Österreich im All: Das unentdeckte Land?
Der Weltraum: unendliche Weiten, die nie ein Mensch zuvor betreten hat. So oder so ähnlich beginnen viele Sci-Fi-Romane. Der Griff nach den Sternen und in die Weiten des Weltraums ist heute nicht mehr so utopisch, wie er sich anhört. Denn der Weltraum ist schon heute stark umkämpft: Private Unternehmen schaffen digitale Infrastrukturen, die ehemals staatliche Raumfahrt wird kommerzialisiert und die ersten Tourist:innen brechen auf in die Umlaufbahn der Erde. Der Weltraum ist auch Ausblick auf ein Versprechen. Ein Versprechen nach endlosen Ressourcen, nach denen es nur zu greifen gilt. All dies sind aktuelle Entwicklungen, die wirtschafts-, gesellschafts- und umweltpolitische Auswirkungen haben. Auch für Österreich: ein Land mit einem kleinen, aber hochpotenten Weltraumsektor, der Teil der internationalen Spitzentechnologie ist.
Von Christian Berger & Michael Soder, AK Wien (A&W-Blog)
Die Unendlichkeit des Alls und die Suche nach Einfluss und Ressourcen
Neue Missionen in Richtung Weltraum sind in Planung, neue Förderprogramme werden eingesetzt oder bestehende aufgestockt. Der Strom an Geldmitteln in die Erforschung und Erkundung des Alls oder des Orbits ist dabei oft sicherheits- oder verteidigungspolitisch motiviert. Wer die digitale Infrastruktur im All besitzt und steuert, hält auch die Geschicke der planetaren digitalen Wirtschaft in seinen Händen. Es geht um politische Macht und Einfluss, die sich in den Händen privater Unternehmen oder Staaten befinden: Wer errichtet am schnellsten die Infrastrukturen und verfügt über digitale Daten aus dem Orbit. Die Kommerzialisierung der Satelliteninfrastruktur wird damit zu einem neuralgischen Punkt und zur gesellschaftspolitischen Frage.
Auch der Ressourcenhunger unserer Wirtschafts- und Lebensweise treibt uns immer mehr in Richtung Weltraum. Der Abbau von Rohstoffen am Mars oder die Vergabe von Schürfrechten auf dem Mond sind mittlerweile nicht mehr ausschließlich der Stoff, aus dem Sci-Fi-Romane geschrieben werden. Zu alldem gibt es bereits erste ernsthafte Überlegungen und die Beschäftigung mit den technischen Herausforderungen, die es dafür zu lösen gilt. Damit hat der „Space-Sektor“ industriepolitische Relevanz.
Aufbruch zum „New Space“
In den Debatten rund um die Zukunft der Weltraumnutzung wird viel über das Verhältnis zwischen „Old Space“ und „New Space“ gesprochen. Wobei „Old Space“ die traditionelle Raumfahrt meint und „New Space“ den Aufbruch in die Zukunft der Kommerzialisierung des Alls. Dabei wird staatlichen Akteuren ihre federführende Rolle strittig gemacht. An ihre Seite treten auch private Akteure – Start-ups und Unternehmen –, die mithilfe von privatem Risikokapital die Weltraumforschung und -aktivitäten vorantreiben und ein neues Zeitalter der kommerziellen Weltraumnutzung einläuten möchten.
Anhand dieser knappen Übersicht zeigen sich die enormen und vielfältigen Entwicklungen, die sich derzeit im Weltraumsektor abspielen. Getrieben werden sie unter anderem auch von digitalen disruptiven Technologien, dazu zählen Big Data, künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und 5G. Sie bereiten neue Anwendungsfelder für den Weltraumsektor auf und über kurz oder lang werden sie die Kommerzialisierung des gesamten Ökosystems „Weltraum“ maßgeblich verändern.
K&K im Weltraumsektor: Kommerzialisierung und Konzentration
Weltraumprogramme haben vielfältigen wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Nutzen. Effizienzgewinne, Kosteneinsparungen und Kostenvermeidung in der Telekommunikation oder der Erdbeobachtung sind nur exemplarische Beispiele dafür. Aus dem Ökosystem „Weltraum“ kommen technologische Fortschritte, die unter anderem für Verteidigung, Verkehr, Wetter, Umweltmanagement und die Beobachtung der Klimakrise nutzbar sind. Gerade im Hinblick auf die sich verschärfende Klimakrise liefert das Satellitensystem rund die Hälfte der wichtigen Beobachtungsvariablen.
