AktuellGesundheitÖsterreich

Wie kann eine 4-­Tage-Woche im gewerb­lichen Be­reich funk­tio­nier­en?

In einem Elektro-Montagebetrieb mit rund 150 Beschäftigten wurde eine Arbeitszeitreduktion von 38,5 auf 36 Stunden als 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich evaluiert. Dabei untersuchten wir die Vor- und Nachteile für Gesundheit, Vereinbarkeit, Zufriedenheit und Arbeitsbelastung. Die Ergebnisse zeigen eine hohe Zufriedenheit bei allen Stakeholdern.

Von Anna Arlinghaus (A&W-Blog)

Besonders die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben verbesserte sich bei gleichbleibender Arbeitsbelastung und gesunkenem Überstundenvolumen. Die Produktivität wurde als gestiegen beurteilt. Erfahren Sie in diesem Beitrag, welche Erfolgsfaktoren zu der gelungenen Umsetzung der 4-Tage-Woche beigetragen haben.

4-Tage-Woche als Mittel zur Fachkräftegewinnung

In der Arbeitswelt lässt sich eine klare Tendenz bei den Wünschen vieler Beschäftigter hin zu mehr individualisierten und kürzeren Arbeitszeiten erkennen. Ergebnisse aktueller Studien zeigen ebenfalls, dass mit Arbeitszeitverkürzungen positive Effekte erzielt werden können.

Im Jahr 2022 stellte die oberösterreichische Elektro Kagerer GmbH & CoKG mit ca. 150 Mitarbeiter:innen daher von 38,5 auf 36 Stunden pro Woche an vier Arbeitstagen bei vollem Lohnausgleich um. Der bis dahin nur jede zweite Woche gearbeitete Freitag konnte durch die Verlängerung der restlichen vier Arbeitstage und die Arbeitszeitverkürzung komplett eingespart werden. Betroffen waren alle Beschäftigten in der Montage und am Standort (z.B. Verwaltung). Personen in der Montage sind in der Regel auf externen Baustellen tätig und installieren elektrotechnische Anlagen. Gearbeitet wird nun tagsüber von Montag bis Donnerstag. Die Umstellung auf die 4-Tage-Woche sollte die Arbeitszeit attraktiver sowohl für Bewerber:innen als auch das eigene Personal machen.

Evaluierung der Umstellung

Um die Auswirkungen der 4-Tage-Woche auf die Zufriedenheit, Gesundheit, Work-Life-Balance und Belastungssituation abzuschätzen, führte XIMES im Herbst 2023 (eineinhalb Jahre nach der Umstellung) eine Studie durch. Die Studie wurde durch die AK Wien gefördert. Mit mehreren Datenquellen sollte ein umfassendes Bild gewonnen werden:

  • Auswertung der ausbezahlten Überstunden zwischen 2019 und 2023
  • Online-Befragung von 72 Beschäftigten
  • vier Fokusgruppeninterviews mit Führungskräften, Betriebsrat, Beschäftigten am Standort sowie Beschäftigten in der Montage (18 Personen)

Was berichten die Beschäftigten?

Die Resultate zeigen eine überwiegend positive Einschätzung des neuen Arbeitszeitmodells. In den Fokusgruppeninterviews wurde ein positives Fazit gezogen, da der zusätzliche freie Tag als wertvoll für Familie, Freunde, Hobbys und Unternehmungen erlebt wird.

Die Beschäftigtenbefragung ergab, dass die Mehrheit der Befragten deutliche Verbesserungen insbesondere bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben sowie Freizeit und Arbeitszeitzufriedenheit erlebt. Deutliche Verschlechterungen wurden hingegen gar nicht berichtet.

Eine wichtige Frage in der Evaluierung war, ob die kürzeren regulären Arbeitszeiten nicht erst recht durch Überstunden ausgeglichen werden. Das ist eindeutig nicht der Fall. Die Überstunden sind im Vergleich zur Zeit vor der Verkürzung sogar (leicht) gesunken (davor durchschnittlich 1,4 Stunden pro Woche, nachher durchschnittlich 1,2 Stunden pro Woche). Zwei von drei Befragten (66 Prozent) sagen, dass sie in den vergangenen drei Monaten zu keinem Zeitpunkt mehr arbeiten mussten – sie schafften ihr Arbeitspensum in der 4-Tage-Woche. 22 Prozent geben an, dass sie innerhalb dieser drei Monate maximal in drei Wochen etwas mehr arbeiten mussten.

