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Elfriede Scholz: Tod unterm Fallbeil

Erich Maria Remarque wurde mit „Im Westen nichts Neues“ berühmt. Weniger bekannt ist seine Schwester Elfriede Scholz, die wegen »Wehrkraftzersetzung« vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 16. Dezember 1943 hingerichtet wurde. Eine Erinnerung.

Von Helmut Ortner

Deutschland im Oktober 1943: Sirenen heulen in den Städten, das anschwellende Summen der Flieger ist zu hören, noch während die Menschen in die Luftschutzbunker flüchten, detonieren die Bomben. Der Krieg ist dorthin zurückgekehrt, wo er Jahre zuvor entfacht worden war: in Hitlers nationalsozialistisches Deutschland. In Hannover fallen in der Nacht auf den 9. Oktober über 261.000 Bomben auf die Stadt. Zurück bleibt ein Trümmerfeld. In Kassel werfen wenige Tage später, am 22. Oktober, 400 britische Flugzeuge 416.856 Brandbomben ab. Der Feuersturm ist noch in fünfzig Kilometer am Himmel zu sehen ist. Ein Inferno. 10.000 Menschen sterben, hinzu kommen unzählige Verletzte. 85 Prozent der Wohnungen werden zerstört. Schon Monate zuvor haben die Luftangriffe begonnen, in der Nacht zum 28. Juli wird Hamburg bombardiert. Ihren Höhepunkt erreichen sie in der Nacht zum 28. Juli, in der 30.000 Menschen sterben. Ganze Stadtteile verschwinden. Im Hagel aus Spreng- und Brandsätzen brennen nicht nur deutsche Großstädte. Mehr als tausend Ortschaften, darunter 161 Stadtgemeinden, werden zum Ziel britischer und amerikanischer Luftangriffe. Der Anfang vom Ende. Das »Tausendjährige Reich« fällt von Tag zu Tag sichtbarer in Schutt und Asche. Frankfurt, Köln, das Ruhrgebiet, München, Nürnberg, Dresden, Leipzig werden folgen, auch Darmstadt, Pforzheim und Düren – beinahe jede Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern. 

 „Haltet aus!“ appelliert die NS-Propaganda unaufhörlich über Volksempfänger, erinnert die Volksgenossen an ihre »unbesiegbaren Tugenden«: an Opferbereitschaft, Vaterlandsliebe, Mut, Entschlossenheit –und Gehorsam. Reichsjustizminister Thierack fordert seine Staatsanwälte und Richter auf, mit besonderer Härte gegen »Defätisten« und »Wehrkraftzersetzer« vorzugehen. Im Oktober schreibt er an den Präsidenten des Volksgerichtshofs Roland Freisler und bittet den „sehr geehrten Herrn Präsident“, doch sein Augenmerk besonders auf die Durchführung und Urteile der Prozesse zu richten, da die Bedeutung des Volksgerichtshofs „für das Halten der inneren Front“ erheblich gestiegen sei. „Die Tätigkeit des Volksgerichtshofs“, schreibt Thierack, „darf sich nicht allein darin erschöpfen, die vor ihm Angeklagten der verdienten Strafe zuzuführen, sondern er muss darüber hinaus eine politische Führungsaufgabe erfüllen.“ Er bittet Freisler darauf zu achten, dass nur solche Richter den Vorsitz erhielten, die „den in Frage stehenden Stoff auch politisch völlig meistern“.

Das »Halten der inneren Front« benötigt eine noch konsequentere Justiz, und der Volksgerichtshof, als Tribunal in der »vordersten Linie«, soll hierbei besonders gefordert sein. Dies betrifft auch Vereinfachungen im Verfahren, beispielsweise die Begnadigungspraxis. So sollen die Todesstrafen für Wehrkraftzersetzung nicht nochmals untersucht werden, auch auf die Gefahr hin, dass mitunter Unschuldige hingerichtet werden. Die Kriegssituation verlange – so Thierack –, dass die Prozesse rasch abgeschlossen und die Urteile konsequent vollstreckt werden.