Die finanziellen Mittel, die in den Weltraumsektor fließen, wuchsen in den letzten Jahrzehnten wieder deutlich, auch aufgrund von sicherheits- und militärpolitischen Überlegungen. Die öffentlichen Raumfahrtbudgets haben in den letzten Jahren wieder den höchsten Stand seit den 1960er Jahren und der Apollo-Mission erklommen. Rund die Hälfte des Budgets fällt hier auf die USA, dicht gefolgt von China, Japan und Frankreich. Doch dadurch besteht auch die Gefahr einer kommerzialisierten Konzentration. So hängt das Funktionieren von globalen Navigationssystemen von wenigen Anbietern ab. Satellitendaten und Weltrauminfrastruktur entwickeln sich in unserer hoch digitalisierten Wirtschaft und Gesellschaft somit zu kritischen Infrastrukturen. Und ihre Bedeutung wird in den kommenden Jahren auch weiter wachsen.
Daran und an vielen weiteren Beispielen sieht man bereits die Bedeutung der Satellitenwirtschaft. Von der 366 Milliarden Dollar schweren Weltraumökonomie entfallen rund 217 Milliarden Dollar (oder 60 Prozent) auf die Satellitenwirtschaft. Die Grafik unten schlüsselt hierzu die Teilbereiche auf und gibt einen Überblick über die Struktur der derzeitigen Weltraumökonomie.
Aufbruch ins All Made in Austria
Genau im Segment der Satellitenindustrie liegen auch die besonderen Stärken der österreichischen Weltraumwirtschaft. Die österreichische Plattform „Austria in Space“ beschreibt den österreichischen Weltraumsektor als innovativ, potent und international anerkannt. Rund 150 Organisationen aus der Privatwirtschaft (60 Prozent), dem Wissenschaftssektor (30 Prozent) und öffentlichen oder sonstigen Organisationen (10 Prozent) bilden den österreichischen Weltraumsektor. Mit über 1.000 Beschäftigten und einer Beschäftigungsquote in Forschung & Entwicklung von 70 bis 80 Prozent ist der Sektor zwar nicht sonderlich groß, aber ein wichtiger Hochtechnologiesektor. Räumlich finden die Weltraumaktivitäten in Österreich, auch aufgrund der Hochtechnologieanforderungen, hauptsächlich in Wien, der Steiermark und Niederösterreich statt und erwirtschaften rund 200 Millionen Euro pro Jahr.
Österreichs Rolle in der Weltraumpolitik – quo vadis?
Österreich beteiligt sich im Rahmen der heimischen Weltraumstrategie 2030+ „Welt, Klima, Wirtschaft“ an der europäischen und internationalen Weltraumdiplomatie. Im Fokus steht für Österreich vor allem die nachhaltige Nutzung des Weltraums. Es ist geplant, ein Weltraumbüro für „Space Commerce“ aufzubauen, ein „Greening“ des Weltraumrechts wird angestrebt, Nachhaltigkeitsindikatoren für Weltraumnutzung sollen erarbeitet werden, ebenso Kennzeichen für technische Geräte, die Weltraumbezug haben (eine eher vage Idee). Schließlich soll eine Stiftungsprofessur des BMK für Raumfahrttechnologie geschaffen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit zum Weltraum hat einen Fokus auf Talente und Diversität, allerdings wird sich Österreich weder an der astronautischen noch an der roboterbasierten Raumfahrt direkt beteiligen, sondern diese durch Technologie und Know-how unterstützen.
Der österreichische Weltraumsektor ist Innovationsschmiede und hat großes Potenzial am Weltmarkt. Die Effekte des Weltraumsektors und der damit einhergehenden Forschung und Entwicklung, die in Österreich stattfinden, gehen dabei weit über die internationale Raumfahrt hinaus. All das kann einen wichtigen Beitrag für viele weitere Wirtschaftszweige und die Wissenschaft liefern. Die vorgelegte österreichische Weltraumstrategie greift allerdings hier zu kurz. Die industriepolitische Bedeutung, sowohl von angewandter Weltraumforschung als auch öffentlichen und unternehmerischen Weltraumaktivitäten, könnte stärker betont werden. Die Eingliederung in strategisch relevante, innovative und nachhaltige Wertschöpfungsketten im Bereich der Space-Technologien muss als integraler Teil des Strukturwandels gesehen werden und ist daher auch eine beschäftigungspolitische Frage. Überall dort, wo Möglichkeiten bestehen, die Veränderung in neue Strukturen und neu entstehende Wertschöpfungsketten zu vollziehen, um hochqualifizierte Arbeitsplätze abzusichern und sogar neue zu schaffen. Dazu braucht es auch eine enge Einbindung der Beschäftigten. Wie uns der Sprung in den Weltraum gelingen wird und was dies gesellschaftlich für uns bedeutet, wird sich in den nächsten Jahrzehnten zeigen.
Dieser Beitrag wurde am 24.01.2024 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
Titelbild: Greg Rakozy auf Unsplash (Symbolbild)