AktuellAmerikaDemokratieDeutschlandGeschichte

Wer war Olga Benario?

Über eine besondere Frau in der Geschichte Brasiliens

Von Michael Wögerer 

In Rio de Janeiro habe ich Ende September ein von Frauen besetztes Haus (Casa de Referência da Mulher Almerinda Gama) besucht und die brasilianische Frauenorganisation Movimento de Mulheres Olga Benario kennengelernt. Dabei bin ich auf die bemerkenswerte Geschichte von Olga Benario aufmerksam geworden, die ich vorher nicht kannte. Manchen Genossinnen und Genossen aus der ehemaligen DDR dürfte Benario ein Begriff sein, denn im sozialistischen Deutschland wurden Schulen, Kindergärten und Straßen nach ihr benannt. Doch, wer war Olga Benario?

 

Herausragendes Biopic: Olga Benario – Ein Leben für die Revolution (ARTE 2004), kostenloser Stream: vimeo

Olga Benario wurde am 12. Februar 1908 in München geboren. Ihr Vater, Leo Benario, war ein sozialdemokratischer Rechtsanwalt; ihre Mutter, Eugénie Gutmann, die Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie. Vom sozialen Engagement ihres Vaters inspiriert, begann sich Olga bereits in Jugendjahren für marxistische Lektüre zu interessieren, aber es waren nicht nur Bücher, die ihr revolutionäres Bewusstsein weckten, sondern auch die Lektüre der Prozesse, in denen ihr Vater die Rechte der Arbeiter verteidigte. Kurz nachdem sie 15 Jahre alt geworden war, trat sie der Kommunistischen Jugend bei. Aufgrund ihrer herausragenden politischen Aktivität wurde sie bald in die Reihen der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufgenommen.

Noch bevor sie 18 Jahre alt war, verließ sie das komfortable Elternhaus und zog mit ihrem Genossen und Liebhaber, Otto Braun, in das Berliner Arbeiterviertel Neukölln. Olga war eine unermüdliche Aktivistin: Straßendemonstrationen, Graffiti, das Verteilen von Flugblättern an Fabriktoren und die Unterstützung von Arbeiterstreiks sowie Studienzirkel mit jungen Arbeitern gehörten zu ihrem Alltag. Otto war ein junger Mann von 22 Jahren, aber bereits ein erfahrener Kämpfer mit aktiver Teilnahme an der Revolution von 1919 unter Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht.

Im Oktober 1926 wurde Otto wegen des Verdachts auf „Hochverrat am Vaterland“ verhaftet. Olga, die ebenfalls verhaftet wurde, kam mit Unterstützung ihres Vaters nach zwei Monaten wieder frei. Da Otto die Todesstrafe drohte, wurde von der Parteiführung beschlossen, eine Gruppe zu organisieren, um ihn noch vor dem Urteil aus dem Gefängnis Moabit zu befreien und Olga sollte diese Befreiungsaktion koordinieren, die schließlich am 11. April 1928 erfolgreich durchgeführt wurde. Gejagt in ganz Deutschland, flohen Olga und Otto in das erste sozialistische Land der Welt, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR). In der Sowjetunion wurde Olga in die Führung der Kommunistischen Jugendinternationale (KJI) gewählt. Sie wurde in die Luftwaffenschule aufgenommen, wo sie Fallschirmspringer- und Pilotenkurse absolvierte. Außerdem wurde sie im Kavallerieregiment ausgebildet und lernte den Umgang mit Artillerie und schweren Waffen.

Luís Carlos Prestes (1936), Bundesarchiv, Bild 183-2006-0815-500 / CC-BY-SA 3.0

1934, im Alter von 26 Jahren, erhielt Olga vom Sekretariat der Dritten Internationale (Komintern) eine besondere Aufgabe: Sie sollte einen brasilianischen Revolutionsführer begleiten und beschützen, der beschlossen hatte, in sein Land zurückzukehren, um eine Revolution durchzuführen. Olga nahm den Auftrag an und wurde mit Luiz Carlos Prestes bekannt gemacht. Sie planten ihre Reise als wohlhabendes Paar, um die politische Polizei abzuschütteln. Während der Reise wurden sie ein richtiges Paar. Als sie im April 1935 in Brasilien ankamen, fanden sie eine große und blühende Massenbewegung, die Nationale Befreiungsallianz (Aliança Nacional Libertadora, ANL), vor.

Die ANL vereinte Arbeiter, Bauern und Studenten, die sich gegen das kapitalistische Wirtschaftssystem aussprachen. Die Regierung von Getúlio Vargas erklärte die ANL für illegal und die Massenmobilisierung verlangsamte sich. Die von der Kommunistischen Partei Brasiliens befürwortete Lösung bestand in der Entfesselung eines Aufstandes, doch die Bewegung wurde niedergeschlagen. Tausende Aktivisten und Sympathisanten wurden verhaftet, die meisten KP-Führer wurden grausam gefoltert. Am 5. März 1936 verhaftete die politische Polizei Prestes und Benario in Rio de Janeiro.

Olga Benario, letztes Foto (Gestapo), Quelle: wikimedia

Olga wurde, obwohl sie schwanger war und somit laut Bundesverfassung im Land bleiben hätte durfte, von Brasilien an Nazi-Deutschland ausgeliefert. Am 18. Oktober wurde sie in das Gestapo-Gefängnis in Berlin gebracht, wo sie am 27. November 1936 ihre Tochter Anita Leocádia zur Welt brachte. Nach der Stillperiode wurde ihr das kleine Baby weggenommen und ihrer Großmutter väterlicherseits, Leocádia Prestes, übergeben.

Vom Berliner Gefängnis wurde Olga Benario in das Konzentrationslager Lichtenburg und dann nach Ravensbrück gebracht. Sie musste Monate in stinkender und unhygienischer Einzelhaft, Peitschenhiebe und andere Foltermethoden erdulden.

Im Februar 1942 wurde Olga zusammen mit anderen Frauen in der Gaskammer der Tötungsanstalt Bernburg ermordet.


Michael Wögerer berichtet während seiner Reise durch Lateinamerika laufend via Alerta Media – Kooperationspartner von Unsere Zeitung.

Quellen: „Quem foi Olga Benario“, Artikel über Olga Benario Prestes, in: Cartilha do Movimento de Mulheres Olga Benario, 2017 (Online, pdf)wikipedia

Titelbild: Screenshot (vimeo)

Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.