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Sozial-ökologische Transformation und das Bedingungslose Grundeinkommen

Ein Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster

In der Publikation „EARTH FOR ALL“, einem neuen Bericht an den CLUB OF ROME, 50 Jahre nach „Grenzen des Wachstums“ werden einige Maßnahmen besprochen, um einige der Unzulänglichkeiten im Bericht der Modellierung globaler Systeme zu beheben. So steht da unter Punkt 4, Finanzen:

Wir berücksichtigen die Auswirkungen von Verschuldung und Geldmenge, die Zinssätze der Zentralbanken und die Kapitalkosten von Unternehmen, um auf die Forderung nach einer besseren Integration von Finanzmechanismen in die integrierten Bewertungsmodelle einzugehen, die zur Prüfung der Durchsetzbarkeit von Klimazielen verwendet werden“. 

Gute Idee!?! 

Steht nicht gerade das Finanzsystem und die sozial-ökologische Transformation in starkem Widerspruch, wenn es um den Umbau zu einer wirklich nachhaltigen Wirtschaftsweise geht, wenn es darum geht, echte Werte für die Gesellschaft zu schaffen. Laut EU-Taxonomie, Teil des Green New Deal für nachhaltiges Wachstum (2021 in ein Gesetz gegossen), sollten Investitionen, nicht nur als ökologisch, sondern auch als gesellschaftlich gerecht eingestuft werden können – dazu fehlt es aber an einem Regelwerk für soziale Taxonomie

Gab es schon viel Kritik im Zuge der Entwicklung des EU-Klassifizierungssystems für nachhaltiges Wirtschaften bezüglich der Inhalte der ökologischen Taxonomie (u.a. bezüglich der Aufnahme von bestimmten Formen der Atomenergie und der Stromerzeugung mit Gas), so befindet sich die soziale Taxonomie noch immer in der Warteschleife. „Es ist zu befürchten, dass es auf Dauer keine soziale Taxonomie geben wird“ meint Antje Schneeweiß, Mitglied des Sustainable Finance Beirats der deutschen Bundesregierung und Berichterstatterin für Soziale Taxonomie auf der Plattform für Nachhaltige Investitionen der EU-Kommission für 2020 – 2022 (Antje Schneeweiß, Arbeitskreis Kirchliche Investoren in der evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in: NACHHALTIGE FINANZWIRTSCHAFT ZWISCHEN WUNSCH UND WIRKLICHKEIT, in der Reihe: politische Ökologie, oekom).

In derselben Publikation des oekom-Verlages fragt sich die bekannte Politökonomin und Transformationsforscherin und Mitglied des Club of Rome Maja Göpel, wie sich wohl transparent echte Werte für die Gesellschaft schaffen ließen. Wenn wir meinen, dass es eine politische Verantwortung dafür geben sollte, ernsthaft und transparent zu beschreiben, was die Lenkungswirkung sowohl der bestehenden Politiken wie auch die der Änderungsvorschläge ist, dann wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, diese einzufordern. Dazu bräuchte es „eine corporate political responsibility, also Unternehmen, die im öffentlichen Diskurs Regeln mit besserer Lenkungswirkung einfordern, damit wir schnell in die Veränderung kommen.“ Gefordert wird auch von der NGO Finance Watch in Brüssel, dass die Gesetzgeber in Europa die Banken verpflichten sollten, ihre Geschäftsmodelle mit den Klimazielen der Regierungen in Einklang zu bringen, damit der Bankensektor den nachhaltigen Wandel der Wirtschaft nicht verhindert und in der Lage ist, die eigenen Transformationsrisiken zu steuern. (Julia Symon in: Nachhaltige Finanzwirtschaft, oekom)

Ein besseres Leben in einer besseren Welt

Wie schaffen wir das – oder besser, wie lassen sich echte Werte für die Gesellschaft schaffen? Hier bezieht sich Maja Göpel auf den OECD „Better-Life“ Index, eine Synthese vieler Studien zu den Bedingungen, unter denen Menschen sich als zufrieden äußern: Die Zutaten für ein „Gutes Leben“ („Wellbeing“). Diese Bedingungen decken sich auch mit vielen Zielen in Nachhaltigkeitsstrategien und bieten einen Kompass dafür, welche messbaren Werte, auch objektive Wohlergehensfaktoren genannt, gesichert und entwickelt werden sollten: angefangen von Gesundheit und sicherem Einkommen, über saubere Luft und Wasser, zu Bildungsständen, Arbeitsverhältnissen, Sicherheit, aber auch Work-Life-Balance. Natürlich, so meint Göpel, hänge es dann auch von unserer Art ab, wie wir diese Bestände nutzen und erhalten, ob wir Freiheit, Respekt und Gerechtigkeit als relationale Werte hochhalten, ob wir also ein gewisses Ethos in unserem alltäglichen Umgang mit unseren Mitmenschen und der Umwelt im Auge behalten. Hieß es früher noch im christlich-sozialen Sinn „Eigentum verpflichtet“ – dann verweist man heute auf die Pflichten des Staates und erwartet von ihm, dass er dafür Sorge trägt, die Lenkungswirkung von Vermögen (im doppelten Sinn des Wortes!) in politische Rahmenbedingungen zu kleiden, so dass die aktuellen, übergeordneten UN-Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. 

Wie aber ist es um das Pflicht- und Verantwortungsgefühl der Menschen bestellt?

