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Psomi, Pädia, Eleftheria (Brot, Bildung, Freiheit)

Vor genau 50 Jahren endete die Herrschaft der griechischen Obristen, mit Portugals Salazar- und Spaniens Franco-Regime die letzte faschistische Diktatur in Europa. Die Junta stürzte zwar letztlich über ihren dilettantischen Versuch, Zypern zu erobern, doch den Grundstein zu ihrem Fall hatten schon Monate zuvor Arbeiter, Studenten und Schüler gelegt, die mit ihren Massenprotesten den Untergang des Faschismus einläuteten.

Von Andreas Pittler


I. Eine nötige Vorgeschichte

Kaum ein Land in Europa blickt auf eine derart lange und wechselvolle Geschichte zurück wie die „Heimat der Hellenen“. Bereits vor über zweieinhalbtausend Jahren erlebte Griechenland eine erste Blüte, deren Zeugnisse heute noch Millionen von Touristen zum Staunen bringen. Da ist die Akropolis von Athen, der Palast von Knossos, das Löwentor in Mykene, das Orakel von Delphi, das Theater in Epidauros, die Wettkampfstätten in Olympia, kurz, Griechenland hat mehr antike Sehenswürdigkeiten zu bieten als alle anderen europäischen Staaten zusammengenommen, wenn man von Italien einmal absieht.

Und doch versank die „Wiege der europäischen Zivilisation“ allzu bald in die Zweit- und Drittrangigkeit. Zuerst Teil des römischen, dann des byzantinischen Reiches, war Griechenland dreieinhalb Jahrhunderte Provinz des Osmanischen Imperiums. Als dann der in der Literatur vielfach besungene „Aufstand der Hellenen“ 1821 begann, mündete dieser in einem feudalistischen Kleinstaat mit einem deutschen König an der Spitze. Zwar hatte diese Monarchie alles, was man von einem demokratischen Gemeinwesen verlangt – Parlament, unabhängiges Gerichtswesen, freie Presse – doch war all das nur Tünche. In der Vouli (wörtlich „Rat“) saßen die Oberhäupter der einflussreichen Clans (heute würde man sie wohl Oligarchen nennen), die Richter wurden paritätisch nach den Interessen der einzelnen Familien besetzt, und die Zeitungen gehörten den großen Handelshäusern, den Reedern und den Eigentümern diverser Banken. Die Elite, sie blieb unter sich und scherte sich einen feuchten Kehrricht um die Masse der armen Bauern und Arbeiter, die von der Hand in den Mund lebte und noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein keine Ahnung davon hatte, was Strom, Telephon oder ärztliche Versorgung sein mochte.

Und als die herrschenden Schichten endlich das „Volk“ für sich entdeckten, dann nur, um es für seine politischen Ziele einzuspannen. Die von Eleftheros Venizelos gegründete Liberale Partei propagierte einen – heute würde man sagen „massiv populistischen“ – Nationalismus, die „Enosis“ (Vereinigung) und begann, kaum an die Macht gekommen, mittels mehrerer Kriege das Territorium Griechenlands auszudehnen. Die größten Gebietsgewinne erzielte man dabei in zwei Balkankriegen (1912 und 1913), in denen man die griechische Grenze weit in den Norden und beinahe bis zu den Vororten von Konstantinopel (Istanbul) verschob.

Da die Türken im Ersten Weltkrieg an der Seite von Deutschland und Österreich-Ungarn standen, ergriffen die Griechen die Partei der Entente, was sie zu einem „Siegerstaat“ werden ließ. Diesen ermunterten die Franzosen und Briten, nach dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, auch die „Brüder“ in der Türkei zurück in den griechischen Staat zu holen. Doch der „griechisch-türkische Krieg“ endete 1922 in einer unbeschreiblichen Katastrophe für die griechische Seite. Die türkischen Nationalisten unter Kemal (später „Atatürk“ genannt) vertrieben nicht nur die griechische Armee aus Kleinasien, sondern auch gleich alle griechischen Menschen, die dort 3.000 Jahre lang ihre Heimat gehabt hatten. Griechenland musste Millionen von Flüchtlingen integrieren, für die keinerlei Infrastruktur zur Verfügung stand. Um 1930 war Griechenland eigentlich ein „failed state“.

