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Länger arbeiten, weniger Pension?

Im Zuge der Koalitionsverhandlungen ist wieder einmal die Diskussion um das Pensionsantrittsalter aufgeflammt. Das durchschnittliche Pensionsantrittsalter ist seit 2000 allerdings ohnehin gestiegen. Bei Männern von 58,5 auf 62,2 Jahre, bei Frauen stieg es von 56,8 auf 60,2 Jahre.

Ein Gastkommentar von Josef Stingl

Trotz bereits gestiegenem Pensionsantrittsalter wettern Wirtschafts- und Pensionsexpert:innen gegen angeblich längerfristig nicht finanzierbare Pensionen. Das, obwohl der “EU-Ageing-Report-2024” anderes bescheidet. Die Aufwendung für das öffentliche Pensionssystem wird von derzeit 13,7 Prozent äußerst moderat steigen. Der Anstieg beträgt bis 2070 drei Zehntelpunkte auf 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Dennoch: Die “Pensionsfladderer” ereifern sich mit neuen obskuren Vorschlägen. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr will Pensionsanpassungen unter die Inflation (also in den Minusbereich) drücken. „Hält man das ein paar Jahre durch, würde das schon einiges bringen.” Aber auch das gesetzliche Pensionsantrittsalter ist Anstoß seiner Kritik. Er verlangt, das Pensionsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und verweist undifferenziert auf Griechenland. Dort soll das Pensionsalter bis 2070 bei 72,5 Jahre liegen.  

Laut OECD ist durch die Kürzungen seit 2012 das Rentenniveau von rund 80 auf 51 Prozent gesunken. Gleichzeitig wurde das Renteneinstiegsalter erhöht. Anfang der 2000er-Jahre konnten die Griechen noch mit 57 Jahren in den Ruhestand. Jetzt liegt das gesetzliche Renteneintrittsalter bei 67 Jahren. Das Konzept „Renten kürzen und länger arbeiten“ hat die Schwierigkeiten der griechischen Altersversorgung nur noch verschärft. Von der „Verarmung griechischer Rentner:innen” berichtete der ARD zehn Jahre nach dem Troika-Zwangs-Pensionsraubzug.

Trotzdem verlangen die “WIFO-Experten” Felbermayr und Thomas Url und „Sozialexperte“ Wolfgang Maza weiterhin ein “Länger arbeiten“ ein. Da Regierungen befürchten, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden, empfehlen sie einen “Automatismus” einzuführen. Daraus ergäben sich weitaus niedrigere politische Kosten.

Viel relevanter als das gesetzliche Pensionsalter ist, wann Menschen tatsächlich in Pension gehen. Die Kurve geht da ohnehin deutlich nach oben. Zudem ist Pensionsalter nicht gleich Pensionsalter: Alter, Krankheit und lange Versicherungsdauer ergeben sehr unterschiedliche Gründe für einen Pensionsantritt.

“Wer mindestens 40 Versicherungsjahre erworben hat, kann mit gutem Recht mit 62 Jahren die Korridorpension in Anspruch nehmen. Den früheren Antritt finanzieren sich die Versicherten durch entsprechende Abschläge selbst”, argumentiert beispielsweise der ÖGB. Das faktische Antrittsalter wird aber auch wegen krankmachender Arbeit gedrückt. Wenn sich die Lebens- und Arbeitssituationen verbessern, wird sich die Zahl der vorzeitigen Pensionsantritte reduzieren. Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspensionen werden dann deutlich weniger in Anspruch genommen werden. Das faktische Pensionsantrittsalter würde rasch ansteigen. 

Aber diese Weisheit scheuen die Expert:innen gerne. Bessere Arbeitsbedingungen und Arbeitszeitverkürzung passen eben nicht in den neoliberalen Zeitgeist.


Titelbild: Dittmar Sauer / Pixabay

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