Wie kann die sozial-ökologische Transformation gelingen?
Naturbasierte und sozialbasierte Lösungen sind zwei Seiten einer Medaille, wenn es um die Kosten für soziale und ökologische Gerechtigkeit geht.
Ein Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster
Noch voll der Zuversicht angesichts der diversen möglichen ‚Krisen-Lösungen‘ in Richtung sozial-ökologische Transformation wie sie mir in der letzten Zeit untergekommen sind (in Publikationen z.B. von Harald Welzer, R.D. Precht, Alexander Behr, auch auf medial leicht zugänglichen Plattformen (z.B. ORF/Ö1, 3-SAT, ARTE), will ich jetzt den Versuch wagen mir auszumalen, wie es ‚uns‘ gelingen könnte, aus diesen eher natur- und sozialbasierten Lösungsansätzen echte GAMECHANGER zu machen. Um einem solchen Unterfangen eine Chance zu geben, braucht es euer aller Unterstützung.
Ich möchte zunächst daran erinnern, dass es offensichtlich der Menschheit nicht gelungen ist, ein bis jetzt (noch) erfolgreiches Gesellschaftsmodell, das seinen Siegeszug global ausgeweitet hat (selbst kommunistische und gerade noch kommunistische Länder frönen ihm) vor der roten Grenze seines Funktionierens zu bewahren. Die Folgen (ein aufgrund der Emissionen aus dem Takt gebrachtes Klima) sind unabsehbar und ziemlich klar ist das Ende, die Unbeherrschbarkeit der Folgen – es sei denn! – es gelingt uns ‚unser‘ auf Wachstum, auf Ausbeutung von Mensch und Naturressourcen basierendes Wirtschaften noch rechtzeitig zukunftsfähig zu machen.
Wenn ich hier von ‚unserem Wirtschaften‘ rede, dann meine ich natürlich dieses in unserem und den meisten europäischen Ländern vorherrschende Wirtschaftssystem, gegen das vonseiten der Arbeitnehmer eine immer defensiver werdende Haltung eingenommen wird, weil immer stärker vonseiten der bürgerlichen Protestbewegungen auf den Interessenskonflikt zwischen dem einen obersten und den restlichen 99 Prozent der Vermögensbesitzer aufmerksam gemacht wird.
Es wird von vielen Menschen eingesehen, dass es dieses Establishment (diese Markteliten) braucht, um zu arbeiten, einzukaufen, zur Wahl zu gehen, sich angepasst zu verhalten – und um all dies freiwillig zu tun. Aber könnten ‚wir‘, die mehr oder weniger Betroffenen, dieses Establishment nicht dazu veranlassen, für diese Freiwilligkeit einen Preis zu bezahlen – den Preis der sozialen Gerechtigkeit? Nun ja, so leicht geht das nicht – erst müssten wir diese Art von Wirtschaften überwinden und eine sozial-ökologische Transformation umsetzen, so meint zumindest Alexander Behr, Politikwissenschafter, internationaler Netzwerker und Autor von „Globale Solidarität“.
Und, wie steht es dann um den Preis der ökologischen Gerechtigkeit? Wie ich aus Kreisen der Scientists for Future erfahren habe, werden mittlerweile auch von den IPCC-Berichten „disruptive Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur“ gefordert und im neuen Bericht an den Club of Rome wird deutlich gemacht, dass sich im kommenden Jahrzehnt die schnellste wirtschaftliche Transformation der Geschichte vollziehen muss.
Wären wir also wirklich vernünftige Wesen d.h. fähig, nicht nur vernünftig zu denken, sondern auch vernünftig zu handeln, dann könnten wir es vielleicht noch schaffen, sozusagen durch eine scharfe Kehrtwende in Richtung „zurück zur Natur“. Könnte diese Entwicklung wirklich noch reguliert werden – sind ´loss and damages‘ nicht zu groß? Sollten wir in Richtung „Gaia“ umschwenken – ein Begriff, der für das komplexe, sich selbst reproduzierende Erdsystem steht, der die Wechselbeziehungen zwischen geologischen, atmosphärischen, ozeanischen und Bioprozessen in den Blick nimmt und auf James Lovelock zurückgeht.