Wenig verwunderlich, auch angesichts der gesamteuropäischen Gemengelage jener Jahre, dass auch Griechenland rasch in faschistisches Fahrwasser geriet. Der alte Venizelos (ja, den gab es immer noch) wurde ins Exil vertrieben, und nur wenig später errichtete der General Ioannis Metaxas eine Diktatur nach dem Vorbild Italiens. Doch war es just Mussolinis Italien, das sich Griechenland einverleiben und zum Teil seines neuen Weltreichs machen wollte. 1940 überfielen die italienischen Faschisten Griechenland und holten sich in den Bergen von Epirus monatelang blutige Nasen. Erst, als im April 1941 Nazi-Deutschland auf Seiten Italiens in den Krieg eingriff, brach der griechische Widerstand zusammen. Vier Jahre lang sollte Griechenland von den Nazis besetzt sein.

 II. Sieg und Niederlage

Doch wie auch in Albanien und Jugoslawien bildete sich noch im Frühsommer 1941 eine immer mächtiger werdende Widerstandsbewegung heraus. Das Pendant zu Titos und Hoxhas Partisanen war die ELAS (Ethnikos Laikos Apelevtherotikos Stratos, Nationale Volksbefreiungsarmee), die unter ihrem legendären Anführer „General Markos“ (Markos Vafiadis) recht rasch wichtige militärische Erfolge erzielte. Gemeinsam mit ihrem politischen Arm EAM (Ethniko Apelevtherotiko Metopo, Nationale Befreiungsfront) exerzierten die griechischen Partisanen vor, wie sie sich ein neues Griechenland in der Praxis vorstellten. In den von ihnen befreiten Gebieten gab es medizinische Grundversorgung, Sozialeinrichtungen, Kulturangebote, Bildungsstätten und kollektives Wirtschaften. Viele Griechen erfuhren unter den Partisanen erstmals menschliche Würde und Respekt. Sie lernten Lesen und Schreiben, durften ihre Meinung in öffentlichen Diskussionen einbringen und ernteten endlich selbst die Früchte ihrer Arbeit. Die Kinder lernten in Schulen, die Greise mussten nicht mehr betteln gehen, und die Frauen standen im Feld wie in der Politik den Männern gleichberechtigt gegenüber. Wenig verwunderlich also, dass die Partisanenbewegung rasch großen Zulauf erhielt und zu einem unüberwindlichen Gegner für die Nazi-Besatzer wurden.

Ihre Erfolge konnten auch die Allierten nicht leugnen, und so wurde die ELAS 1943 wie Titos und Hoxhas Partisanen als verbündete Armee anerkannt. Die Deutschen versuchten zunächst, die ELAS militärisch zu besiegen und boten dazu 1944 acht eigens nach Griechenland verbrachte Divisionen unter dem Kommando des österreichischen Kriegsverbrechers Alexander Löhr auf, doch der musste alsbald eingestehen, dass die ELAS nicht mehr zu besiegen war. Die Nazis verlegten sich auf Terror gegen die Zivilbevölkerung, ehe sie Anfang September 1944 eilig Reißaus nahmen. Für wenige Tage durften die Griechen glauben, sie seien endlich frei.

Womit sie allerdings nicht gerechnet hatten, war der Umstand, dass Briten und US-Amerikaner ein freies Griechenland unbedingt verhindern wollten. Eilig flogen sie den König und seine bürgerlichen Helfershelfer nach Athen, um dort dem Geist der Partisanen die alte Oligarchie entgegenzustellen. Es dauerte nicht lange, bis der Krieg in Griechenland wieder aufflammte. Diesmal aber ging es nicht mehr gegen ausländische Besatzer, sondern gegen inländische Ausbeuter.

In einer eigenen „Schlacht um Athen“ wurden die Partisanen von den Briten im Dezember 1944 (während also noch der Endkampf zur Besiegung der Nazis andauerte) vertrieben, ihre politischen Organisationen de facto verboten. Die Partisanen zogen sich daraufhin in ihr Kerngebiet in Nordgriechenland zurück und bildeten dort unter Vafiadis eine Gegenregierung zum autoritären Regime in Athen. Und da die Partisanen ideell und militärisch von den neuen Volksrepubliken Albanien und Jugoslawien unterstützt wurden, bissen sich die Handlanger der USA vorerst die Zähne an ihnen aus. Griechenland schien auf dem besten Wege zu sein, wie Korea und Vietnam in einen kommunistischen Norden und einen kapitalistischen Süden geteilt zu werden.

