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Transformativer Journalismus

Die Politik ist gefordert, die Existenz von Qualitätsmedien und deren Vielfalt zu gewährleisten, schreibt Ilse Kleinschuster im Gastbeitrag.

Am 3. Mai 2023, dem Tag der Pressefreiheit, hat der FURCHE-Redakteur Otto Friedrich in seinem Artikel bedauert, dass es weder Plan noch Vision für den ORF gäbe. Das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt habe, sei mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land, sondern es sei der Verfassungsgerichtshof gewesen, der eine Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt verlangte. 

Und vor kurzem lese ich da, wieder in der Furche, dass die Debatte über ORF-Spitzengehälter von den dringlichsten medienpolitischen Aufgaben ablenke. Ja sicher, diesbezüglich seien wohl vor allem Interessen vonseiten der Politik ein grundlegender Faktor für die Problematik einer Reform hin zu politisch unabhängigen Medien – speziell das Interesse der Regierung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Bald jährt sich der Welttag der Pressefreiheit

Das heißt, am 3. Mai 2024 werden wir daran erinnert, dass sich unabhängige und freie, demokratische Länder verpflichtet haben (qua der UN-Erklärung der Allgemeinen Menschenrechte) die Öffentlichkeit unabhängig und zutreffend über aktuelle Entwicklungen zu informieren, Missstände aufzuzeigen und durch Kritik und vielfältige Diskussion zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen. Um dies erfüllen zu können, müsste die Medienlandschaft eines Landes frei, vielfältig und unabhängig von wirtschaftlicher oder politischer Beeinflussung sein. Ist sie das?

Das wurde wohl durch die digitale Transformation, wie sie die Medien aller Art zurzeit erleben und erleiden, verhindert. Umso mehr würde das Thema ‚Pressefreiheit‘ eine politische wie gesellschaftliche Diskussion der Sonderklasse verlangen. Denn Medienbetreiber müssen existieren und Journalist*innen von etwas leben können. Weil jedoch klassische Erlösmodelle weggebrochen sind – die Werbung von den internationalen Technologiegiganten abgesaugt wird – bleiben Alternativen im demokratischen Graubereich.

Somit ist auch zu erklären, warum das neue Gesetz zum ORF, das die Bundesregierung vorgelegt hat, mitnichten ein Produkt des Diskurses über Medien im Land gewesen sein kann, sondern erzwungen worden ist aufgrund der Forderung des Verfassungsgerichtshofs nach einer Neuaufstellung der Finanzierung der größten Medienanstalt. Erst, weil etwas zu reparieren war, handelte die Regierung!

Freie Meinungsäußerung ist ein zentrales Element für eine funktionierende kritische Öffentlichkeit

Daher sollten wir uns stärker für die Verteidigung der UN-Menschenrechte einsetzen, bilden sie doch die Grundlage für eine gerechte und vernünftige Gesetzgebung in einer gewaltenteilenden, rechtsstaatlichen Demokratie. Jetzt, in dieser krisengeschüttelten Zeit, in der es vor allem auch um Klimagerechtigkeit geht täten wir gut daran, die Forderung der UNO nach nachhaltiger Entwicklung zu beachten: ihren globalen Plan, wie klimafreundliches Handeln zur Regel werden könnte. Leider finden sich die Mainstream-Medien nur sehr zögerlich bereit, darüber konstruktiv zu berichten.

Schon seit vielen Jahren wird von kompetenten Leuten „Transformativer Journalismus“ eingefordert. Als engagierte Umwelt- und Klimaaktivistin treibt mich das Thema um, weil ich glaube, dass klimafreundliches Handeln erst zur Regel werden kann, wenn Medienförderung an die Einhaltung ethischer Grundsätze gebunden wird.

Daher mein Appell für Nachwuchsausbildung im Bereich transformativer Journalismus!

Es ist jetzt schon wieder 5 Jahre her, dass ich in der „Wiener Zeitung“ gelesen habe, dass sie zusammen mit dem Kuratorium für Journalistenausbildung Praktikantinnen und Praktikanten in journalistischen Grundlagen geschult haben. In ihrem Ausbildungsprogramm werden Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Profis in den Grundelementen des journalistischen Handwerkszeug unterrichtet. Dazu vergab die Wiener Zeitung Praktikumsstellen in ihren Ressorts. 

So weit, so gut! Aber, wie wird das heute gehandhabt? Ich fürchte, es gibt da wieder eine Bezahlschranke. Traurig, wo es doch vor allem junge, oft noch mittellose Menschen betrifft, die sich vielfach bereits als die „letzte Generation“ gerieren. Sie schreiben auch gegen die Verhältnisse an, aber zumeist in einschlägigen Medien. Ich frage daher, sollte nicht gerade diese Generation journalistisch ausgebildet und für die drängenden Fragen der Zukunft fit gemacht werden? 

