besonders beunruhigend ist der Trend bei den unter 21-Jährigen, wo die Erwerbsquote um 6 Prozentpunkte gestiegen ist.
Diese Zahlen zeigen: Das Studium als Vollzeitaufgabe rückt für viele in weite Ferne. Die Folge sind verlängerte Studienzeiten, ein erhöhter Druck und erschwerte Bedingungen, den Abschluss rechtzeitig zu schaffen.

Warum arbeiten so viele Studierende?

Die Gründe sind klar: Die Teuerung der letzten Jahre hat das Leben spürbar verteuert, während Studienbeihilfen und andere Unterstützungen stagnieren oder nur unzureichend erhöht wurden. Besonders auffällig sind die Wohnkosten. Mit durchschnittlich 549 Euro pro Monat verschlingen sie rund 38 Prozent des studentischen Monatsbudgets. Zum Vergleich: Laut Statistik Austria „reichen“ für den bzw. die Durchschnittsösterreicher:in 21 Prozent des Haushaltsbudgets für Wohnkosten. Für Studierende ohne elterliche Unterstützung ist das eine massive Hürde, da ein Studienbeginn für viele auch mit einem Umzug an den Hochschulstandort verknüpft ist.

Was bedeutet das für die Studierenden?

Die hohe Erwerbstätigkeit wirkt sich direkt auf die Studienbedingungen aus. Viele können sich weniger auf ihre Lehrveranstaltungen konzentrieren, müssen Prüfungen verschieben oder nehmen weniger Kurse auf. Hinzu kommt die psychische Belastung durch die Mehrfachbelastung von Job und Studium.
Chancengleichheit leidet besonders: Studierende aus einkommensschwachen Haushalten haben es deutlich schwerer. Die Möglichkeit eines Studiums hängt oft stärker von ihrer Erwerbstätigkeit ab als bei jenen, die auf finanzielle Unterstützung aus der Familie zählen können.

Welche Maßnahmen sind jetzt nötig?

Die Arbeiterkammer Wien fordert klare Maßnahmen, um die Situation der Studierenden zu verbessern:

  • Erhöhung und Ausweitung der Studienbeihilfen: Mehr Studierende sollen Anspruch auf Unterstützung haben, und die Beträge müssen vollumfänglich an die Teuerung angepasst werden.
  • Maßnahmen gegen hohe Mietkosten: Leistbare Studierendenwohnheime und Mietpreisregulierungen müssen Priorität haben.
  • Vereinbarkeit von Studium und Beruf fördern: Flexiblere Studienstrukturen und gezielte Unterstützungsangebote sind unerlässlich. Arbeitgeber:innen müssen hier ebenso in die Pflicht genommen werden.

Zeit zu handeln!

Die Zahlen der Sozialerhebung sprechen eine deutliche Sprache: Studierende brauchen Unterstützung – und zwar jetzt. Die Studierendensozialerhebung 2023 zeigt einmal mehr, dass die Negativentwicklungen der letzten Jahre weiter zunehmen. Wir brauchen Studierende und Absolvent:innen, um gesellschaftliche Herausforderungen wie die soziale und ökologische Transformation proaktiv anzugehen. Diese Möglichkeit verspielen wir, wenn Studierende zwischen Hörsaal und Arbeitsplatz aufgerieben werden.
Die nächste Bundesregierung wird zeigen müssen, welchen Stellenwert sie der Absicherung der Studierenden und damit auch der Hochschullandschaft in Österreich einräumt.


Dieser Beitrag wurde am 28.01.2025 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Mircea Iancu / Pixabay

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