Doch Stalin hatte den Briten schon 1943 versprochen, sie dürften Griechenland „schlucken“, und daran wollte sich der georgische Finsterling auch halten. Auch beäugte er Titos Aktivitäten mit zunehmendem Argwohn, und so kam es 1948 zum sogenannten Kominform-Konflikt, bei dem Jugoslawien aus der kommunistischen Völkerfamilie verbannt wurde. Diese Spaltung hatte tragische Folgen für die griechischen Partisanen, die zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion zerrieben wurden. Anfang 1949 wurde Vafiadis durch einen stalinistischen Apparatschik abgelöst, wenig später mussten die volksdemokratischen Kräfte kapitulieren. Wem nicht die Flucht in kommunistische Staaten gelang, der landete schnell in einem der zahlreichen Folterzentren des griechischen Monarchen, wobei sich die monarchistischen Kräfte schon zuvor massiv mit Kriegsverbrechen hervorgetan hatten. Ganze Dörfer und Landstriche wurden während des Krieges von der griechischen Armee entvölkert, um den kommunistischen Rebellen Operationsmöglichkeiten zu entziehen. Dies stürzte die betroffene Landbevölkerung in eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe. Die griechische Regierung entführte ab 1947 Kinder von Eltern, die mutmaßlich in der Guerilla aktiv waren, und steckte sie in Indoktrinationslager auf der Gefängnisinsel Leros. Nach der militärischen Niederlage wurden tausende Antifaschisten hingerichtet, gezielt ermordet oder systematisch zu Tode gefoltert. Das Thema brannte den US-hörigen Eliten Griechenlands übrigens so unter den Fingern, dass sie 1989 eilig Millionen von Polizeiakten verbrennen ließen, welche die Verbrechen ihrer Seite im Bürgerkrieg dokumentiert hatten. Vier Jahrzehnte zuvor aber hatten die USA, was sie sich gewünscht hatten: einen willfährigen Diener ihrer Interessen. Ein Staat, in dem es keine Linke gab, der Mitglied der NATO wurde und sich vor nichts mehr fürchtete als vor dem Gespenst des Kommunismus.

III. Zwielicht (1950-1967)

Für die nächsten 15 Jahre wirkte Griechenland wie ein einziges Deja Vu der Metaxas-Jahre. Der ehemalige Parteigänger des Diktators Feldmarschall Papagos und der erzkonservative Anwalt Konstantinos Karamanlis standen zwei strammrechte Parteien (der Griechischen Bewegung und der Nationalen Union) vor, die sich gemütlich in der Herrschaft abwechselten. Es dauerte beinahe zehn Jahre, ehe mit den Liberalen eine dritte Partei ins Parlament einziehen durfte, die freilich nicht mehr war als ein Feigenblatt in der griechischen Oligarchie, denn Sozialdemokraten und Kommunisten blieben weiterhin im griechischen Staat verboten.

Allerdings begann sich Anfang der 60er Jahre das Blatt allmählich zu wenden. Vor allem die Jugend äußerte mehr und mehr ihre Unzufriedenheit mit dem engen Korsett, das ihnen der bigotte Konservativismus angelegt hatte. Sie erkoren in dem liberalen Abgeordneten Grigoris Lambrakis ihren Hoffnungsträger, der prompt von den Herrschenden ermordet wurde, was Costa Gavras in seiner genialen Verfilmung des Romans „Z“ von Vassilis Vassilikos verewigte. Erstmals befand sich die Strammrechte in der Defensive, sodass es den Liberalen gelang Ende 1963 die Wahlen zu gewinnen. Im Februar 1964 konnte Jorgos Papandreou ein Kabinett bilden, das nicht von den Rechten kontrolliert war, doch gelang es König, Armee und CIA recht rasch, Papandreou zu stürzen.

Dagegen protestierten nun weite Teile der Bevölkerung, und der Winter 1965/66 verging nicht ohne tägliche Demonstrationen für die Wiedereinsetzung der demokratisch legitimierten Regierung. Kein Wunder also, dass in Athen und Washington bereits Anfang 1966 Pläne ausgearbeitet wurden, eine neuerliche „linke“ Machtübernahme notfalls durch einen Militärputsch zu verhindern.

