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Der Senegal wählt im Ramadan

Am 24. März wird im Senegal gewählt, so viele Kandidat*innen wie nie zuvor treten an. Trotz Protesten und politischen Krisen ist die Demokratie im westafrikanischen Land weitgehend intakt, die Wirtschaft hat sich gut entwickelt. An die ärmeren Bevölkerungsschichten wurde allerdings weniger gedacht.

Von David Bieber

Dass Senegals Präsident Macky Sall durch die Verschiebung der Präsidentschaftswahlen, die eigentlich Ende Februar hätten abgehalten werden sollen, viel Vertrauen verspielt hat, liegt auf der Hand. Sall, der seit 2012 an der Macht in dem westafrikanischen Staat ist, hatte die Wahlen kurzerhand verschoben wegen verfassungsrechtlichen Bedenken und mittels Abstimmung der Nationalversammlung in Dakar auf ein unbestimmtes Datum verschieben lassen. Von Dezember war die Rede. Sall wäre somit bis mindestens Dezember 2024 im Amt geblieben. Viele befürchteten einen „institutionellen Putsch“ auch in Senegal. „Viel zu spät wäre das. Wir warten auf die Wahlen und wollen den Wechsel“, sagt Abdou Mbaye. Er ist Jurist, lebt und arbeitet in einer Kleinstadt etwa 100 Kilometer landeinwärts von der Hauptstadt Dakar.

Auf Druck der Straße, die seit drei Jahren massiv gegen Sall und seine vermeintliche Klientelpolitik protestiert, kritischer Medien und der Opposition, die seit der Parlamenstwahl von 2022 an Stärke gewinnt, werden die lang ersehnten Präsidentschaftswahlen jetzt bereits am Sonntag, 24. März, stattfinden. Das hat der Verfassungsrat Anfang März in einer Entscheidung offiziell bestätigt. Den Verfassungshütern kam es darauf an, dass die Wahl vor dem 2. April – und damit vor Ablauf der Amtszeit von Sall – abgehalten werden.

Intakte Demokratie

Trotz der Proteste, der politischen Krise und der Wahlverschiebung scheint die für westafrikanische Verhältnisse doch relativ intakte Demokratie kaum Schaden genommen zu haben. Darin sind sich Beobachter aus dem In- und Ausland einig.

Inge Herbert, langjährige Leiterin der liberalen Friedrich-Naumann-Stifung in Dakar, meint, dass die Demokratie in Senegal nach wie vor stabil sei. „Reaktionen von der Zivilgesellschaft und der Bevölkerung in Senegal und dass Macky Sall jetzt infolge des Urteils des Verfassungsgerichts die Wahlen für Ende März angekündigt hat, zeigen eine hohe Resilienz der senegalesischen Demokratie.“

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Der Ausgang der Wahlen sei jetzt aus Sicht Herberts völlig offen. „Senegal hat sich wirtschaftlich unter Macky Sallys Regierung gut entwickelt, zugleich hat, wie in vielen Nachbarländern, die breite Bevölkerung nicht ausreichend von dieser wirtschaftlichen Entwicklung profitiert.“ Ähnlich sehen dies auch andere Experten wie etwa der Leiter Westafrika der linken Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Claus-Dieter König. Er sagte gegenüber der Redaktion, dass Leuchtturmprojekte wie ein neues Nationalstadion, eine moderne Trabanten-Stadt mit schneller Bahnverbindung nach Dakar geschaffen worden sind unter zwölf Jahren Sall, aber an die Belange und Bedürfnisse der armen Bevölkerungsschichten kaum gedacht worden ist.

Der senegalesische Journalist Coumba Ndoffène analysiert, dass die derzeitige politische Krise im sonst so ruhigen 17-Millionen Einwohnerland zwar die mit Abstand heftigste mit mehr als 40 Toten seit 2021 seit vielen Jahren gewesen ist, dennoch die senegalesische Ökonomie kaum darunter gelitten hat. „Kurzfristig waren die Lieferketten gestört und unterbrochen und Investition flossen nicht wie gewohnt. Jetzt ist es wieder ruhiger und die Wirtschaft läuft wie immer.“ Insgesamt ständen die Zeichen eher auf Versöhnung denn auf weitere Eskalation. Zudem hat der Fastenmonat Ramadan im muslimischen Senegal in dieser Woche begonnen.