Und so verrichten die Volksgerichtshof-Richter und Beisitzer ohne Unterlass ihre Arbeit, während Deutschland von Tag zu Tag mehr unter der Bombenlast der Alliierten zusammenbricht.  Wollen sie das bevorstehende Ende nicht wahrhaben, oder spornt sie ihr fanatischer Wahn noch einmal zu einem blutigen Rachefeldzug gegen all jene an, die sie für den bevorstehenden Untergang verantwortlich machen? Beinahe jeder zweite Angeklagte wird nun in den Volksgerichtshof-Prozessen zum Tode verurteilt: wegen Verbrechen wie »Abhören feindlicher Radiosender«, »Plünderung nach Bombenangriffen« oder »Defätismus« und »Wehrkraftzersetzung«.

»Öffentlich die Wehrkraft des deutschen Volkes zersetzt und den Feind begünstigt… «  

Freitag, 29. Oktober 1943, der Himmel über Berlin ist leicht bewölkt, Sonnenstrahlen brechen immer wieder durch. Die Reichskanzlei in der Wilhelmstrasse erreichen schlechte Nachrichten: Die Rote Armee tritt im Mittelabschnitt der Ostfront westlich von Smolensk zu einem neuen Angriff gegen die dortigen deutschen Truppen an. Und im norditalienischen Genua nehmen die Alliierten den Hafen ein und rücken gen Norden vor.

Nur wenige Gehminuten von der Wilhelmstraße, in der Bellevuestraße 15, beginnt am Volksgerichtshof der Prozess gegen Elfriede Scholz, vierzig Jahre alt, Schneiderin, geschieden, zuletzt wohnhaft in Dresden, angeklagt wegen »Wehrkraftzersetzung«. Wer ist Elfriede Scholz?

Am 25. März 1903 kommt sie als jüngstes von fünf Kindern mit dem Nachnamen Remark zur Welt. Die Geschwister wachsen in Osnabrück auf, wo die Familie Remark in einfachen Verhältnissen lebt. Während ihr Bruder Erich Remark plant, Lehrer zu werden, entscheidet Elfriede sich für eine Lehre als Schneiderin. Von Osnabrück zieht es Elfriede Remark erst nach Leipzig, dann nach Berlin und schließlich nach Dresden. Dort arbeitet sie als selbstständige Hausschneiderin. Ihr Bruder Erich wird unterdessen 1916 für den Krieg eingezogen. Erich Maria Remarque – wie er sich nun nennt – erfährt  am eigenen Leib, wie leidvoll die Erfahrungen eines Krieges sind. Nachdem der Erste Weltkrieg beendet ist, arbeitet er eine Zeit lang als Lehrer. Schlussendlich widmet er sich aber doch der Schriftstellerei. Zunächst bleibt Remarque erfolglos. Erst mit »Im Westen nichts Neues« landet der junge Autor einen Welterfolg. Amerika ruft.

Auch wenn ihre Lebensentwürfe sehr unterschiedlich sind – seine pazifistische Einstellung teilt Schwester Remarque mit dem bekannten Bruder. 1933 werden seine Bücher zusammen mit Werken von Erich Kästner, Bertold Brecht, Franz Kafka und vielen anderen verboten und verbrannt. Doch während ihr Bruder zum internationalen Star der Literatur aufsteigt, muss Elfriede Remark sich durchkämpfen. Ihr Schneider-Geschäft läuft schleppend.  Unterstützt Remarque sie zunächst noch finanziell, bricht ihr Kontakt später ab. Der Autor lebt in einer »anderen«, einer kosmopolitischen, einer mondänen Welt.

Elfriede lernt Heinz Scholz kennen, der als Schlagzeuger einer Tanzkapelle in Dresdner Kaffeehäusern auftritt. Anfang Dezember 1940 wird er zur Marineartillerie eingezogen. Im Mai 1941 heirateten die beiden während eines kurzen Fronturlaubs. Doch die Ehe ist nicht glücklich. Bereits vier Monate nach der Hochzeit verlangt Heinz die Scheidung. Doch Elfriede, die ihren Nachnamen Scholz weiterhin trägt, kann ihre kleine Schneiderei in Dresden etablieren und so der finanziellen Not entkommen. Sie hat sich mit Ingeborg Rietzel, einer ihrer Kundinnen angefreundet, sie besuchen sich in ihren Wohnungen, empfinden gegenseitige Sympathie und Vertrauen. In Gesprächen erzählt Elfriede nicht nur von ihren Sorgen, sondern lässt auch ihrem Ärger über »die Politik«, die Nationalsozialisten und die Kriegsfolgen freien Lauf. Davon erzählt Ingeborg ihrem Mann, einem Hauptmann der Wehrmacht. Der erstattet Anzeige.

