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Ayotzinapa – ein Wendepunkt in der jüngeren Geschichte des Landes

(Mexiko) Die sofortige Veröffentlichung der 800 Militärakten über das Verschwinden der 43 Student*innen aus Ayotzinapa, die Beendigung der Medienhetze der Präsidentschaft gegen die Mütter und Väter der 43 und gegen Menschenrechtsorganisationen sowie die Wiederaufnahme der Ermittlungen in diesem Fall sind einige der Forderungen, die Hunderte von Aktivist*innen, Akademiker*innen und Künstler*innen wie Gael García Bernal, die Linguistin Yásnaya Aguilar, der Schriftsteller Juan Villoro, die Filmemacherin Ángeles Cruz, die Historikerin Alicia de Ríos und der Historiker Alicia de los Reyes stellen. In der Erklärung kritisieren die mehreren hundert Unterzeichner*innen, dass seit 2022 die Fortschritte bei den Ermittlungen im Fall Ayotzinapa „ins Gegenteil verkehrt“ worden seien, insbesondere, „als die Rolle des Militärs sichtbar wurde“.

AMLO hat sein Versprechen nicht erfüllt

„Heute, am Ende der sechsjährigen Amtszeit, gibt es im Fall Ayotzinapa KEINE WAHRHEIT UND KEINE GERECHTIGKEIT“, klagen die Bürgerrechtler*innen, Intellektuellen, Journalist*innen, Lehrer*innen und Künstler*innen an, unter ihnen Samanta César von der Volksfront zur Verteidigung von Land und Wasser (FPDTA) Morelos, Puebla, Tlaxcala, die Schriftstellerin Irma Pineda, der Schauspieler Daniel Giménez Cacho, die Musiker Luis Ibarra-Dr. Shenka und Roco Pachukote und die Journalistin Marcela Turati. Schließlich brachten sie ihre Unterstützung und Solidarität mit den Vätern und Müttern der 43 verschwundenen Normalistas zum Ausdruck, die seit zehn Jahren „die Würde, den Widerstand und den Schmerz Tausender Verschwundener in diesem Land“ repräsentieren.

Hier kommt die vollständige Erklärung:

10 JAHRE OHNE WAHRHEIT UND GERECHTIGKEIT

Ayotzinapa war ein Wendepunkt in der jüngeren Geschichte Mexikos.

Der Ruf ¡Ya Basta! drückte nicht nur die Empörung über den ungeklärte Verbleib der 43 aus, sondern will auch an Tausende weitere Verschwundene erinnern. Er symbolisierte die Krise des Parteiregimes, denn auf die eine oder andere Weise ist es mit den staatlichen Strukturen verbunden, die durch ihr Handeln oder Unterlassen für das Verschwinden verantwortlich sind.

Inmitten einer unerträglichen und unhaltbaren Situation wurde die massive Reaktion der Empörung und Solidarität zur wichtigsten nationalen und internationalen Forderung des letzten Jahrzehnts für unser Land:

SIE WURDEN LEBENDIG ENTFÜHRT, WIR WOLLEN SIE LEBEND ZURÜCK.

Die Demonstrationen haben deutlich gemacht, was heute eine unumstößliche Tatsache ist: In Ayotzinapa war es der Staat, der für das Verschwinden der 43 Studenten in der Nacht von Iguala verantwortlich war.

Die Regierung AMLO hat in den ersten Jahren ihrer Amtszeit versprochen, alles Notwendige zu tun, um Wahrheit und Gerechtigkeit zu erreichen. Zu diesem Zweck hat sie die Kommission für Wahrheit und Zugang zur Justiz (COVAJ) eingerichtet, die Bemühungen der Interdisziplinären Gruppe Unabhängiger Experten (GIEI) in Anspruch genommen, den Dialog mit den Eltern der 43 und den Menschenrechtsorganisationen, die sie seit dem 26. September 2014 begleitet haben, aufrechterhalten und die Arbeit des Sonderstaatsanwalts unter der Leitung von Omar Gómez Trejo unterstützt. Die Anerkennung des Verschwindenlassens in Iguala als Staatsverbrechen war ein wichtiger Schritt.

Ab 2022 wurden diese Fortschritte jedoch wieder rückgängig gemacht. Es kam zum Stillstand der Ermittlungen und einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Präsidentschaft und den Müttern und Vätern der 43 Verschwundenen.

Heute, am Ende der sechsjährigen Amtszeit, gibt es WEDER WAHRHEIT NOCH GERECHTIGKEIT im Fall Ayotzinapa. Deshalb fordern die Unterzeichner – Künstler, Akademiker und Aktivisten – zehn Jahre nach dem Verschwinden der 43 Studenten der Isidro Burgos Rural Normal School, dass der gewählte Präsident folgende Sachen unternimmt:

Eine erneute Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Ermittlungen durch einen mit den Eltern der 43 und den sie begleitenden Menschenrechtsorganisationen vereinbarten Staatsanwalt, um die nach dem Rücktritt des Staatsanwalts Omar Gómez Trejo unterbrochenen Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Die sofortige Beendigung der Medienhetze der Präsidentschaft gegen die Eltern der 43 und die Menschenrechtsorganisationen.

Ein klares Bekenntnis der neuen Regierung zu Wahrheit und Gerechtigkeit, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen, ob Zivilisten oder Militärs, vor Gericht gestellt werden, ohne politische oder mediale Ausflüchte, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind.

Die Wiederaufnahme des Ayotzinapa-Prozesses als eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse, die für die Demokratie, den Rechtsstaat, den Kampf gegen die Straflosigkeit und insbesondere für die Erinnerung, die Wahrheit und die Gerechtigkeit unerlässlich ist.

Die sofortige Übergabe der 800 Militärakten, die sich auf das gewaltsame Verschwindenlassen der 43 Genossen beziehen.

Schließlich senden wir unsere Unterstützung und Solidarität an die Mütter und Väter der 43, die für die Würde und den Widerstand stehen, aber auch für den Schmerz der Angehörigen der Tausende von Verschwundenen in diesem Land.

Die vollständige Liste der Unterzeichner*innen findest du hier.


Dieser Beitrag erschien am 25.09.2024 auf npla.de, lizensiert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international. 

Titelbild: Junger Mann bei einer Protestaktion unter dem Hashtag Ya basta! ein Jahr nach dem Verschwinden der 43 / Nopalmedia via flickr CC BY-NC-ND 2.0

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