Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen
Am 11. September fand im Kultur- und Veranstaltungszentrum Amerlinghaus in Wien eine viel beachtete Podiumsdiskussion zum Thema “Neutralität in Zeiten von Krisen und Kriegen“ statt. Veranstaltet wurde der Diskussionsabend von den Gewerkschafter:innen gegen Atomenergie und Krieg sowie der Vereinigung für Medienkultur.
Von Udo Bachmair
Bemerkenswerterweise war im Wahlkampf für die Nationalratswahl am 29. September das Thema „Krieg und Frieden“ sowie die Rolle der österreichischen Neutralität kaum ein Thema. Dabei wäre Österreich als neutraler Staat und UNO-Standort prädestiniert dafür, als diplomatischer Mediator und Initiator von Gesprächen zur Beendigung der Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten aktiv zu werden. Doch eine einseitige Außenpolitik der schwarz-grünen Außenpolitik in den vergangenen Jahren – weit entfernt von Bruno Kreiskys nützlichen und erfolgreichen diplomatischen Aktivitäten – hat den Geist der Neutralität weitgehend untergraben.
Die Chance auf eine effektive friedensorientierte Außenpolitik ist ähnlich der Tatenlosigkeit der EU-Kommission sträflich vernachlässigt worden.
Darauf aufmerksam zu machen haben sich jüngst vor allem SPÖ-Chef Andreas Babler und KPÖ-Vorsitzender Tobias Schweiger bemüht – allerdings weitgehend ignoriert von den heimischen Medien. Babler und Schweiger plädieren uneingeschränkt für die Sinnhaftigkeit und Aufrechterhaltung der Neutralität. Von Expert:innenseite sieht vor allem der renommierte Politikwissenschaftler Heinz Gärtner die Neutralität Österreichs als Sicherheitsgarantie für unser Land.
Mitglieder der Initiative Engagierte Neutralität wie Bundesheer-General Günther Greindl, seinerzeit Oberbefehlshaber der österreichischen UNO-Truppe auf dem Golan, oder die beherzte Diplomatin und Ex-Botschafterin Gaby Matzner sowie der bei den Gewerkschafter:innen gegen Krieg besonders aktive Wilfried Leisch bekräftigten in der erwähnten Veranstaltung ihre klare Pro-Neutralitäts- und Anti-NATO-Position. Udo Bachmair, Präsident der Vereinigung für Medienkultur, gab u.a. zu bedenken, dass Politik und Medien nach der Nationalratswahl Befürworter:innen eines NATO-Beitritts Österreichs mehr Raum für entsprechende Propaganda öffnen könnten.
Die Einstiegsstatements der Podiumsdiskussion im Amerlinghaus sind unter folgendem Link abrufbar: www.youtube.com/watch?app=desktop&v=NixOIY2N8bQ
Titelbild: kirill_makes_pics / Pixabay
Ja, es ist erstaunlich, dass trotz der aktuellen, globalen Umbrüche und Kriege Außenpolitik in Österreich kein Thema ist. Die fragwürdigen Stellungnahmen von Außenminister Schallenberg regen weder den Großteil der Bevölkerung, noch der JournalistInnen auf. Bemerkenswert fand ich die Geständnisse der Vertreterinnen der Jungen bei dieser Diskussion, dass sie weder Außenpolitik noch Friedensarbeit „auf dem Schirm“ haben. Deshalb prägen hauptsächlich PensionistInnen die österreichische Friedensbewegung, deren Zukunft überschaubar ist.
Die Darstellung der österreichischen Neutralität durch Herrn Günther Greindl sollte allen ÖsterreicherInnen vermittelt werden. Der Verfassungsartikel zur immerwährenden Neutralität verbietet die Teilnahme an Militärbündnissen und die Zulassung von ausländischen Militärstützpunkten. Bei Überflug- und Durchfahrgenehmigungen für US-Armee-Einheiten, sowie hinsichtlich der derzeitigen Battlegroup-Übungen ist die Regierung freizügig. Die Umsetzung einer engagierten Neutralität, die zu Konfliktlösungen beiträgt, hält sich die Regierung sehr zurück. Das Unterdrücken einer demokratischen Diskussion über außenpolitische Handlungsoptionen vermittelt den Eindruck, dass Neutralität bedeutet, nichts tun. Das wäre die Neutralitätsfolklore, die wirklich entbehrlich ist. Eine engagierte Neutralitätspolitik, die es im vorigen Jahrhundert nach dem zweiten Weltkrieg gab, könnte zur Friedensstiftung wesentlich beitragen und somit auch für die Sicherheit des Landes (in der Sicherheitsdoktrin spielt Diplomatie leider eine untergeordnete Rolle). Eigentlich könnte sich auch der außenpolitische Parlamentsausschuss, wo alle Parteien vertreten sind, für eine aktive Neutralitätspolitik einsetzen, aber davon habe ich nichts vernommen.