Mexiko: Ist Ökotourismus der neue Kolonialismus?
Isadora Heredia und Eli Garcia sind empört: „Immer mehr Menschen, darunter etliche aus den USA, kommen nach Oaxaca de Juárez und nutzen die Möglichkeiten des freien Markts und des ungebremsten Kapitalismus, um sich hier mit irgendwelchen Geisterunternehmen unter dem Label „nachhaltigen Ökotourismus“ breitzumachen“, wettern sie in ihrem jüngsten Artikel „El ecoturismo comunitario en Oaxaca” [„Gemeindebasierter Ökotourismus in Oaxaca].
Kommerzialisierter Ökotourismus vs. Pueblos Mancomunados
Oaxaca gehört zu den Bundesstaaten mit ausgeprägter biologischer Vielfalt, vielen indigenen Sprachen und Traditionen. Zugleich hat die Region mit zahlreichen Bedrohungen zu kämpfen: Bergbau, Megaprojekte, Gentrifizierung und seit einigen Jahren einem wachsenden Tourismussektor, der sämtliche kulturellen und identitätsstiftenden Ausdrucksformen kommerzialisiert und ausgebeutet hat, um sie an das Ausland zu verkaufen. Der Tourismus hat sich an die ökologischen, sozialen und politischen Veränderungen angepasst. Zur Bezeichnung der neuen, alternativen Form des Tourismus wurde in den Gemeinden von Oaxaca nach und nach der Begriff „Ökotourismus“ etabliert, der sich insbesondere auf die lokale und gemeinschaftliche Lebensweise der Bevölkerung bezog.
In den zapotekischen Gemeinden der Sierra Norte (Sierra de Juárez) stellt der gemeinschaftsbasierte Ökotourismus heute eine nachhaltige Wirtschaftstätigkeit. Diese Dörfer bilden zusammen die „Mancomún“, einen Zusammenschluss mit einzigartigen Merkmalen, der seit 1961 per Bundesbeschluss anerkannt ist. Auf nationaler und internationaler Ebene sind die Pueblos Mancomunados eine wichtige Referenz im Hinblick auf die Pflege, die nachhaltige Bewirtschaftung und den Schutz ihres Territoriums und der gemeinsamen natürlichen Ressourcen: die großen Waldgebiete, die gemeinschaftlichen Produktionsbetriebe, die Naturschutzinitiativen und den Ökotourismus, der bereits seit 31 Jahren als wirtschaftliche Alternative zum Nutzen der Gemeinde praktiziert wird. In Mexiko gelten die Pueblos Mancomunados aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung in diesem Bereich als Pioniermodell des kommunalen Ökotourismus.
Keine klaren Regeln gegen individuelle Bereicherung
Allerdings haben die Gemeinschaften auch mit einer Reihe von ökologischen und politischen Belastungen zu kämpfen: Illegaler Holzeinschlag, Waldbrände und Schädlinge sowie Bergbaukonzessionen in ihren angestammten Gebieten erfordern Widerstand und Kampf. In ihrem Artikel beschreiben die Autorinnen die unterschiedlichen Realitäten in den Gebieten, in denen Ökotourismus-Projekte umgesetzt werden, aber sie schildern auch die Aneignung des Diskurses und der Formen des Ökotourismus durch ausländische Investoren, denen es in erster Linie um die Kommerzialisierung und Ausbeutung der Gemeinschaften, Gebiete und Ressourcen geht. Sie beklagen, dass sich Einzelpersonen problemlos bereichern können, weil es keine klaren, wirksamen Regeln gibt, oder wenn es welche gibt, werden sie nicht angewandt. Mit vielfältigen Gemeinschaftsinitiativen wie gemeinschaftlicher Forstwirtschaft, Ökotourismus mit geringen Auswirkungen und gemeinschaftlicher Pflege der biologischen Vielfalt setzt sich die Landbevölkerung zur Wehr, kämpft um ihr Leben und fordert Gerechtigkeit und Anerkennung ihrer Ziele: dem unkontrollierten, ausbeuterischen und vor allem ungerechten Tourismus, der die einheimischen Gemeinschaften für die kapitalistischen Interessen Einzelner rekrutieren, sie zu Waren machen und ausbeuten will, einen konsequenten Riegel vorschieben.
Dieser Beitrag erschien am 15.01.2025 auf npla.de, lizensiert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.
Titelbild: Oaxaca, heute ein beliebtes Ziel für Ökotourist*innen. Foto: LBM1948 via wikimedia
CC BY-SA 4.0
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