Kandidat*innen-Rekord

Um den Senegal nicht nur wirtschaftlich weiter voranzubringen, gehen nun 19 Personen ins Rennen. So viele wie nie zuvor. Nachdem Rose Wardini ihre Kandidatur zurückgezogen hat, bleibt Politikneuling und Unternehmerin Anta Babacar Ngom die einzige Frau. 2016 übernahm sie das Geflügelfirma ihres Vaters. Sie gilt allerdings als chancenlos, meint etwa „die Tageszeitung“, kurz taz, aus Berlin.

Neben dem aus Wahlkampfzwecken seit einer Woche von seinem Amt freigestellten Ex-Premierminister Amadou Ba, der sich anschickt, Sall zu beerben als Präsident des Senegals, geht mit Bassirou Diomaye Faye ein bekannter Oppositioneller in die richtungsweisende Wahl am 24. März, zu der Macky Sall aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mehr antreten darf. Es könnte zu einer Stichwahl zwischen Ba und Faye kommen. Alle anderen Kandidaten sind nicht sonderlich bekannt und haben maximal Außenseiterchancen; zumal auch der Sohn des Ex-Präsidenten Abdoulaye Wade, Karim Wade, von der Wahl ausgeschlossen worden ist. Er besitzt wohl neben der senegalesischen auch die französische Nationalität und hat weitere formelle Kriterien für die Wahl nicht erfüllt.

Faye, aus der früheren und seit mehr als einem halben Jahr verbotenen Pastef-Partei vom von der Wahl ausgeschlossenen Hoffnungsträger der Jugend Senegals, Ousmane Sonko, sitzt allerdings genauso wie sein früherer Chef, Sonko, noch im Gefängnis. Ein neuer und umstrittener Amnestieentwurf, den das Parlament Anfang März verabschiedete, erlaubt es ihm nun, doch noch an der Wahl teilzunehmen und vor allem auch Wahlkampf machen zu können. Wenn auch nur sehr kurz. Ihm bleiben wie allen anderen Kandidaten nur noch knapp eine Woche, um die etwas mehr als sieben Millionen wahlberechtigten Senegalesen im In- und Ausland von sich zu überzeugen. „Der Wahlkampf ist natürlich sehr kurz und wenig bewegend im Vergleich zu sonst. Auch, weil zurzeit Ramadan ist und wir uns auf unsere Religion konzentrieren und fasten“, sagt Journalist Ndoffène

Amnestie, aber nicht für alle

Der Entwurf des Amnestiegesetz sieht vor, dass für alle Handlungen, die im Zusammenhang mit den politischen Protesten zwischen 2021 und 2024 geschehen sind, Amnestie gilt. Pikant: Auch Beamten, die für schwere Menschenrechtsverletzungen während der Unruhen verantwortlich sind, werden somit faktisch straffrei bleiben. Sonko ist wegen einer anderen Sache strafrechtlich verurteilt worden und inhaftiert. Er kann sich auf die Amnestie nicht berufen und ist daher ausgeschlosssen von der Wahl. Bei der vergangenen Wahl im Jahre 2019 wurde er noch Dritter. Sall fürchte die Jugend und ihr mächtiges Sprachrohr, Ousmane Sonko, hat es oft geheißen. Auch war von politischen Prozessen gegen Sonko und seine linkspopulistische und panafrikanische Pastef-Partei die Rede.

„Ein neues Regime, etwa unter dem Oppositionsführer und Populisten Ousmane Sonko verspricht der Bevölkerung vieles, gleichzeitig birgt es viel Unsicherheit in Hinsicht auf Religion, Allianzen und regionale Stabilität“, schätzt Inge Herbert.


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Titelbild: aboodi vesakaran auf Pexels

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