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Am 18. August 1943 steht die Gestapo vor ihrer Tür. Elfriede Scholz wird verhaftet, verhört, schließlich wegen »Wehrkraftzersetzung» angeklagt. Nach kurzer Polizeihaft kommt sie in das Untersuchungsgefängnis Berlin-Moabit. Dort wartet sie auf ihren Prozess. Am 26. Oktober wird ihr endlich eine mehrseitige Anklageschrift ausgehändigt, unterzeichnet von Reichsanwalt Albert Weyersberg. Sie wird beschuldigt, „fortgesetzt und öffentlich die Wehrkraft des deutschen Volkes zu zersetzen und den Feind begünstigt” zu haben. Als Beweismittel werden Zeuginnen zitiert, neben Ingeborg Rietzel nun auch die Hausbesitzerin Toni Wetzel. Ihr gegenüber habe die Angeschuldigte mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass sie nicht an den deutschen Endsieg glaube. Der Reichsanwalt beantragt eine Hauptverhandlung vor dem Volksgerichtshof und die Zuordnung einer Pflichtverteidigung. Drei Tage danach steht Elfriede Scholz als Angeklagte vor der Richterbank.

»Ihr Bruder ist uns leider entwischt. Sie aber entwischen uns nicht! «

Den Vorsitz hat Roland Freisler. Er ist nicht nur Präsident des Sondergerichts, Sein Vorsitz ist gefürchtet. Er schreit, tobt und erniedrigt Angeklagte mit Spott und Hohn. Mit seiner Verhandlungsführung macht er den Gerichtssaal zur persönlichen Bühne. Sein Senat verhängt besonders oft Todesurteile. Hinter dem Richtertisch hängt eine blutrote Hakenkreuzfahne, davor steht eine Hitler-Büste. Der Gerichtsaal ist gut besetzt: Parteigänger in Uniform, Justizangestellte, ausgewähltes Publikum, Redakteure gleichgeschalteter Zeitungen. Als Freisler mit seinen Beisitzern in roten Roben den Saal betritt, erheben sich die Anwesenden nicht nur wie im Gericht üblich, sie recken den Arm zum Hitlergruß. Elfriede Scholz, die Angeklagte, ist die Einzige, die ihren Arm nicht hebt. Erst vor wenigen Minuten war sie aus dem Berliner Frauengefängnis hierhergebracht worden, ein Wachtmeister hatte ihr die Handfessel geöffnet. Jetzt sitzt sie in sich gekehrt auf ihrem Stuhl, am Rand ihre Pflichtverteidigerin. Freislers eröffnet die Sitzung. Mit schneidiger, durchdringender Stimme fragt er nach ihrem Geburtsnamen.

„Remark? … – in meiner Akte steht am Ende ein »k« – ist das richtig? … Ihr werter Herr Bruder schreibt sich doch mit »q«, stellt Freisler in mürrischem Ton fest. „Dieser ehrlose Lump hat gegen die Helden des vergangenen Krieges gehetzt – und sie machen es ihm heute nach und hetzten gegen die Männer, die sich jetzt so heldenhaft unseren Feinden gegenüberstellen. Aber dafür werden sie büßen. Ihr Bruder ist uns leider entwischt. Sie entwischen uns nicht.

Freisler ist ganz in seinem Element. Er brüllt, beleidigt, unterbricht. Elfriede Scholz lässt er kaum zu Wort kommen. Sie räumt ein, Kritik am Krieg geäußert zu haben: „Da kann man kann sich ja vorstellen, was mit dem armen Menschen an der Font passiert, den vielen jungen Männern, die ihr Leben verlieren“ , fährt Freisler dazwischen: „Hören Sie auf! Ich verbiete Ihnen, Ihre defaitistische Propaganda hier weiterzubetreiben. Sie sind wirklich keinen Deut besser als ihr verkommenes Bruderherz.” Sie starrt zu Boden und schweigt.

