Länger arbeiten müssen? – Nein!
Kurz nach der Bekanntgabe des jährlichen Pensionsanpassungsfaktors kommt auch gleich der Ruf nach einer notwendigen Pensions-”Reform”. Leider soll damit weder den grindigen Frauenpensionen (bereits am 6. August war Equal-Pension-Day) der Kampf angesagt werden, noch zumindest die Ausgleichszulage über die Armutsschwelle angehoben werden. Uns wird alljährlich vorgegaukelt, dass die Pensionen langfristig nicht finanzierbar sind und „da wir länger leben, eben auch länger „buggeln“ müssen.“
Ein Kommentar von Josef Stingl
Dieses Jahr hat pikanterweise Christine Mayrhuber, Chefin der Alterssicherungskommission die Diskussion angerissen: “Auf mittlerer Sicht führe kein Weg daran vorbei, das gesetzliche Pensionsantrittsalter um zwei Jahre anzuheben”. Gnädigerweise gesteht sie aber zu, dass 45 Arbeitsjahre genug sind, aber natürlich auf keinen Fall bei vollem Pensionsbezug, sondern “mit gewissen Einbußen”.
Die ÖVP, die NEOS, die Junge Wirtschaft und die Industriellenvereinigung, aber auch der schwarze Seniorenbund waren gleich Feuer und Flamme dafür. Gegen den Alters-Raubzug der Alterssicherungskommissions-Chefin wandten sich unter anderen die SPÖ, die Grünen, der Pensionistenverband, der Zentralverband der Pensionist:innen Österreichs und der ÖGB.
Arbeit macht krank
Die herrschenden Arbeitsbedingungen machen krank – die zahlreichen krankheitsbedingten vorzeitigen Invaliditäts- und Berufsunfähigkeitspension-Antritte beweisen das. All diese Frauen und Männer müssen ebenfalls mit “gewissen Einbußen” ihr Leben im Alter gestalten. Länger arbeiten heißt also, noch kränker in die Pension zu wechseln. Und die “Lebenserwartung in Gesundheit” ist jetzt schon rückgängig. Unweigerlich stellt sich daher die Frage, von welcher Alterssicherung die Kommissionsvorsitzende spricht?
Ebenso skurril wie Mayrhofers Alterssicherung ist das Verhalten des AMS-Chefs Johannes Kopf. Noch vor wenigen Jahren warnte er, dass ein höheres Pensionsalter Jobchancen für Jüngere dämpft. Jetzt verlangt das oberste AMS-Haupt ebenfalls die Anhebung des Pensionsantrittsalters. Jugendarbeitslosigkeit – kein Thema mehr?
Abgesehen davon, müssen schon jetzt zahlreiche Menschen in Altersarbeitslosigkeit auf den Übertritt in ihren Ruhestand warten. Die derzeit in Stufen stattfindende Frauen-Pensionsantrittsalter-Anpassung hat und wird diese Zahl nicht verringern, ebenso wie der Umstand, dass man zwei Jahre länger arbeitslos bleiben muss.
Das belastet einerseits die betroffenen älteren Arbeitslosen, die dann noch zwei Jahre länger mit ihrem 40 Prozent gekürzten Einkommen auskommen müssen und auch “Köpferls AMS-Budget”. Auf die Forderung, das Arbeitslosengeld degressiv zu kürzen, wird man nicht lange warten müssen.
Länger arbeiten müssen? – Nein können!
Die privaten Versicherungsgesellschaften lancieren jährlich die Behauptung, dass unser Umlage finanziertes Pensionssystem wegen der Zunahme der älteren Bevölkerung kollabieren würde. Damit wollen sie für ihre Angebote nach dem Kapitaldeckungsverfahren werben, die nicht nur Pensionen sondern auch ihre Gewinne finanzieren, wobei die Pensionsauszahlungen seit vielen Jahren nicht die Versprechungen erfüllen.
Die Rufe nach Pensionsreformen gehen lange zurück. 2014 veröffentlichten die SeniorInnen von Attac Vorschläge für Verbesserungen für die PensionistInnen: Für gerechte, zukunftssichere Pensionen | Attac Österreich:
• Die Ausgleichszulagen für die Pensionen, die kein würdiges Leben erlauben, auf die von der Schuldnerberatung berechneten Mindestlebenskosten, dem sogenannten Referenzbudget zu erhöhen.
• Die Arbeitsbedingungen sollten altersgerecht gestaltet werden, damit alle bis zum nominellen Pensionsantrittsalter arbeiten können und mit ihren Erfahrungen wertvolle MitarbeiterInnen sind. Wenn das erreicht wäre, könnte das Antrittsalter langsam erhöht werden.
• Die Erhöhung des Pensionsantrittsalters für Frauen wurde seinerzeit unter der Annahme beschlossen, dass es etwa 2025 keine Benachteiligung der Frauen im Erwerbslaben mehr gäbe, was offenbar nicht erreicht wurde. Deshalb bedarf es einer verbesserten Anrechnung der Sorgearbeit der Frauen für ihre Pension.
• Eine gerechtere Pensionshöhe für die Mehrheit im Vergleich zu den Sonderpensionen der Beamten und Politiker und der höheren Lebenserwartung der Besserverdienenden kann erreicht werden. Diese Gruppen zahlen nur bis zu einer Obergrenze ein, erhalten aber Pensionen, die weit über ihren Lebenserfordernissen liegen und viel länger ausbezahlt werden als beispielsweise für ArbeiterInnen mit niedrigen Pensionen. Dafür gäbe es Abhilfe durch statistisch abgesicherte einkommensdifferenzierte Ersatzraten, nach denen die Pension bemessen wird.
• Diese privilegierten Personen könnten aber auch über das festgelegte Pensionsantrittsalter hinaus arbeiten, wobei sie auch weiter Beitragszahlungen leisten, die honoriert werden sollten.
• Wer ausreichend verdient, kann seine Pension durch freiwillige Höherversicherung bei der Pensionsversicherungsanstalt verbessern, was nicht vom Finanzmarkt abhängig ist. Leider ist diese Möglichkeit wenigen bekannt, kann aber flexibel genutzt werden Höherversicherung | PV Österreich.
Der Blick nach Deutschland zeigt uns, wie viel besser unser Umlage finanziertes Pensionssystem funktioniert, aber trotzdem weiter verbessert werden könnte.