Aber reagieren wir nicht auf globaler Skala (auch) aufgrund der Treibhausgasemissionen – und in Anpassung an den unabwendbaren Klimawandel – bereits ohne globale Regulierung, solange Macht sich an einer Stelle der Welt akkumuliert und an einer anderen Stelle angewendet wird; ihr Wesen ist nun mal partikularistisch und nicht universal – nicht alle können sich gegenseitig ausbeuten.
Also sollten wir einsehen, dass wir auf diesem ‚Raumschiff ERDE‘ miteinander auskommen müssen. Wie aber schaffen wir es, dieses ‚Auskommen‘ vernünftig zu gestalten? Der Klimawandel als planetare Herausforderung führt uns unabweisbar zu Fragen unseres Handelns; diese sollten möglichst nicht nur zu Fragen der technischen Abhilfe führen.
In dem oben erwähnten Bericht an den Club of Rome werden fünf Kehrtwenden gefordert. Die beiden wichtigsten sind wohl: Die Beendigung der Armut und die Beseitigung der eklatanten Ungleichheit, denn solange diese Armut und Ungleichheit existieren, können nicht alle Menschen auf dem Weg in Richtung umwelt- und zukunftsverträgliche Wirtschaftsweise mitgenommen werden. Wenn die Ärmsten und Schwächsten zurückbleiben, werden sie unweigerlich zum Preis für ökologische Gerechtigkeit.
Diese Überlegungen führen mich zur Frage:
Ist die klassenlose Gesellschaft nicht mehr nur die Erfüllung eines Menschheitstraums, sondern fungiert sie jetzt auch „sehr nüchtern als Bedingung der Menschheitserhaltung in der bevorstehenden Krisenepoche“ (Zitat von Hans Jonas)?
Braucht es ein aufgeklärtes Eigeninteresse in der obersten Klasse –, oder würde es schon genügen, wenn mehr Kohärenz in der Zusammenarbeit bei internationalen Handelsabkommen vorherrschte?
Die Suche nach Antworten auf derlei Fragen zwingt zur Auseinandersetzung damit, wer zu dieser Gesellschaft zählen soll und wie Partizipation gestaltet werden soll – aber auch, wie materielle und immaterielle Güter wie Einkommen und Bildung verteilt werden sollen.
Ich meine, es ist eine Gesellschaft eher in der Lage dringende Probleme zu lösen, die nicht Verzicht, sondern großzügige Teilhabe und Engagement für ein besseres Klima in der Gesellschaft favorisiert. Erst eine solche Gesellschaft wird imstande sein, künftige Entwicklungspotentiale zu fördern – und sei es zunächst einmal nur in Form eines Bedingungslosen Grundeinkommens.
Aber ich glaube auch, dass „wir über ein bedingungsloses Grundeinkommen hinausgehen müssen, damit Arbeit (wie ich sagte: ‚unser Wirtschaften‘) wirklich zu einem Schlüssel gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Veränderung werden kann – und Menschen frei und gut arbeiten können. Welchen Stellenwert wir Arbeit geben und wie wir das Thema behandeln, bestimmt, in welche Richtung wir uns als Gesellschaft bewegen. Zählen nur Profite und Wachstum oder wollen wir nachhaltig leben? Wenn Letzteres der Fall ist, dann muss eine Reform der Arbeit de-kommodifiziert werden: Sie ist keine Ware, sondern eine gesellschaftlich wertvolle menschliche Tätigkeit, deren Preis und Wert nicht durch Marktmechanismen bestimmt werden dürfen.“ (Barbara Prainsack, „Wofür wir arbeiten“, Brandstätter Verlag)
In diesem Sinne – gehen wir’s an! – Halten wir uns und unsere Entwicklungspotentiale aufrecht, ohne aber dadurch irreversible Schäden und Verluste zu erzeugen – werden wir Gamechanger!
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Titelbild: Nathan Dumlao auf Unsplash