AktuellEuropaGeschichte

Commissario Dario

Er war eine der schillerndsten Gestalten des antifaschistischen Widerstands und kämpfte auf drei verschiedenen Kontinenten für die Freiheit und für den Sozialismus. Das Leben des Ilio Barontini (1890-1951), eines einfachen Eisenbahners aus Livorno, schreit förmlich nach einer Verfilmung.

Von Andreas Pittler

Ein Sohn seiner Klasse

Geboren wurde Ilio Barontini am 28. September 1890 in eine Bauernfamilie. Frühzeitig war er gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen, und so wirkte er bereits in jungen Jahren als Metallarbeiter, ehe er 1909 eine Beschäftigung bei den staatlichen italienischen Eisenbahnen fand. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits längere Zeit Mitglied der Italienischen Sozialistischen Partei und betätigte sich als aktiver Gewerkschafter.

Als konsequenter Internationalist stand er dem Ersten Weltkrieg strikt ablehnend gegenüber und gehörte zu jenem anfänglich kleinen Häuflein prinzipienfester Sozialisten, die dem imperialistischen Massensterben eine revolutionäre Alternative entgegenstellten. Wenig verwunderlich, dass er kurz nach dem Krieg mit Freunden wie Antonio Gramsci, Umberto Terracini und Palmiro Togliatti die Kommunistische Partei aus der Taufe hob, deren erster Sekretär für die Region Livorno er wurde. Zudem engagierte er sich in der kommunistischen Gewerkschaft, zu deren führenden Repräsentanten er alsbald zählte.

Der PCI verfügte zwar rasch über eine regelrechte Massenbasis und brachte die bürgerliche Herrschaft vor allem im Norden des Landes gehörig ins Wanken, doch gelang es dem Proletariat nicht, den Aufstieg der Faschisten zu verhindern. Nach Mussolinis Machtübernahme war daher auch Barontini gezwungen, in den Untergrund zu gehen und dort seine politische Arbeit fortzusetzen.

Mehrmals geriet er in die Fänge der Diktatur, doch jedesmal gelang ihm wieder die Flucht. Allerdings musste schließlich auch er einsehen, dass er in Italien nicht mehr viel bewegen konnte. Er entschloss sich daher zum Gang ins Exil. Dort nahm er eine bedeutende Rolle in der italienischen Exil-KP ein, die ihn 1933 in die Sowjetunion schickte, damit er dort seine politische Bildung vervollkommne. Er wurde zum Absolventen der Internationalen Lenin-Schule und besuchte anschließend die Frunse-Militärakademie, die ihm eine solide strategische Ausbildung angedeihen ließ, welche Barontini in den folgenden Jahren sehr gelegen kommen sollte. Die erste Gelegenheit zur praktischen Anwendung seiner neu erworbenen Fähigkeiten ergab sich, als er seitens der Komintern nach China geschickt wurde, wo er als militärischer Berater der Volksbefreiungsarmee Mao Tse Tungs fungierte.

Von Spanien …

Als er jedoch im Sommer 1936 vom Putsch des Generals Franco in Spanien hörte, begab er sich umgehend auf die iberische Halbinsel, wo er mit der Waffe in der Hand an der Verteidigung Madrids mitwirkte. Für seine Verdienste, aber auch für seine politische Standfestigkeit, wurde er im Januar 1937 zum Politkommissar der italienischen Garibaldi-Battalione ernannt. Unter seinem Partisanennamen „Dario“ avancierte er rasch zum Schrecken der Franco-Truppen. Im März 1937 übernahm Barontini den Oberbefehl über die italienischen Einheiten der republikanischen Armee und griff wenig später erfolgreich bei Guadalajara an, wo die Republikaner einen wichtigen strategischen Sieg erzielten, der nicht nur für die angeknackste Moral der republikanischen Seite zum richtigen Zeitpunkt kam, sondern auch die faschistische Gegenseite für längere Zeit in die Defensive zwang. Dass die republikanische Seite mit rund 20.000 Soldaten gegen eine trainierte Armee von 50.000 Faschisten gewonnen hatte, sorgte auch international für Aufsehen, wobei es Barontini besonders gefreut haben mag, dass er bei dieser Gelegenheit auch Mussolinis faschistisches Expeditionskorps vernichtend geschlagen hatte. Der „Duce“ sah sich international blamiert und wollte unbedingt seine Reputation durch eine entsprechende Erweiterung des italienischen Kolonialbesitzes neues Prestige erringen.

Unterstütze uns auf Steady

… nach Äthiopien …

Barontini, der davon im Lager der Republikaner erfuhr, warb einige italienische Genossen an, um mit ihm in Afrika gegen den Faschismus zu kämpfen. Am Ende waren es 38 italienische Kommunisten, die an der Seite des äthiopischen Volks gegen die faschistischen Banden Mussolinis kämpften. Barontini bildete äthiopische Freiwillige aus, gab ihnen politischen Unterricht und verbreitete in einer zweisprachigen Zeitung „Die Stimme der Äthiopier“ die kommunistischen Standpunkte zum italienischen Imperialismus und zur nationalen Frage.

