Mit gerechten Löhnen sozialen Notstand beenden!
Zwei Jahre Inflationshöchstwerte brachten Unternehmen Höchstgewinne, Arbeitnehmer:innen aber Reallohnverluste. Nun stockt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, ausbleibende Investitionen und rückläufiger Konsum werden nicht durch die – noch – steigenden Exporte aufgefangen. Kräftige Lohn- und Gehaltssteigerungen bieten eine Perspektive.
Von Bettina Csoka, AK Oberösterreich (A&W-Blog)
In der seit Herbst 2021 rollenden Teuerungswelle konnten viele Unternehmen ihre Gewinnmargen sogar noch steigern und haben dadurch die (Verbraucher:innenpreis-)Inflation angeheizt. Im Laufe des Jahres 2022 erzeugte vor allem der Anstieg der Unternehmensgewinne des Energiesektors zusätzlichen Preisdruck, ab Herbst 2022 zunehmend auch andere Sektoren. Der „Inflationsbeitrag der Gewinne“ erreichte in Österreich laut OeNB seinen Höchststand im ersten Quartal 2023! Zwischen Profit- und Inflationsplus besteht also ein eindeutig positiver (kausaler) Zusammenhang. Das gilt auch in der EU, wo das Preisniveau heuer im Drei-Jahres-Vergleich um rund ein Fünftel höher sein wird, angetrieben durch den 30-prozentigen Profitsummenanstieg.
Champagnerkorken versus Kaufkraftverluste
Unternehmen (und ihre Eigner:innen) schwimmen als Profiteure der Inflation im Geld. Sie lassen sich – auch in Österreich – horrende Dividenden auszahlen. Laut EGB-Generalsekretärin Esther Lynch sind die Unternehmen für die steigende Inflation verantwortlich, die Arbeitnehmer:innen leiden unter den Folgen. „Während Menschen, die jeden Tag hart arbeiten, sich nur schwer leisten können, Essen auf den Tisch zu bringen, lassen wohlhabende Aktionär:innen die Champagnerkorken knallen.“
Seit zwei Jahren sind die Arbeitseinkommen durch die profitgetriebene Teuerung beeinträchtigt. 2023 werden die Pro-Kopf-Löhne der Arbeitnehmer:innen in der EU im Schnitt eine um 3,7 Prozent geringere Kaufkraft haben als noch 2020. In einzelnen Mitgliedsstaaten, wie dem Niedriglohnland Bulgarien, konnten Reallohnzuwächse gemacht werden. In Österreich, wo die kollektivvertraglichen Lohn- und Gehaltsabschlüsse im Tandem, zeitverzögert mit der zurückliegenden Durchschnittsinflation plus einem Anteil am Produktivitätszuwachs verlaufen, wird 2023 das durchschnittliche Minus 2,5 Prozent im Vergleich zu 2020 betragen.
Schere Produktivität und Lohn
Die Verteilung des Wohlstandszuwachses in Österreich hat sich im letzten Vierteljahrhundert (1997 bis 2022) weg von Arbeit hin zum Kapital verschoben: Obwohl eine Arbeitsstunde um rund 38 Prozent ergiebiger geworden ist, stiegen die von den Unternehmen bezahlten Arbeitskosten (Bruttolöhne plus Sozialbeiträge) preisbereinigt nur etwa um ein Fünftel (20,6 Prozent). Fast die Hälfte des rund 38-prozentigen Produktivitätsanstiegs kassierten also die Unternehmen (bzw. deren Eigentümer:innen).
Sozialer Notstand und wirtschaftlicher Overkill
Inflation hat einen „Klassengehalt“ und ist in erster Linie ein Verteilungskonflikt. Derzeit befindet sich Europa laut EGB-Generalsekretärin Lynch im „sozialen Notstand“ und Unternehmensbosse „plündern“ die Wirtschaft. Da Unternehmen ihre steigenden Gewinne nicht reinvestieren, sondern an Aktionär:innen auszahlen, sinkt die Bruttoinvestitionsquote in Europa. Das schwächt Wirtschaft und Produktivität. Die industriellen Erzeugerpreise steigen nicht mehr bzw. sinken sogar. Und dann fährt die EZB mit ihren desaströsen Zinserhöhungen auch noch die europäische Wirtschaft vor die Wand, für Ökonom Heiner Flassbeck ein „Overkill“.
Volle Inflationsabgeltung und Wohlstandsteilhabe!
Nach zwei Jahren Teuerungswelle, die die Arbeitseinkommen niedergewalzt hat, gibt es einen Nachholbedarf bei den Löhnen. Der Ausweg aus der Inflationsdynamik liegt in der längst überfälligen Normalisierung der zuletzt massiv erhöhten Gewinnmargen. Sie dienen den Unternehmen auch als Puffer, um künftige Lohn- und Gehaltssteigerungen zu tragen. Alle Arbeitnehmer:innen haben ein Recht auf die Abgeltung der anhaltend hohen Inflation und auf einen gerechten Anteil an den in den Betrieben gemachten Gewinnen. Das vermeidet weitere Kaufkraftverluste, stärkt die private Nachfrage und wäre auch ein Beitrag zur wirtschaftlichen Stabilisierung.
Der Beitrag wurde am 02.10.2023 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
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