Ob Menschen ihren Pflichten eher nachkämen, wenn dies mit Macht und Einfluss verbunden wäre, oder zumindest mit einer Erfahrung von Selbstwirksamkeit? Ja, im Großen Ganzen tun sie das, gerade hier in EU-Ländern mit (noch) starken Sozialsystemen und öffentlichen Infrastrukturen – zumindest solange das Bildungs- und Gesundheitssystem gut funktioniert. Sobald jedoch Menschen ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber ihren Lebensverhältnissen bekommen, verlieren sie dieses Verantwortungsgefühl und dann wird es immer schwerer Hilfe zu leisten –, daher meine Skepsis gegenüber der Idee eines universellen (weltweiten) Grundeinkommens in Form von Geld in Ländern wo es keine kostenlose Bildung und keine allgemeine Gesundheitsversorgung gibt. 

Ich meine, es ist für Wohlfahrtsprojekte im 21. Jahrhundert eine wesentliche Voraussetzung, dass alle Menschen eine regelmäßige Einkommensquelle haben, die weder bedarfsorientiert noch an Bedingungen geknüpft ist, weil nur auf einer derartigen Basis Handlungsmacht, Gleichheit und Inklusion aufgebaut werden können.

Der Club of Rome, einer der bekanntesten Thinktanks der Welt, der sich für eine nachhaltige Zukunft einsetzt, meint:

„Die Zeit ist reif für große Konzepte wie die erweiterte Rente, ein allgemeines Grundeinkommen und eine allgemeine Grunddividende (auf die globalen Gemeingüter!). Sie könnten in allen Ländern tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschlechtergerechtigkeit und das Empowerment haben. Wann, wenn nicht jetzt sollten ambitionierte Entscheidungen getroffen werden. Ihre demokratische Umsetzung könnte nicht nur für eine gerechtere Verteilung des Reichtums sorgen, sondern in den turbulenten Zeiten der Transformation auch einen essenziellen wirtschaftlichen Schutz bieten.“ 

 Wir, eine Schicksalsgemeinschaft auf dem Raumschiff „ERDE“, sind nun aufgerufen, zu beurteilen, inwieweit lösungsorientierte, politische Maßnahmen gegen soziale Ungleichheit und ökologische Fehlentwicklungen den neuen Herausforderungen schnell genug gerecht werden können. Um einer stärkeren Polarisierung innerhalb der Gesellschaften entgegenzuwirken, sollten wir uns bald auf einen Wohlergehensindex einigen, d.h. darauf, welche Index-Funktionen uns am wichtigsten erscheinen, jene des Pro-Kopf BIP, der Arbeitslosigkeit, der Einkommensungleichheit, der Schuldenlast, der staatlichen Dienstleistungen, der lokalen/regionalen Umweltverschmutzung und der wahrgenommenen Erderwärmung, um die Verbindung zwischen ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit zu veranschaulichen, um erstmals soziale Nachhaltigkeit in ein integriertes Bewertungsmodell einfügen zu können. 

Ein schwieriges Unterfangen! Um dieser Aufgabe, eine Finanzwende herbeizuführen, um die Finanzmärkte nachhaltiger auszurichten, gerecht zu werden, brauchen wir die Unterstützung von Menschen, die sich professionell und verantwortungsvoll mit einer zukunftstauglichen Finanzmarktregulierung beschäftigen und uns beratend zur Seite stehen. Derartige mutige Menschen gibt es – wir begegnen ihnen immer öfter, sei es in Publikationen, die sie oft in Form von Free Software ins Netzt stellen oder auch anlässlich von Podiumsdiskussionen auf diversen öffentlichen Plattformen. 

Um der fossilen Finanzlobby mit einem Gefühl der Verantwortung entgegentreten zu können, sollten wir vor allem aber unser Denken reformieren. Ein Überlebensprojekt! – Schulden wir das nicht unseren Kindern?

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Ein Gedanke zu „Sozial-ökologische Transformation und das Bedingungslose Grundeinkommen

  • Ilse Kleinschuster

    Was mich dazu ermutigt hat, dieses Thema aufzunehmen, war wohl mein ‚naives‘ Unverständnis für dieses Schrumpfen der GRÜNEN. Um mich schlau zu machen, besuchte ich die Plattform der scientists4future! Folgender Absatz stammt aus einem Beitrag auf dieser Plattform (https://at.scientists4future.org/2023/06/29/zehn-gruende-warum-soziale-ungleichheit-die-klimaerhitzung-schuert-und-warum-eine-klimabewegung-soziale-fragen-aufgreifen-sollte-von-martin-auer/):
    „Einer Klimaschutzbewegung eine Einkaufliste von anderen löblichen sozialen Programmen aufzuladen, birgt die Gefahr, dass notwendige Unterstützer abgeschreckt werden (zum Beispiel unabhängige und gemäßigte Konservative), die eine breitere Agenda progressiver sozialer Veränderung fürchten.
    In ihrer Studie zeigen die Autoren, dass
    • soziale und ökonomische Ungleichheiten Treiber für CO2-intensive Konsumtion und Produktion sind,
    • dass die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen es wohlhabenden Eliten ermöglicht, Klimaschutzmaßnahmen zu hintertreiben,
    • dass Ungleichheiten die öffentliche Unterstützung für Klimaschutz untergraben,
    • und dass Ungleichheiten den sozialen Zusammenhalt schwächen, der für gemeinsames Handeln notwendig ist.
    Das legt den Schluss nahe, dass eine umfassende Dekarbonisierung eher erreicht werden kann, wenn CO2-zentrierte Strategien in ein breiteres Programm sozialer, ökonomischer und demokratischer Reformen eingebettet werden.“

    Nun, um zum Ausgangspunkt meiner Überlegungen zurückzukehren, legt diese Analyse nicht wiederum den Schluss nahe, dass das Bedingungslose Grundeinkommen ein hilfreiches Instrument sein könnte, um den Gegenentwurf zu business-as-usual (nicht die Partizipation an den bestehenden Herrschaftssystemen, sondern deren Transformation) konsequent weiter verfolgen zu können

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