Von Anfang an war es ein ungleicher Kampf. Mussolini ließ großflächig Giftgas einsetzen, seine Truppen verübten Massaker gleichsam im Wochenrhythmus. Die Verluste auf Seiten der Verteidiger waren enorm, auch die kleine Schar der Italiener wurde systematisch dezimiert. Nachdem Äthiopien den Krieg verloren und die Kommunisten zuletzt jeden Kontakt zu ihren Verbündeten verloren hatten, schlug sich Barontini mit dem kläglichen Rest seiner Freunde nach Ägypten durch, wo er sich nach Frankreich einschiffte.

… und zurück nach Italien

Man schrieb das Frühjahr 1940, und Barontini kam gerade rechtzeitig in Frankreich an, um den deutschen Überfall auf Frankreich erleben zu müssen. Als vermeintlich feindlicher Ausländer wurde er interniert, auf Intervention der Sowjetunion allerdings wieder freigelassen. Er wich nach Marseille aus, wo er sich aktiv an der Resistance beteiligte, ehe sich endlich eine Gelegenheit bot, illegal nach Italien zurückzukehren. Dort übernahm „Dario“ sofort eine leitende Funktion unter den kommunistischen Partisanen und wurde für den Abschnitt Emilia Romagna Kommandant jener Einheiten, die wie schon in Spanien „Garibaldi-Brigaden“ genannt wurden.

Die kommunistischen Partisanen wuchsen bis Anfang 1945 auf über 150.000 Mann an und befreiten weite Teile Oberitaliens aus eigener Kraft. Vor allem kämpften sie erfolgreich gegen Mussolinis „Republik von Saló“, in welche sich der gestürzte Duce zuletzt zurückgezogen hatte.

Dario machte sich rasch einen Namen als allgegenwärtiger Anführer, der nicht müde wurde, den frisch zu den Partisanen gestoßenen Männern elementare Regeln im Guerilla-Kampf beizubringen. Die Palette reichte dabei von der richtigen Handhabung einer Handgranate bis zu den einfachsten Mitteln, einen Zug zum Entgleisen zu bringen. Daneben achtete er, wie schon in Spanien und in Äthiopien, penibel darauf, auch der politischen Bildung ihre nötige Zeit einzuräumen. In seinem Hauptquartier in Bologna wurden Zeitungen, Bücher und Lernbehelfe hergestellt, auch für antifaschistische Kunst und Kultur wurde Sorge getragen.

In der Folge wurden wichtige Städte wie Turin, Genua und Mailand von den Partisanen eingenommen, und „Dario“ gehörte zu jenen, die einer Fortsetzung des antifaschistischen Kampfes hin zu einer sozialistischen Revolution das Wort redeten. Togliatti aber, der nach dem Tod Gramscis die Führung der Partei übernommen hatte, ging in der „Wende von Salerno“ eine Koalition mit den Bürgerlichen ein, sodass Italien, anders als etwa Jugoslawien oder Albanien, nicht den sozialistischen Weg zu Ende ging. Als letztlich doch braver Parteisoldat unterwarf sich Barontini dieser „Generallinie“ und wurde ZK-Mitglied des PCI und in weiterer Folge erst Parlamentsabgeordneter, dann, nach Einführung der Verfassung von 1948, Mitglied des ersten Senats der neuen italienischen Republik, wo er als Sekretär des Verteidigungsausschusses fungierte.

Barontini, schon allein ob seines Lebenslaufes eine Legende, blieb unermüdlich für die Partei tätig. Im Wahlkampf von 1948  war er an zahlreichen Orten als Redner aktiv, womit er dazu beitrug, dass der PCI 31 Prozent der Stimmen erzielen konnte. Auch als Senator besuchte er weiterhin Parteisektionen, wo er Vorträge und Reden hielt. Bei der Fahrt zu einer dieser Sitzungen wurde der Wagen, in dem er saß, am 22. Januar 1951 nahe Florenz in einen schweren Unfall verwickelt, den Barontini nicht überlebte. Ironischerweise war er auf dem Weg zu einer Feier aus Anlass der 30. Wiederkehr des Gründungstages der KP gewesen.


Titelbildquelle: ANPI – Assoziacione Nazionale Partigiani d´Italia

DANKE, DASS DU DIESEN BEITRAG BIS ZUM ENDE GELESEN HAST!

Unsere Zeitung ist ein demokratisches Projekt, unabhängig von Parteien, Konzernen oder Milliardären. Bisher machen wir unsere Arbeit zum größten Teil ehrenamtlich. Wir würden gerne allen unseren Redakteur*innen ein Honorar zahlen, sind dazu aber leider finanziell noch nicht in der Lage. Wenn du möchtest, dass sich das ändert und dir auch sonst gefällt, was wir machen, kannst du uns auf der Plattform Steady mit 3, 6 oder 9 Euro im Monat unterstützen. Jeder kleine Betrag kann Großes bewirken! Alle Infos dazu findest du, wenn du unten auf den Button klickst.

Unterstützen!

Artikel teilen/drucken:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.