Die Forderung nach Wiedereinsetzung der Regierung Papandreou, die rechtswidrig vom König abgesetzt worden war, oder nach Neuwahlen – die den Liberalen fraglos eine noch größere Mehrheit beschert hätten – brachte die Rechte in ein schier unlösbares Dilemma. Wollte sie an der Macht bleiben, musste sie den Volkswillen brechen. Und das gelang nur mit roher Gewalt. Am 21. April 1967 putschte die Armee mit Wissen und Einverständnis der US-Amerikaner.

IV. Die Diktatur

Um 6 Uhr früh setzten sich die Panzer der Armee in Bewegung. Rückgrat der Putschisten waren 300 Soldaten einer NATO-Brigade, die allesamt in den USA ausgebildet worden waren. Die Junta ließ den König einen Erlass herausgeben, in dem die bürgerlichen Freiheiten und die Menschenrechte außer Kraft gesetzt wurden. Nur wenig später vereidigte das Königshaus die neue Regierung, in der Oberst Papadopoulos der starke Mann war. Noch am selben Abend begannen weitläufige Verhaftungswellen nach Proskriptionslisten, welche die Junta schon im Vorfeld vorbereitet hatte. Der sicher nicht als links zu verdächtigende „Spiegel“ schrieb damals, dass nicht weniger als 8.000 Personen bereits in der ersten Nacht arretiert wurden. Prominente Häftlinge wie Jorgos Papandreou – sein Sohn Andreas hatte sich durch Flucht der Inhaftierung entziehen können – wurden in einem abgeriegelten Hotel in ein Zimmer gesperrt, die Masse der Verhafteten – Jugend- und Gewerkschaftsfunktionäre, Journalisten, Intellektuelle, Arbeitervertreter, Wissenschaftler, aber auch alte Menschen, von denen die Diktatur wusste, dass sie 25 Jahre zuvor antifaschistisch tätig gewesen waren – wurde in Fußballstadien und Pferderennbahnen unter offenem Himmel gefangen gehalten, ehe sie auf die berüchtigte Folter-Insel Gyanos verschafft wurden, wobei die Junta dabei ankündigte, diese Gefangenen würden die Insel erst wieder als „verfaulende Kadaver“ verlassen. Tatsächlich erhielten die Gefangenen kaum Nahrung und verseuchtes Wasser, sodass, wer nicht direkt an den Folterungen starb, an Mangel und Krankheiten zu Tode kam.

Internationale Proteste – u.a. von Bruno Kreisky, Willy Brandt und Olof Palme – wurden von den USA und ihren griechischen Erfüllungsgehilfen offen ignoriert. In den vier großen Städten Athen, Saloniki, Piräus und Patras sowie auf etlichen Inseln gab es eigene Folterzentren, wo, wie es der Gräzist Heinz A. Richter formulierte, der Grausamkeit der Folterer „keine Grenzen gesetzt waren“. Der Europarat klagte Griechenland schwerer Vergehen gegen die Menschenrechte an und drohte mit Sanktionen, was die Junta jedoch mit ihrem Austritt aus dem Europarat unterlief. Auch die Mobilisierung der Streitkräfte Bulgariens und Jugoslawiens ließ die Faschisten kalt, da sie sich der Unterstützung der USA sicher sein konnten.

Binnen weniger Tage machte die Diktatur Nägel mit Köpfen. Liberale Zeitungen (linke gab es nicht) wurden verboten, eine rigide Zensur eingeführt, das Verfassungsgericht ebenso abgeschafft wie die Verfassung selbst und ein „Notstand“ ausgerufen, der die Bewegungsfreiheit selbst der Normalbürger drastisch einschränkte. Eine allumfassende Überwachung setzte ein, welche die Obristen durch ein weitverzweigtes Spitzelnetz bis in die Sportarenen und Kaffeehäuser nahezu lückenlos durchführen konnte.

