32-Stunden-Woche, aber wie?
Während die Industriellenvereinigung mit Vorschlägen für eine 41-Stunden-Woche provoziert, fordert die SPÖ 32 Stunden – bei vollem Lohnausgleich. Daran kann es nicht scheitern, kommentiert Josef Stingl, der Lohnausgleich wurde längst durch die Steigerung der Produktivität erarbeitet. Mehr noch: Ein zusätzlicher Produktivitätsausgleich wäre angebracht.
Ende April verlangte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer die 41-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Zwei Wochen später erklärte IV-Präsident Georg Knill, dass dies nur eine “bewusste Provokation zur 32-Stunden-Woche der SPÖ” gewesen sei. Eigentlich braucht es eine halbe Stunde mehr Arbeit pro Tag: Eine 42,5 Stunden-Woche also?
Nein, “knillt” der IV-Präse vorsorglich. Er verweist auf die Statistik-Austria-Berechnung, wonach in Österreich die Pro-Kopf-Erwerbsarbeit-Leistung bei nur 29,5 Wochenstunden liege und er daher verlange, wer freiwillig nur in Teilzeit arbeite, solle höhere Beiträge für den Sozialstaat leisten: bei der Pension, dem Krankenversicherungssystem, der Arbeitslosenversicherung und der Lohnsteuer.
Warum es nur bei den freiwillig in Teilzeit Beschäftigten zu Änderungen kommen soll und nicht auch bei den von den Unternehmen verpflichteten Teilzeitzeitler:innen verschweigt Knill wissentlich. Die flexiblere und produktivere Einsatzmöglichkeit von Teilzeitbeschäftigten berechtigt durchaus höhere unternehmensbezogene Sozialbeiträge für die “zwangsverpflichteten” Teilzeitjobs.
Das Ziel ist klar, die Umsetzung im Unklaren
Weil SPÖ-Chef Andreas Babler eine 32-Stunden-Woche für möglich und angebracht hält, ordnet ihn der IV-Präsident als „Märchenonkel“ ein. Unverständlich, denn rein rechnerisch ergibt Knills wöchentliche 2,5 Stunden Mehrarbeit aufgrund der wöchentlichen 29,5 Stunden Pro-Kopf-Arbeitsleistung zielgenau Bablers 32-Wochenstunden-Forderung.
Das Gepoltere beider Seiten ist eigentlich unangebracht. Sinnvoller ist, wenn sich SPÖ-Chef Babler und IV-Präsident Knill zusammensetzen und gemeinsam darüber hirnen, wie aus der durchschnittlichen Verteilung der Wochenarbeitszeit eine gerechte werden kann – also die Teilzeitbeschäftigen auf die 32 Wochenstunden aufgestockt und die Vollzeitbeschäftigten auf die 32-Wochenstunden reduziert werden sollen.
Am “Problem Lohnausgleich” kann es jedenfalls nicht scheitern. Der volle Lohnausgleich wurde längst durch die jahrzehntelang unabgegoltene Produktivitätssteigerung erarbeitet. Da alle 32-Stunden-Woche-Pilotversuche als Ergebnis weniger Kranksein und daher mehr Produktivität brachten und Knill auf eine Studie von EcoAustria verweist, nach der diese Maßnahmen ein plus von 1,2 Prozent an Wirtschaftswachstums führen, ist nicht nur der volle Lohnausgleich, sondern auch ein zusätzlicher Produktivitätsausgleich angebracht.
Eine mathematische Denksportaufgabe für Babler, aber auch für ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian und AK-Präsidentin Renate Anderl. Aber das ist eine ganz andere Geschichte…
Titelbild: Stanisław Gregor auf Unsplash
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