Politischer Folk-Punk aus Köln und Berlin: The Overall Brigade im Soundcheck
Am Beginn ihrer musikalischen Karriere stand der Wunsch, politische Veranstaltungen zu bereichern. Warum Musik machen für “The Overall Brigade” ein bisschen wie Liebe machen ist, weshalb sie unbedingt mal im Baskenland spielen wollen und alles, was ihr sonst noch wissen müsst, erfahrt ihr jetzt im UZ-Soundcheck.
The Overall Brigade
Ihr kommt aus: Köln & Berlin
Euch gibt es als Band seit: 2015, früher mit Kistenbass, dann Kontrabass, jetzt in dieser Besetzung mit Schlagzeug und ohne Bass seit 2020
Darum habt ihr angefangen, Musik zu machen: Live-Musik für einen “Tanz in den Mai” der Industrial Workers of the World in Köln. Wobblies üben Wobbly-Songs. Wir wollten auf Streiks und politischen Veranstaltungen spielen und diese bereichern.
Im Plattenladen findet man euch bei: Americana, Folk-Punk, Roots, Vintage Music
Wenn ihr nicht selbst Musik macht, dann hört ihr zum Beispiel: Pixies, Pokey LaFarge, Blind Willie McTell, Nat Myers, Nina Simone, The Wild Chipitoulas, Jelly Roll Morton
Musik machen ist wie: Wildwasser fahren oder Segeln oder ein bisschen wie Liebe machen (wenn es gut läuft beim Auftritt). Es ist aber auch Arbeit und Anstrengung und Konzentration beim Proben. Kollektive sinnvolle Arbeit wie einen Dachstuhl bauen oder ein Feld zu ernten.
Wenn eure Musik eine Speise wäre, wäre sie: Eine deftige, gute Erbsensuppe mit Einlage. Szegediner Gulasch mit Knödeln. Oder doch Gumbo (scharfer Eintopf aus New Orleans)?
MP3, CD oder Vinyl? MP3 oder Kassette (letztere machen wir als nächstes). Vinyl ist zwar cool. Aber teuer, aufwändig und langwierig. Presswerke sind alle ausgebucht.
Das sind euere (musikalischen) Vorbilder:
– The Pogues. Sie wenden die Philosophie und Haltung des Punk auf die irische Folk-Musik an, so wie wir es in bescheidenem Maße mit der amerikanischen Folk-Musik versuchen.
– Johnny Cash. Hat im Knast gespielt. Hat sich mit dem Schicksal der Ureinwohner (“Indianer”) beschäftigt. Und ist im hohen Alter noch mal aus der Kurve gekommen, nachdem er in den 1970ern irgendwie verloren gegangen war und Nashville-Kitsch produziert hat.
– Nina Simone, weil sie Bürgerrechtlerin und Kommunistin war und toll gesungen hat.
– Utah Phillips, weil er immer am Ball geblieben ist.
Für diesen Film würdet ihr gerne den Soundtrack schreiben: Joe Hill ain’t dead. Der Sänger und Rebell Joe Hill wacht am 1. Mai 2023 in Berlin-Kreuzberg auf. Und wundert sich, was seit dem 15. November 1915, als er in Salt Lake City erschossen wurde, alles passiert ist. Und wie er hier hin gekommen ist. Er versucht in Berlin Fuß zu fassen, arbeitet als Rider und Musiker, betrachtete die Gewerkschafts- und Polit-Szene der Stadt, beschließt aber dann nach Bolivien zu gehen, um Che Guevara zu treffen.
Bester Moment der Band-Karriere bis jetzt: Spontane Straßenmusik Tanz in den Mai 2023 vor 150 Leuten, die total abflippen als wäre der Heilige Geist in sie gefahren. Geschehen in den Gewölben des Bahnhofs Köln-Ehrenfeld nähe des Edelweißpiraten-Denkmals.
Da wollt ihr unbedingt mal spielen: Im Baskenland. Elmore Why ist Transbaske. Also ein Baske der im Körper eines Kölners geboren wurde und in Westfalen groß werden musste.
Das sollten eure Fans über euch wissen: Wir haben uns vorgenommen jetzt regelmäßiger zu veröffentlichen und mehr auf Tour zu gehen. Wir haben unsere Karriere ziemlich schleifen lassen und hinten an gestellt. Das soll sich jetzt ändern. Im Ernst.
Das gibt es zu dem ausgewählten Song zu sagen: Der Song ist eine außergewöhnliche Coverversion des Dead Kennedys-Klassikers “Holiday in Cambodia”. Aus Urlaub in Kambodscha haben wir Urlaub in Afghanistan gemacht. Das Desaster des gesamten Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr im Kielwasser der US-Armee wurde bislang völlig unzureichend bearbeitet und durch den Ukraine-Krieg überlagert. Die Musik ist untypisch für uns. Eine Art-Weltmusik. Die Banjolele spielt orientalisch-arabesk. Das Schlagzeug rockt. Dazu Soundfetzen des Krieges.
Berühmte letzte Worte: Don’t mourn but organize! (Jammert nicht, organisiert euch!)
Mein Letzter Wille
Mein Testament ist schnell geschrieben
Kein Eigentum ist geblieben
Meine Sippe solle nicht jammern, nicht klagen
Rost setzt nicht an am rollenden Wagen
Mein Körper? Ach, wenn’s nach mir ginge
Wäre Asche die letzte Form meiner Dinge
Lasst lustige Winde über Länder sie blasen
Lasst Ruhe sie finden auf fruchtbarem Rasen.
Vielleicht mag dadurch eine schwächelnde Blume
neue Blüten treiben, dem Leben zum Ruhm,
Der dieses bestimmt und letztendlich will,
Wünscht euch allen viel Glück,
Euer
Joe Hill
(Übersetzung von Elmore Why)
Nächste Auftritte:
► Saint-Imier, Switzerland: Friday, July 21st, Anarchy 2023 – St-Imier July 19-23 International Anti-Authoritarian Gathering
► Berlin: Saturday, October 7th 2023, 20:00, Sandmann, Reuterstraße 7, 12053 Neukölln
► Münster: Saturday, November 11th, Woody Guthrie Festival 2023, Bennohaus (Saal), Bennostr. 5, 48155 Münster.
► Offenburg: Saturday, December 16th 2023, 20.00, Kulturverein 361° e. V. im Spitalkeller Offenburg, Spitalstr. 1 a, 77654 Offenburg
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Titelbild und Foto: The Overall Brigade
Unsere Zeitung sucht Bands und Musiker*innen, die sich im Rahmen unserer Rubrik „Soundcheck“ der Öffentlichkeit präsentieren wollen. Bei Interesse freuen wir uns über ein E-mail an soundcheck@unsere-zeitung.at – mehr Infos auf „Wir starten den Soundcheck!“
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