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Nein, das Wetter ist nicht der Grund für die schlechte Luft in den Städten

Die Wetter-Apps zeigen es an. Die Luftqualität in Wien und auch anderen Städten wie Graz ist bedenklich. Die Medien titeln vom “Feinstaub-Alarm”. In Berichten macht es den Anschein, als wäre das Wetter die Ursache für die hohe Feinstaubbelastung. Die wahren Probleme werden dabei ausgeblendet. Sie bleiben, wenn das Wetter wieder umschlägt.

Von Paula Dorten (MOMENT)

Hohe Feinstaubbelastung

Je kleiner die Partikel, umso schädlicher der Feinstaub. Denn sie können leichter in die Atemwege und den Blutkreislauf eindringen. PM2,5 heißt der Schadstoff, der sogar bis in die Lungenbläschen gelangen kann. Er ist besonders gesundheitsgefährdend und lag in den vergangenen Tagen wieder einmal an vielen Orten über den empfohlenen Richtwerten der WHO.

Die Empfehlungen dagegen lesen sich ganz selbstverständlich so. Nach Möglichkeit soll man im Freien nichts Anstrengendes machen – oder überhaupt drinnen bleiben. Wohnungen nicht zu oft lüften. Eine Maske beim Fahrradfahren aufsetzen. Wer kann, soll auf das Land ins Grüne flüchten. Kurz: wir tun nichts und warten auf günstigeres Wetter.

Worüber gar nicht gesprochen wird: Die zu beschränken, die für den Feinstaub sorgen. Etwa durch zumindest teilweise Fahrverbote für besonders schmutzige Fahrzeuge oder außerordentliche Geschwindigkeitsbegrenzungen in der Stadt. Populär wären diese Maßnahmen wohl kaum.

Wetter ist nicht der Grund für den Feinstaub

Ob sie akut etwas nutzen würde, da fehlen die Daten, erklärt Christian Gratzer vom Verkehrsclub VCÖ auf Anfrage von MOMENT.at. Sie fehlen, weil es nie gemacht wurde. Aber: “Zu sagen, das Wetter ist es, wäre eine Ausrede”, meint er. “Das Wetter verursacht den Feinstaub nicht. Es macht nur, dass er hängen bleibt”, so Gratzer.

Schadstoffe werden durch Verbrennungsprozesse verursacht und haben mehrere Quellen. Industrie, Raumwärme und Verkehr sind die größten Brocken.

“In allen Sektoren muss angesetzt werden”, so  Heinz Tizek von der Umweltabteilung der MA22. Und weiter: “Das ist kein 100 Meter-Lauf, sondern ein Marathon.”

“Besonders die Verkehrsabgase werden hoch konzentriert in der Atemluft serviert, so Gratzer. Die Abgase, deren Aufwirbelung, der Reifen- und Bremsenabrieb. Außerdem schwächelt die Abgasreinigung bei Dieselfahrzeugen bei niedrigen Temperaturen “Fußgänger:innen stehen quasi in einer Abgaswolke, Kinder im Buggy auf Auspuffhöhe”, sagt er. Deshalb braucht es Maßnahmen.

Gesetze statt Wetterumschwung

“Es braucht eine Reduktion der Autofahrten und eine verstärkte Nutzung des öffentlichen Verkehrs”, sagt Christian Gratzer. Tempo 30 oder 50 in Städten wie Wien sorgen nicht nur durch niedrigere Geschwindigkeit, sondern auch durch weniger Stop- and Go Verkehr für geringeren Ausstoß. Fußgängerampeln müssten längere Grün-Perioden haben, Unternehmen sollten ihren Beschäftigten Klimatickets zur Verfügung stellen, es braucht mehr Begegnungszonen.

Die Liste an Maßnahmen ist lang. Schlussendlich ist es auch eine soziale Frage. Hohe Feinstaubbelastung gibt es nämlich tendenziell in eher weniger privilegierten Wohngegenden. Das grundlegende Problem wird mit ein wenig Wind nicht vorüberziehen.

Das Problem ist in Wien immerhin besser als noch vor einigen Jahren. Grenzwerte werden trotzdem noch oft überschritten. Aber in der Regel nicht so oft, dass es die EU-Vorgaben verletzt. Auch seitdem der Luftschutz 100er auf manchen Autobahnen eingeführt wurde, habe die Schadstoffbelastung deutlich abgenommen, so Gratzer.

Das Wetter rettet uns an fast allen Tagen

Die gegenwärtige Lage hat natürlich etwas mit dem Wetter zu tun. Tizek erklärt, über Mitteleuropa liege ein Hochdruckgebiet, das die steigenden Werte verursache. Typisch für diese Jahreszeit, meint er. Schlechte Luftqualität habe nicht zwingend etwas mit dem tatsächlichen aktuellen Ausstoß zu tun. Im Lockdown bei Corona waren die Werte trotz weniger Industrie und Verkehr teils schlechter als davor.

Den entsprechenden Feinstaub gibt es also praktisch jeden Tag. Was man damit aber auch sagen könnte. Das Wetter verursacht die aktuelle Lage nicht. An all den Tagen, an denen die Feinstaubbelastung nicht die aktuellen Gefahrenwerte erreicht, rettet es ns sogar davor.


Dieser Beitrag wurde am 11.11.2024 auf moment.at unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

TitelbildAlexey Demidov / Pexels

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Ein Gedanke zu „Nein, das Wetter ist nicht der Grund für die schlechte Luft in den Städten

  • Natürlich ist es das Wetter. Nicht nur Regen und Wind senken die Feinstaubwerte. Massgebend ist der vertikale Temperaturquotient der Luft. Am höchsten sind die Feinstaubwerte während einer Inversionslage. Mit der Temperaturdifferenz auf dem Schöcklkopf und in Graz kann das selbst der Laie nachrechnen. Siehe dazu auch „Feinstaub – Utopien und Realitäten“ im Internet.

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