Klima-Ungleichheit: faire Steuern für eine nachhaltige Zukunft
Die Klimakrise ist durch erhebliche Ungleichheit geprägt. Sie greift mittlerweile in die Lebensgrundlage und gesellschaftliche Organisation ein und erschüttert so die Grundfesten unserer Gesellschaft. Doch ihre Auswirkungen sind global gesehen nicht gleichmäßig verteilt: Im Durchschnitt sind Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen stärker betroffen als wohlhabende Länder. Zugleich ist die Klimakrise jedoch auch durch erhebliche Ungleichheiten innerhalb der Länder geprägt.
Von Lukas Chancel (A&W-Blog)
Die aktuelle Forschung zeigt, dass globale Treibhausgasemissionen vorwiegend von einem relativ kleinen Teil der Bevölkerung aus Schwellenländern wie China und Indien sowie reichen Ländern wie USA und EU-Mitgliedsstaaten verursacht werden. Gleichzeitig sind gerade Menschen mit geringem Einkommen und Vermögen besonders stark von zahlreichen Klimaauswirkungen betroffen. Auch diese Schieflage verläuft nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch innerhalb der Länder.
Daten für die Klima-Ungleichheit liefert der Climate Inequality Report. Der Bericht beleuchtet die verschiedenen Dimensionen der Klima-Ungleichheit in einer systematischen und detaillierten Analyse und konzentriert sich dabei auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Weiters verknüpft die Studie diese Erkenntnisse mit zusätzlichen empirischen Arbeiten und Expert:inneninterviews. So werden Wege für eine neue Entwicklungszusammenarbeit, Sozial- und Steuerpolitik identifiziert, die die Klimakrise an der Wurzel bekämpfen.
Die wichtigsten Erkenntnisse
Alle Menschen tragen zu den globalen Emissionen bei, aber nicht im gleichen Ausmaß. Die obersten 10 Prozent der globalen CO2-Emittent:innen verursachen fast die Hälfte aller Treibhausgasemissionen. Neben dem offensichtlichen Gerechtigkeitsaspekt deutet dies auch auf eine Effizienzfrage hin: Für die Reduktion von CO2-Emissionen bei den Top-Emittent:innen anzusetzen würde deutlich weniger aufwendig sein. Dies könnte einen Anreiz schaffen, politische Maßnahmen vorzuschlagen, die auf die Top-Emittent:innen-Gruppe abzielen.
Die Gegenüberstellung von Bevölkerungsgruppen nach Einkommen, also der 50 Prozent mit den niedrigsten Einkommen, der mittleren 40 Prozent und der 10 Prozent mit dem höchsten Einkommen in Bezug auf
- Klimakrisen-Verluste,
- Emissionen,
- Finanzierungskapazitäten globaler Klimaschutzmaßnahmen
bietet eine eindrucksvolle Momentaufnahme der klimarelevanten Ungleichheiten. Sie bietet damit einen guten Anhaltspunkt dafür, welche Gruppen zur Finanzierung von Maßnahmen gegen die Klima-Ungleichheit besonders viel beitragen müssten (siehe Grafik).
Um die Energiewende zu beschleunigen, ist es maßgeblich zu verstehen, wer von ihr profitiert und wer verliert. Die Studie zeigt, dass die größten CO2-Verursacher:innen wahrscheinlich relativ gut vor den negativen Folgen der Klimakrise geschützt sind. Dadurch ist für die Top-Emittent:innen der Anreiz, ihre Emissionen zu reduzieren, nicht notwendigerweise gleich groß wie der Schaden, den ihre Emissionen verursachen. Auch das gilt sowohl auf internationaler Ebene als auch innerhalb der Länder. Die Quantifizierung von Ungleichheiten
- beim Verursachen der CO2-Emissionen und
- bei der Betroffenheit durch ihre Folgen
ermöglicht, diese Fragen deutlicher zu machen und politische Schlüsse daraus zu ziehen. Sie sind die Grundlage für öffentliche Debatten über wirksame Klimapolitik.
Die Emissions-Ungleichheiten innerhalb der Länder sind größer als die Ungleichheiten zwischen den Ländern. Die Konsum- und Investitionsmuster einer relativ kleinen Gruppe der Bevölkerung tragen direkt oder indirekt in unverhältnismäßig hohem Ausmaß zu den Treibhausgasen bei. Während Ungleichheiten bei den Emissionen zwischen den Ländern beträchtlich sind, wird die Gesamtungleichheit der globalen Emissionen nun größtenteils durch Ungleichheiten innerhalb der Länder erklärt.
Die Überwindung der globalen Armut ist möglich, ohne globale CO2-Budgets zu überschreiten. Neue Forschung widerspricht der Vorstellung, dass globale Armut zu beenden den Großteil des verbleibenden CO2-Budgets aufbrauchen würde, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das Ziel, für alle Menschen die Armut zu überwinden, muss keine großen negativen Auswirkungen auf die Bekämpfung der Klimakrise haben. Das CO2-Budget, welches notwendig ist, um Armut zu beseitigen, fällt im Vergleich zum Fußabdruck der weltweit größten Emittent:innen gering aus. Mit einer gut konzipierten Umverteilungs- und Klimapolitik können die Auswirkungen der Armutsbekämpfung auf die Gesamtemissionen weiter reduziert werden.