Danach machen die beiden Zeuginnen ihre belastenden Aussagen, an einem Plädoyer der Pflichtverteidigung zeigt Freisler kein Interesse. Nach gerade mal einer Stunde verkündet er das Urteil –  »Im Namen des deutschen Volkes«:

„Frau Elfriede Scholz geb. Remark hat in monatelangen maßlos hetzenden defaitistischen Äußerungen gegenüber einer Soldatenfrau sich bis zu Erklärungen verstiegen, sie möchte dem Führer eine Kugel durch den Kopf jagen, unsere Soldaten seien Schlachtvieh, der Führer habe sie auf den Gewissen, sie wünsche den kämpfenden Soldaten, dass ihre Frauen durch Bombenterror umkommen, und den sieggläubigen Frauen, dass ihre Männer draußen fallen. Als ehrlose fanatische Zersetzungs-Propagandistin unserer Kriegsfeinde ist sie für immer ehrlos. Sie wird mit dem Tode bestraft.“

Die Verhandlung ist geschlossen. Elfriede Scholz wird von zwei Wachbeamten aus dem Saal geführt. Auf Freisler und seine Beisitzer wartet schon der nächste Prozess. Bis zum Ende des Krieges wird der Volksgerichtshof 5200 Todesurteile fällen, mehr als 2600 davon Freislers Senat.

 „Heute Mittag um 1 Uhr bin ich nicht mehr.“  – Elfriede Scholz aus der Todeszelle an ihre Schwester Erna

Schon einen Tag nach dem Todesurteil reicht ihre Verteidigerin Ilse Schmelzeisen-Servaes beim Oberreichsanwalt ein Gnadengesuch ein. Für Elfriede Scholz beginnt im Berliner Frauengefängnis das lange Warten. Am 13. November 1943 wird das Gnadengesuch abgelehnt. In dürren Worten teilt Reichsjustizminister Thierack der Verteidigerin mit, er habe beschlossen, „vom Begnadigungsrecht keinen Gebrauch zu machen“. Wenige Tage später, am 25. November, wird Elfriede Scholz in die Haftanstalt Berlin-Plötzensee transportiert. Die Vorbereitungen zur Hinrichtung werden getroffen.  Sie weiß, dass sie streben muss. Sie schreibt letzte Briefe an ihre Schwester Erna: „Heute Mittag um 1 Uhr bin ich nicht mehr.“ An ihren Ex-Mann: „…in Gedanken küsse ich Dich noch einmal wie in den wenigen Tagen, da wir in unserer Ehe zusammen sein konnten…”.

Der Morgen graut, sie wartet darauf, dass man sie zu ihrem Henker bringt. Doch es geschieht nichts. Wegen der verstärkten Luftangriffe auf Berlin wird die Hinrichtung verschoben – auch, weil der Hinrichtungsbefehl bei einem Bombenangriff auf das Gerichtgebäude verbrannt ist. Elfriede Scholz wird zurück in das Frauengefängnis gebracht, ein neuer Hinrichtungstermin vom Oberreichsanwalt festgelegt: 16. Dezember. Warten auf den Tod. Wieder einmal.

Für die »Vollstreckung« insgesamt ein Betrag von 495,80 Reichsmark an – zuzüglich 12 Pfennig Portokosten

Es ist der 16. Dezember. 1943. Um 11 Uhr erscheint der Vollstreckungsleiter, Oberstaatsanwalt Hans Volk, begleitet von einem Justizbeamten und dem Anstaltsarzt. Kurz, im kühlen Ton, wird ihr mitgeteilt, auch das zweite Gnadengesuch sei abgelehnt worden. „Die Vollstreckung des Urteils ist für 13 Uhr anberaumt worden”.  Der Oberstaatsanwalt wird später protokollieren, die Verurteilte habe die Mitteilung „ruhig und gefasst” entgegengenommen. Beamte holen sie ab. Der Weg führt durch einen langen Flur, niemand spricht ein Wort. Sie erreichen einen Flachbau, in dessen Vorraum weitere Gefängnisbeamte warten, darunter der Scharfrichter Wilhelm Friedrich Röttger.