Man sollte Strukturen schaffen, in denen eine Kooperation mit diversen Initiativen im NGO-Bereich, die es bereits aus ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement heraus zu einem gewissen Expertentum gebracht haben, niederschwellig möglich sind. Freiwillige aus den Reihen der initiativen Zivilgesellschaft könnten dort ihre Erfahrung und ihr Wissen weitergeben, was, hopefully, in einer Art Bürger-Journalismus münden würde. Nach und nach könnten Bürgerinnen und Bürger zu „Meistern“ werden, die in „Werkstätten“ (seinerzeit erachtete ich die Wiener Zeitung als einen möglichen Ort) eine Art Praktikantenausbildung zur Verfügung stellen. Ich dachte, das wäre ein nicht zu unterschätzender Ansatz, um endlich Bürgerbeteiligung aus der Wissenschaft in die Medienwelt zu übertragen: Theorie- und Praxisgruppen zusammenzuführen, Medienentwickler, Netzwerker und Campaigner auf der Theorie-Seite und Neu-Journalisten in der Praxis. Sozusagen, eine Werkstatt für Transformation, die sich um transformativen Journalismus kümmert. Dazu braucht es nur noch einen Kümmerer, sozusagen einen Redakteur, bzw. ein Redaktionsteam!

Darüber hinaus ginge es dabei darum, gemeinsam mit Nachhaltigkeits-Expert*innen und relevanten Vertretern aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft dieses Know-how aus der Vielfalt von Pilotprojekten für ein internationales Roll-out verfügbar zu machen. Denn: Spätestens mit der Umsetzung der NFI-Richtlinie in Österreich hat sich die Nachhaltigkeitsberichterstattung nicht nur als Pflicht großer Unternehmen etabliert, sondern findet auch als Kür kleinerer und mittlerer Unternehmen immer weitere Verbreitung. Wenn nun aber dabei bereits auch internationale Regelwerke wie das der Global Reporting Initiative (GRI) angewendet werden, so bleibt der Beitrag zu echter Nachhaltigkeit immer noch verschwindend gering. Unternehmen/Organisationen, die sich strengen Nachhaltigkeitskriterien verpflichtet fühlen, fällt es immer schwerer, sich von der Masse der „berichtenden“ Unternehmen abzuheben. Zählen und erzählen im Sinne der demokratischen Transformation wären dafür die richtigen Kommunikationsinstrumente.

Diese Ideen stammen aus der Werkstatt der Cooppa-Genossenschaft die nach fünf jährigem Bestehen wahrscheinlich, mangels Finanzierbarkeit, bald zu Grabe getragen werden muss. Am heutigen Donnerstag, den 18. April 2024, ist eine Generalversammlung angesetzt, bei der darüber beschlossen werden soll.


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Titelbild: Ashni auf Unsplash

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2 Gedanken zu „Transformativer Journalismus

  • Diesen Artikel finde ich ausgezeichnet.
    Ich hoffe sehr, dass …“Diese Ideen stammen aus der Werkstatt der Cooppa-Genossenschaft die nach fünf jährigem Bestehen wahrscheinlich, mangels Finanzierbarkeit, bald zu Grabe getragen werden muss.“

    Antwort
  • Transformativer Journalismus baucht starke JournalistInnen
    Es gibt auch in Österreich transformative JournalistInnen, aber sie sind kaum in Massenmedien zu finden. Da gibt es interessante Sendungen auf Ö1, da können HörerInnen in punkteins sogar mitreden. Auch im ORF kommen aufklärerische Sendungen vor. Das Abdrehen der Wiener Zeitung war eine besondere demokratiepolitische Fehlleistung gegen Interventionen ihrer LeserInnen und des who is who der österreichischen Intelligenz. (Diese erfolglosen Einsprüche zahlreicher, wichtiger Persönlichkeiten vermitteln wie unnötig Partizipation ist). Die Kriterien der österreichischen Presseförderung entsprechen dem Niveau der PolitikerInnen und dieser Medien: Politiker konzentrieren sich auf irgendwelche spektakuläre Aussagen und die Journalisten freuen sich über einfache Berichtsmöglichkeiten. Wirkliche politische Probleme werden nicht angesprochen, was für beide Seiten das Arbeiten einfacher macht (gemäß R. Mausfeld „Warum schweigen die Lämmer“) und die Leserinnen ablenkt. Diese Zeitungen finde ich entbehrlich Ich kenne auch transformative Zeitschriften: Südwind, MO, Unsere Zeitung und die Volksstimme. Es gibt darüberhinaus zahlreiche Newsletter verschiedener engagierter Organisationen. Außerdem möchte ich mich nicht über Zeitungsartikel ärgern, es regen mich die Tatsachen schon genug auf. Für die „sozialen Medien“ möchte ich meine Zeit nicht vergeuden. Die Werkstatt der Transformation bleibt ein Minderheitenprogramm, solange das „weiter wie bisher“ nicht weh tut.

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