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„Wachstum im Wandel“: Wie gestalten wir unsere Zukunft nachhaltig?

Im Oktober 2023 wurde der Verein “Wachstum im Wandel Österreich” gegründet. Er basiert auf der ursprünglichen „Initiative Wachstum im Wandel“ – betrieben auf Initiative des Umweltministeriums seit 2008.

Ein Gastkommentar von Ilse Kleinschuster

Aus Anlass des 15-Jahresjubiläums gab es im Dezember 2023 eine feierliche Veranstaltung im Haus der EU, (in Zusammenarbeit mit dem Umweltbüro und dem BM für Land-und Forstwirtschaft), bei der Janez Potočnik (u.a. Partner und Vorsitzender im UNEP International Resource Panel) als prominenter Keyspeaker in seiner Rede („From ‚greening‘ the system to real transformation“) deutlich machte, dass es jetzt höchste Zeit sei, den Kurs zu ändern: „…als Ökonom glaube ich, dass der einzige vernünftige Weg nach vorn darin besteht, dass Wirtschaft und Umwelt Hand in Hand gehen.

„Es ist schon viel passiert, aber es muss natürlich noch mehr passieren“, so die Vertreterin des Ministeriums in ihrer Einführung zur Gründungsveranstaltung des Vereins „Wachstum im Wandel“. “Wir sind mit dabei, zumindest als einzelne Personen, aber nicht federführend. Vielleicht auch gut so, weil ja ein Verein unabhängiger ist, aber auch aus dem Grund, weil wir ja gerade bei einer anderen Initiative federführend sind – “Just Transition”, in der Themen wie gerechte Umverteilung weiterbehandelt werden. Außerdem geht ja diese Legislaturperiode zu Ende.“ Nun, ich denke, diese Legislaturperiode geht wie schon viele andere zuvor zu Ende, ohne dass es wesentliche Versuche vonseiten der politischen Eliten gegeben hätte, eine wirkliche Überwindung der kognitiven Dissonanzen im systemischen Denken herbeizuführen.

Auch die Bemerkung – diesmal aus dem Mund des Vertreters der EU – gab mir zu denken: „Nachhaltige Produkte sollten langfristig zur Norm werden“. Da fiel mir ein, das habe ich doch schon vor Jahren gehört, dass mit Technologie wohl noch vieles was Energie- und Ressourcenverbrauch betrifft, möglich sein wird, aber nachhaltige Produkte und Serviceleistungen immer teurer würden, so dass sie sich letztlich sehr viele Menschen nicht mehr leisten werden können. Da musste ich natürlich sofort an meine Mitarbeit bei der visionären Initiative “Zukunftsforum Sozial-Ökologischer Systemwandel” denken, über die ich damals berichtet habe (gekürzt in der SOL-Zeitschrift erschienen  http://www.zfs-hopeful-change.net/downloads/SusA60-S19.pdf  (Die ungekürzte Fassung, soweit mir bekannt, ist nie publiziert worden. Wie gesagt, das war vor 12 Jahren! http://www.zfs-hopeful-change.net/downloads/FlexicuritySOL-Beitrag-lg.pdf

So werden sich also die Mitglieder dieses neuen Vereins „Wachstum im Wandel” jetzt und in Zukunft voll Ambition am Stammtisch und bei Frühstücken treffen und weiter darüber beraten was und wie alles sich wandeln muss, damit Nachhaltigkeit endlich nachhaltiger wird, ohne allzu unsozial zu werden.

Wer sich das Video angehört hat und wer sich auch schon mit dem Projekt Earth4All auseinandergesetzt hat, wird (an)erkennen, dass schon viele kluge Köpfe sich mit der Frage “Wirtschaft jenseits von Wachstum” (economy beyond growth) beschäftigen. Das Problem ist, so meine ich, dass es einfach nicht genügend Verantwortungsbewusstsein beziehungsweise Ethos dafür gibt – nicht nur aufseiten der Politik, sondern auch der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft.