Wilhelm Röttger, gelernter Schlosser, der ein Fuhrgeschäft für den Berliner Zentral- und Schlachthof betreibt und – gewissermaßen nebenberuflich – einmal pro Woche im Gefängnis-Plötzensee Hinrichtungen vollzieht, gilt als besonders eifriger Henker. Für sein Henkersamt erhält er ein Jahresfixum von 3000 Reichsmark, zusätzlich 65 Mark »Kopfprämie« für jede Hinrichtung.  Von allen Scharfrichtern des Dritten Reichs vollzieht der Familienvater die meisten Hinrichtungen. Es kommt vor, dass er während einer »Schicht« mehr als dreißig Menschen tötet – mit dem Fallbeil, aber auch mit dem Strick.  Allein im September 1943 richtet Röttgen insgesamt 324 Personen in Berlin-Plötzensee und im Gefängnis Brandenburg-Görden hin.

Nun steht er vor Elfriede Scholz. Hinter ihm ein schwarzer Vorhang, dahinter das metallene Fallbeil. „Scharfrichter walten Sie ihres Amtes!”, fordert der Oberstaatsanwalt Rüttger auf, sein Henkers-Handwerk zu verrichten. Die Gehilfen führen Elfriede Scholz zum Fallbeil, legen ihren Kopf in eine Aussparung und schließen über ihren Hals einen Bügel. Im nächsten Moment fällt das Fallbeil herab. »Die Vollstreckung dauerte von der Vorführung bis zur Vollzugmeldung 8 Sekunden«, wird es im Protokoll des Oberreichsanwalts heißen.

»Als ehrlose fanatische Zersetzungs-Propagandistin unserer Kriegsfeinde ist sie für immer ehrlos. Sie wird mit dem Tode bestraft« – Aus dem Urteil gegen Elfriede Scholz

Dreißig Minuten nach der Hinrichtung wird der Leichnam in einer schmucklosen Kiste gelegt und hinüber in das Anatomische Institut der Berliner Charité gebracht. Dort wartet schon Professor Hermann Stieve, der sich den weiblichen Geschlechtszyklus zum Hauptforschungsgebiet erkoren hat und sich Leichname aus dem Gefängnis Plötzensee und dem Konzentrationslager Ravensburg liefern lässt. In Stieves Obduktionsliste, die später entdeckt wird, erscheint der Namen Elfriede Scholz unter der Nummer 105.

Das Gefängnis Plötzensee teilt der Schwester mit, Elfriede Scholz sei »amtlich bestattet“ worden. Von der Reichsanwaltschaft erhält sie eine Kostenrechnung: Für die »Vollstreckung« fallen 300 Reichsmark an, für Haft und Transportkosten werden 195,68 Reichsmark in Rechnung gestellt, zuzüglich 12 Pfennig Portokosten für die Übersendung der Kostenrechnung, insgesamt ein Betrag von 495,80 Reichsmark.

Erich Maria Remarque, der in New York lebt, erfährt 1946 von Elfriedes Hinrichtung – und ist erschüttert. Es quält ihn der Gedanke, dass seine Schwester seinetwegen zum Tode verurteilt worden ist. In seinem Auftrag bemüht sich der Anwalt Robert W. Kempner  bei der Westberliner Staatsanwaltschaft um eine strafrechtliche Verfolgung der noch lebenden Prozessbeteiligten. Am 25. September 1970, erhält er den Einstellungsbeschluss des Kammergerichts Berlin. Laut Kempner hatte die Staatsanwaltschaft nicht einmal den noch lebenden Prozess–Beisitzer Kurt Lasch vernommen.

Erich Maria Remarque erfährt das nicht mehr. Er stirbt am Tag der Einstellung des Verfahrens im Alter von 72 Jahren an Herzversagen. 

Hinweis:

Einige Zitate sowie der Wortlaut des Todesurteils sind der großartigen Doppelbiografie »Die verlorene Schwester« von Heinrich Thiess entnommen.


Lese-Tipps:

  • Heinrich Thies: Die verlorene Schwester. Elfriede und Erich Maria Remarque. – Eine Doppelbiografie. Aufbau Verlag, Berlin, 392 Seiten
  • Helmut Ortner: Der Hinrichter, Roland Freisler – Mörder im Dienste Hitlers, Nomen Verlag,  Frankfurt, 358 Seiten

Titelbild: Stolperstein für Elfriede Scholz in Dresden. Foto: Paulae, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

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