Die Klimakrise trägt in vielfältiger Weise zu ökonomischen und materiellen Nöten bei, die nun gut dokumentiert sind. Sie verschlimmert die geringe landwirtschaftliche Produktivität in ärmeren Ländern sowie deren Wasserknappheit und -sicherheit. Hitzewellen haben erhebliche Auswirkungen auf die Sterblichkeit, insbesondere in gefährdeten städtischen Zentren. Tropische Wirbelstürme und Überschwemmungen werden weiterhin Millionen von Menschen vertreiben, vor allem in Ländern mit niedrigem Einkommen, und der Anstieg des Meeresspiegels wird große Küstenteile unbewohnbar machen. Während solche Ereignisse Regionen als Ganzes betreffen werden, weisen Studien auf einen starken sozioökonomischen Zusammenhang zwischen Betroffenheit und den derzeitigen Lebensbedingungen hin. Dabei sind die ohnehin schon am schlechtesten Gestellten stärker von den Folgen des Klimawandels betroffen als der Rest der Menschen. Das breite Spektrum der bereits sichtbaren Auswirkungen der Klimakrise zeigt, dass für die Mitigation, also die Eindämmung der Klimakrise, jeder Bruchteil eines Grades zählt. Daraus folgt, dass jede Tonne CO2-Reduktion genauso wichtig ist wie jeder Dollar an Anpassungsfinanzierung.
Als direkte Konsequenz müssen alle Regierungen ihre Mitigationsziele überdenken, insbesondere jene, die historische Verantwortung für besonders hohe CO2-Emissionen tragen. Dazu gehören auch die großen Schwellenländer, da die Emissionen weiter ansteigen.
Empfehlungen
1. Es braucht signifikante Investitionen in die Erstellung und Erhebung von Statistiken zur Klima-Ungleichheit in allen Ländern. Die aktuelle Datenlage der öffentlichen Statistiken zu diesem Thema ist sehr unvollständig und bleibt hinter der Veröffentlichung anderer Wirtschaftsindikatoren zurück.
2. Die Klimafinanzierungszusagen müssen eingehalten werden, dafür braucht es verstärkte Anstrengungen und höhere internationale Entwicklungshilfen. Die Entscheidung der COP 27 in Sharm el-Sheikh, einen Fonds für Klimaschäden einzurichten, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch der Zeitplan für die Einrichtung des Fonds ist sehr kurz (COP 28) und politisch heikle Fragen bleiben offen: Wer profitiert und wer zahlt? Die Finanzströme für die Anpassung sind zu gering für den tatsächlichen Bedarf. Es braucht neue Finanzierungsmechanismen wie zum Beispiel eine „1,5 Prozent für 1,5 Grad“- Vermögenssteuer.
3. Internationale Transfers werden jedoch nicht ausreichen, um Klima-Ungleicheiten zu beseitigen. Tiefgreifende Veränderungen der internationalen und nationalen Steuersysteme werden notwendig sein, um Steuerprogression und -ertrag zu erhöhen und sicherzustellen, dass die Kosten für Mitigation und Anpassung gleichmäßig auf die Bevölkerung verteilt werden.
- Überarbeitung der multinationalen Besteuerung zur Stärkung der Position der Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen. Es hat sich gezeigt, dass diese Länder nicht viel von der kürzlich vorgeschlagenen multinationalen Besteuerung (die unter der Schirmherrschaft der OECD diskutiert wird) profitieren würden. Aber globale Gewinne, die derzeit unterbesteuert sind, könnten zu einer nachhaltigen Einnahmequelle für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen werden.
- Erhöhung der Progressivität der nationalen Steuersysteme, insbesondere in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen. Viele Länder haben noch immer keine progressiven Kapitalertragsteuern, Spitzen-Erbschaftssteuern oder progressive Vermögenssteuern, die erhebliche Einnahmen zur Unterstützung einkommensschwacher Gruppen leisten würden, ohne das Wirtschaftswachstum oder die Mittelschicht zu beeinträchtigen. Es braucht größere Anstrengungen, inklusive Mittel von Spender:innen und nationalen Regierungen, um Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu helfen, ihre Steuersysteme zu modernisieren (für reiche Länder beginnen diese Bemühungen oft im eigenen Land).
- Die „niedrig hängenden“ Früchte ernten. Bestimmte Maßnahmen (z. B. Steuern auf Übergewinne), die relativ leicht erreichbar sind, könnten zur Finanzierung von Anpassung und Mitigation beitragen, ohne Gruppen mit niedrigem und mittlerem Einkommen unverhältnismäßig stark zu belasten.
4. Mehr einnehmen, aber auch besser ausgeben, indem von erfolgreichen Erfahrungen im Ausland gelernt wird. Die schrittweise Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe in einem Land wie Indonesien deutet darauf hin, dass mögliche Treibstoffpreiserhöhungen nicht unbedingt zu Wohlfahrtsverlusten für die Armen führen, wenn sie von gezielten Sozialreformen für die Bevölkerung insgesamt (z. B. Krankenversicherung) und spezifischer Unterstützung für Haushalte mit niedrigem Einkommen begleitet werden. Gezielte Transferleistungen sind ein weiteres Beispiel für ein robustes Instrument zur Verringerung von Ungleichheit bei den unmittelbaren Auswirkungen von klimabedingten Katastrophen. Sie haben sich auch als wirksame Maßnahme für eine klimaresiliente Entwicklung bewiesen.
5. Systematische Untersuchung sowohl der beabsichtigten als auch der unbeabsichtigten Folgen der Klima- und Entwicklungspolitik über Einkommens- und Vermögensgruppen. Solch ein Bericht bietet eine Ungleichheits-Check-Matrix für Entwicklungszusammenarbeit und nationale Politik. Diese hilft politischen Entscheidungsträger:innen, Projektentwickler:innen oder zivilgesellschaftlichen Akteur:innen, eigene Wirkungsindikatoren zu formulieren und politische Maßnahmen danach zu bewerten.
Dies ist eine deutsche Zusammenfassung der Forschungsergebnisse aus dem Climate Inequality Bericht.
Titelbild: Patrick Hendry auf Unsplash