Noch im April 1967 wurden alle politischen Parteien, alle Gewerkschaften und Jugendorganisationen verboten, sogar der Heilige Synod der Griechisch-Orthodoxen Kirche wurde aufgelöst und Patriarch Chrysostomos durch den Beichtvater des Königs ersetzt. Sämtliche Bürgermeister wurden ihres Amtes enthoben und durch Militärpersonen ersetzt. Jeder Besuch, und sei es auch nur der alte Opapa, musste den Behörden gemeldet werden und jeder Mensch konnte ohne Ansehen der Person ohne Anordnung verhaftet und beliebig lang ohne Anklage gefangen gehalten werden. Außerdem wurde allen Griechen, die sich im Ausland befanden und keine Ergebenheitsadresse an die Junta abschickten, die Staatsbürgerschaft entzogen, was für Maria Farantouri und Andreas Papandreou ebenso galt wie für Melina Mercouri, die auf diesen Akt mit den Worten reagierte: „Ich bin als Griechin geboren und werde als Griechin sterben. Herr Pattakos (der Innenminister der Junta, Anm. A.P.) ist als Faschist geboren und wird als Faschist sterben.“

Auch vor den Universitäten machte die Faschisierung nicht Halt. Kritische Professoren wurden inhaftiert, indifferente ihrer Lehrstühle für verlustig erklärt und aufmüpfige Studenten exmatrikuliert. Ziel der Junta war es, den gesamten Bildungsbereich nach dem Vorbild einer Militärakademie zu führen.

Die Brutalität, mit der die Junta vorging, schien nach einigen Monaten sogar dem König, der mit ihr anfänglich sympathisiert hatte, zu weit zu gehen. Halbherzig versuchte er daher im Dezember 1967, die extremsten Kräfte in der Junta zu entmachten, ein Vorhaben, das rasch in sich implodierte. Eilig flüchtete der König mit seiner Familie nach Rom, was zur Folge hatte, dass nun auch noch 4.000 königstreue Personen inhaftiert wurden. Die Obristen blieben nunmehr gänzlich unter sich.

Und es gelang ihnen, ihr Regime zu stabilisieren. Der eben erst angelaufene Tourismus spielte ihnen in die Hände, denn er bot den Obristen die Gelegenheit, zahlreichen Menschen Arbeit zu geben, die es sich so ökonomisch gegenüber der Zeit davor verbessern konnten. Ein paar – propagandistisch aufgebauschte – Infrastrukturprojekte wie der Ausbau des Straßennetzes, die Verbesserung der Stromversorgung und die Errichtung einiger Kliniken am Land sorgten zusätzlich dafür, dass sich die Griechen mit dem Regime abzufinden begannen.

Doch der Burgfrieden war von Anfang an brüchig. Die Griechen machten sich über Papadopoulos´ fehlerhaftes Griechisch ebenso offen lustig wie über die permanenten verbalen Entgleisungen seines Innenministers. Und die Brauerei Fix, welche die Junta finanziell und ökonomisch offen unterstützte, verbuchte einen drastischen Umsatzrückgang, da niemand mehr ihr Bier trank.

Offener Widerstand freilich ließ auf sich warten. Die Kommunistische Partei geriet ob der neuen politischen Situation in eine ernste Krise. Während die Führung der – ohnehin verbotenen – Partei in Moskau zu überwintern trachtete, blieb ein kleiner Teil der Kommunisten im Inland aktiv, was zu einer Spaltung der Partei in eine KKE (Ausland) und eine Inlands-KKE (die Keimzelle der späteren SYRIZA) führte, zu der auch Mikis Theodorakis zählte. Der Komponist hatte monatelang aus dem Untergrund heraus Widerstand organisiert, ehe er gefasst, gefoltert und in ein Konzentrationslager verschleppt wurde. Seine Musik war vom Regime schon vorher verboten worden. Wer dabei erwischt wurde, eines von Theodorakis´ Liedern zu hören oder gar selbst zu singen, wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der antifaschistische Widerstand tat sich aus den genannten Gründen relativ lange schwer. Erst, als das Regime aufgrund der makroökonomischen Rahmenbedingungen in eine wirtschaftliche Krise schlitterte – Stichwort Energiekrise 1972 und dadurch bedingte Inflation – wuchs der Unmut über die Obristen recht rasch merkbar an. Es kam zu etlichen Anschlägen auf NATO-Einrichtungen und Symbole der Junta-Herrschaft, wobei die Antifaschisten aber sorgsam darauf achteten, dass keine Personen dabei zu Schaden kamen. Dass die Obristen diesem Widerstand nicht Herr wurden, unterminierte ihre Stellung in der Gesellschaft und ermunterte royalistische Kreise, dem König den Weg zurück zur Macht zu ebnen.