Die Palette an Wirtschaftsstrategien ist ja im letzten Jahrzehnt erstaunlich bunter geworden, aber wirklich nachhaltiger? Wenn Janez Potočnic sagt: The future will be green or there will be no future“, meinte er wohl, dass es ohne „grünes“ Schrumpfen keinen Umweltschutz für die 99% geben kann. Aber geht es letztlich nicht nur um den Schutz der Natur, sondern genauso um Fragen der menschlichen Freiheit, Gleichheit und Solidarität? Muss hier nicht auch die Eigentumsfrage gestellt werden? Auch die Frage, ob denn der „Markt“ die Lösung für die drohende Umweltkatastrophe sein könne? Sind denn die Ausbeutung der Arbeit und die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen nicht ineinander verschränkte Eigenschaften des neoliberalen Projekts, dessen Folgen zahlreiche Lebensbereiche in totale Abhängigkeit gebracht haben – Freizeit, Arbeit, städtischer Raum, öffentliche Institutionen, Bildung, Gesundheit, Lebensentwürfe u.a. – vorrangig durch die Logik des Profits, der Konkurrenz, des Individualismus und der Selbstoptimierung?

Wenn wir (ich bin sehr dafür!) nun das Projekt „Wirtschaft im Wandel“ auf den Weg bringen wollen, heißt das nicht auch, dass wir zugleich das kollabierende System des Kapitalismus reparieren müssen – was nur gelingen kann, indem wir Umweltschutzpolitik demokratischer gestalten, d.h. die sich verschärfenden Ungleichheiten in Zusammenhang mit der Reduktion von Energie- und Ressourcenverbrauch zu sehen? Hieße das dann nicht auch, dass wir Gemeineigentum auf lokaler, regionaler und staatlicher Ebene ausweiten müssten? Hätte eine solche Vorstellung nicht die Erweckung von Commons und Allmenden zur Folge, sozusagen eine andere Form des Zusammenlebens, die Kooperation, Solidarität, Selbstbestimmung und Demokratie ins Zentrum stellt?

Hieße dann Just Transition – also gerechter Übergang – nicht auch, einen Prozess zur „Erhaltung“ des Bodens (sozusagen als Erhaltungsträger der Produkte) in Gang zu setzen, damit die gerechte (faire) und vernünftige Erhaltung natürlicher Ressourcen, die unserem Wohlergehen dienen, überhaupt möglich ist? Die Träume von einer arbeitsfreien Gesellschaft, einer Dematerialisierung der Wirtschaft und einer „Renaturierung“ der Umwelt werden sie je umgesetzt werden können allein durch einen Verein, der sich „Wirtschaft im Wandel“ nennt? Es muss eine Bewegung werden und die wird erst ins Rollen kommen, wenn ein Prozedere entwickelt worden ist, wie Menschen sich gemeinsam auf einen solchen Weg machen können. https://fritz.hinterberger.com/gemeinsam-die-welt-verbessern/

Tja, ich frage mich, werden die vielen jungen aktivistischen Initiativen in aller Welt stark genug sein, um gemeinsam die kollektiven und demokratischen Gestaltungsmöglichkeiten über unser Zusammenleben zurückzugewinnen? Ich hoffe, sie werden primär für ökologische Bedingungen kämpfen, unter denen ein glückliches und solidarisches Leben, ein „gutes Leben für alle erst möglich sein wird! Erst dann wird die Polykrise vernetzter globaler Ungleichheiten zu einem solidarischen Miteinander führen, so dass die Lebensbedingungen sich verbessern und der Zusammenbruch unserer Ökosysteme noch verhindert werden kann.

Die Internationale Friedensordnung, wie sie 1975 in der Schlussakte der KSZE-Konferenz in Helsinki vorbildlich beschlossen worden ist, gab Grund zur Hoffnung. In der Zwischenzeit hat die Stabilität in den Gesellschaften stark abgenommen und der Glaube an die Menschenrechte ist nach und nach staatlichen Interessen zum Opfer gefallen. Immer stärker ist die Vernunft in die Defensive geraten, die „Sprache wurde zum Träger von Affekten, und Vorurteile spreizten sich zu Wahrheiten auf – und ersetzen das Denken.“ R.D. Precht schreibt in „Das Jahrhundert der Toleranz“: „Der Fehler bisheriger Wertepolitik liegt nicht an der Orientierung an Werten, sondern an zweifelhafter Priorisierung, fragwürdigen Mitteln und unübersehbaren Konsequenzen“ und er empfiehlt eine „nicht-militärische Prävention von Konflikten und Kriegen“ und er plädiert für eine „wertegeleitete Außenpolitik, eine realistische Prioritätensetzung im Sinne wohlverstandener Menschenrechte. Vor allem aber sollten wir „unsere Werte konsequenter selbst beherzigen, denn Werte überzeugen einzig und allein durch ihren Gebrauch“.

In diesem Sinne: Gebrauchen wir unsere Werte, damit Wachstum sich wandeln kann!


Titelbild: geralt / pixabay

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