Mehr als drei Viertel der Befragten haben jetzt mehr Zeit für Familie (83 Prozent) und Freunde (71 Prozent). Sie leben aber auch gesünder, indem sie mehr Sport betreiben (60 Prozent), gesünder essen (40 Prozent) und mehr schlafen (45 Prozent). Auch Hobbys (65 Prozent) und Ausflüge (63 Prozent) haben nun mehr Platz. Ein beachtliches Drittel (32 Prozent) stellt nun mehr Zeit in Form von ehrenamtlichen Tätigkeiten der Gemeinschaft zur Verfügung. Ein Viertel investiert mehr Zeit als vorher in persönliche Weiterbildung.

Im Vergleich zu vor der Umstellung haben die geleisteten Überstunden eher abgenommen. Insbesondere freitags und samstags wurden weniger Überstunden verzeichnet, da Zusatzarbeiten nun häufiger Montag bis Donnerstag eingetaktet werden.

Erfolgsfaktoren für die Umsetzung

Die Umsetzung der Arbeitszeitumstellung gelang nach Ansicht der Beteiligten

  • aufgrund des recht geringen Unterschieds zum vorherigen Modell mit abwechselnd vier und fünf Arbeitstagen pro Woche,
  • einer Umorganisation der Pausen auf der Montage (Effizienzsteigerung): Statt einer fixen Vormittagspause mit Verräumen der Geräte werden nun individuelle Pausen genommen,
  • und einer hohen Initiative aller Stakeholder: Geschäftsführung, Führungskräfte, Beschäftigte und Betriebsrat.

Lessons learned

Die Befunde decken sich mit bisherigen Ergebnissen aus früheren Studien, die nach einer Arbeitszeitverkürzung Steigerungen des Wohlbefindens, Verringerung von Stress, gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie Zeitkonflikten zeigen. Die Arbeitszeit wurde in der hier berichteten Fallstudie nur in begrenztem Umfang verkürzt. Dadurch wurde aber erst der freie Freitag möglich, der wahrscheinlich einen großen Anteil an der erlebten Verbesserung hatte. Gleichzeitig hat sich die Arbeitszeit an den restlichen Tagen nur minimal verlängert. Das dürfte zu einem „Win-Win“ für Betrieb und Beschäftigte geführt haben.

Arbeitszeitmodelle mit kürzeren Wochenarbeitszeiten oder einer gut gestalteten 4-Tage-Woche können demnach Chancen für Beschäftigte und Arbeitgeber:innen bieten, da einerseits Anforderungen aus dem Privatleben besser mit dem Arbeitsleben vereinbart werden können und gleichzeitig die Attraktivität als Arbeitgeber steigt.

Auch bei Schichtarbeit können mit kurzen Wochenarbeitszeiten ergonomisch günstigere Schichtfolgen gestaltet werden, bei denen (belastende) Arbeitszeiten mit längeren Erholungsphasen ausgeglichen werden.

Grundsätzlich können Arbeitszeiten verkürzt werden mit vollem bzw. teilweisem Lohnausgleich oder aber ohne Lohnausgleich, was der klassischen Teilzeitarbeit entspricht. Eine 4-Tage-Woche ist hingegen mit oder ohne Arbeitszeitverkürzung möglich:

  • Verteilung der vorhandenen Arbeitszeit auf vier statt fünf Tage (oft werden dann 9 oder 10 Stunden pro Tag gearbeitet, bei 38 bis 40 Wochenstunden)
  • Verkürzung der Arbeitszeit, beispielsweise in Form von 4 x 8 Stunden (32-Stunden-Woche) oder 4 x 9 Stunden (36-Stunden-Woche)

Für die Umsetzung gibt es jedoch keine Patentrezepte. Voraussetzungen und Möglichkeiten sollten immer gründlich geprüft werden, damit eine Umstellung erfolgreich sein kann. Insbesondere das Geschäftsmodell und die Arbeitsorganisation bestimmen, welche Form der Arbeitszeitgestaltung funktionieren kann. Zusammen mit der Beteiligung aller Stakeholder können so gute Modelle gefunden werden, die dann auch nachhaltig wirksam sind, wie nun auch das Beispiel des Elektro-Montagebetriebs Elektro Kagerer zeigt.


Dieser Beitrag wurde am 06.09.2024 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Team Elektro Kagerer

Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.