Ihr Putschversuch im Mai 1973 war jedoch in jeder Hinsicht dilettantisch und kostete lediglich Innenminister Pattakos das Amt. Papadopoulos schaffte als Reaktion die Monarchie endgültig ab und ließ sich selbst zum Staatspräsidenten küren. Im Oktober bildete er die gesamte Regierung um, doch was als Befreiungsschlag gedacht war, erwies sich letztlich als der Anfang vom Ende.

V. Die Befreiung

Nur kurze Zeit später, im November 1973, fand in der Kathedrale von Athen ein Gedenkgottesdienst für den verstorbenen Ex-Premier Jorgos Papandreou statt. Die Kirchgänger beschränkten sich jedoch nicht auf die Messe, sondern zogen danach durchs Athener Zentrum und skandierten dabei regimefeindliche Parolen. Papadopoulos wies die Polizei an, rücksichtslos gegen die Demonstranten vorzugehen. Es gab Tote, zahlreiche Verletzte und hunderte Verhaftete, die nur Tage später zum Teil zu drakonischen Haftstrafen verurteilt wurden. Da sich unter den Verurteilten etliche Studenten befanden, reagierte die Studentenschaft mit der Besetzung des Athener Polytechnikums, wo sie die Parole „Psomi, Paidia, Eleftheria“ (Brot, Bildung, Freiheit) ausgab. Die Protestaktion wurde in Windeseile im ganzen Land bekannt, und schon am nächsten Tag hatten sich den Studenten rund 15.000 Arbeiter, Schüler und Jugendliche angeschlossen. Die Universitäten in Saloniki und Patras wurden gleichfalls von tausenden Antifaschisten besetzt. Wieder einen Tag später, am 17. November 1973, stürmte die Junta die Unis. Laut offiziellen Angaben, wurden dabei 23 Studenten getötet, 200 verletzt und an die 1.000 verhaftet. Der „17. November“ ist seitdem ein antifaschistischer Gedenktag in Griechenland, der nicht nur von der Linken hochgehalten wird.

Zwar hatte das Regime die Auseinandersetzung noch einmal gewonnen, aber die Faschisten trauten Papadopoulos nicht mehr zu, die Lage wirklich kontrollieren zu können. Ende November 1973 wurde er gestürzt und durch Geheimdienstchef Ioannidis ersetzt. Der hatte jedoch von Anfang an einen schweren Stand. Sein wichtigster Verbündeter, die USA, durchliefen ob des Watergate-Skandals eine tiefe Krise, zudem verschärfte sich der Konflikt mit der Türkei über die Zukunft Zyperns. Ioannidis sah gerade darin die Chance, seine Herrschaft wieder zu stabilisieren, indem er eine bewaffnete Auseinandersetzung mit der Türkei provozierte, um so das eigene Volk gegen einen gemeinsamen Feind zu einen.

Sein Plan sah dabei vor, Zyperns Staatspräsident Makarios zu stürzen und den Anschluss der Insel an Griechenland zu proklamieren. Die Aktion startete am 15. Juli 1974 und schlug von Anfang an fehl. Makarios entkam seinen Häschern, und die Türkei machte prompt gegen die griechische Invasion mobil. Binnen einer Woche hatte die Türkei ein Drittel Zyperns besetzt, und die Obristen mussten am 22. Juli aus Zypern abziehen.

Nun ging alles ganz schnell. Der von Ioannidis eingesetzte Marionettenpräsident Gizikis entwickelte Eigeninitiative und holte den exilierten Konstantinos Karamanlis zurück, der bereits am 24. Juli eine bürgerliche Regierung bildete. Die Nachricht war kaum im Rundfunk verbreitet worden, als das Volk in unüberschaubaren Massen auf die Straßen strömte. Die Nacht des 24. Juli 1974 ging als riesiges Volksfest in die Geschichte ein. 5.000 Studenten gedachten im Polytechnikum der Opfer vom November 1973, die neue Regierung verfügte die Freilassung aller politischen Gefangenen. Selbst Theodorakis, Mercouri und andere konnten sich endlich wieder frei bewegen. Im Karaiskakis-Stadion fand vor 100.000 Zuschauern ein großes Freiheitskonzert statt, an dem alles, was im griechischen Antifaschismus Rang und Namen hatte, auftrat. Dieses einzigartige Ereignis wurde in dem Film „Die Tragödie des Feuers“ (Tragoudia tis fotias) festgehalten. Der Faschismus war politisch überwunden, seine Schatten freilich währen bis zum heutigen Tag.


Titelbild: Lana Pajdas / Pixabay

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