Frieden mit friedlichen Mitteln
Am 10. und 11. Juni findet in Wien ein internationales Gipfeltreffen zu Frieden in der Ukraine statt. Frieden zu schaffen ist nicht nur die Aufgabe von Regierungen, sondern liegt auch in der Verantwortung der Zivilgesellschaft.
Ein Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster (AbFaNG)
Europa müsse die Ukraine unterstützen und sich auf einen jahrelangen Konflikt mit einem imperialistischen, revanchistischen Russland einstellen „Es steht die Zukunft Europas auf dem Spiel“ und „Russland sieht sich selbst wieder als Imperium“, so der Historiker Sergje Medwedew im Gespräch mit der Wiener Zeitung.
Bei aller Sympathie gegenüber dem Befreiungsversuch der Ukraine, der Ukrainekrieg darf nicht in einen Dritten Weltkrieg eskalieren. Was können wir tun? Wir sollten versuchen, uns von dem allgemeinen Kriegsgeheul nicht länger verängstigen zu lassen und Vertrauen in uns und in bereits bestehende internationale (UN-)Organisationen, die humanitäre Friedensstrategien entwickeln, zu schöpfen.
Wenn wir auf Distanz gehen zu all den schrecklichen Medienberichten, werden wir erkennen, dass es neben den Auswirkungen von ‚selbsterfüllenden Prophezeiungen‘, diesem sozialen Mechanismus zur Erklärung der Auswirkungen bestimmter Einstellungen und Handlungsweisen, noch andere Mechanismen gibt, die es uns sehr wohl ermöglichen, diesem Theorem entgegenzuwirken, d.h. wir sollten alles unternehmen, was zu seiner Zerstörung führen kann.
Für Friedens- und Klimaaktivist*innen, für Vertreter*innen der UN-Menschenrechte und für Vertreter*innen der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung klingt heute vieles aus dem Mund von Politiker*innen, die sich für militärische Aufrüstung einsetzen, absurd. Wenn etwa der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg von einer Zeitenwende spricht, ist das absurd. Leben wir nicht ständig mit kriegerischen Konflikten in aller Welt und haben wir nicht gelernt diese – so gut es ging – zu mildern oder sie auszublenden?
Es mag sein, dass dieser Ukraine-Krieg anders ist und zu einem dritten Weltkrieg zu eskalieren droht, gar zu einem Atomkrieg. Umso mehr sollten wir die Gelegenheit ergreifen uns zu fragen: Genügt es nicht, dass schon jetzt so viele Menschen infolge dieser kriegerischen Konflikte sterben oder schreckliches Elend erfahren mussten, dass so vieles – nicht nur Materielles – zerstört wurde und wird, nicht zuletzt „unsere“ Lebens- und Umwelt und die ganze, in den letzten Jahrzehnten aufgebaute, internationale Ordnung.
Sollen wirklich alle Errungenschaften, für die Menschen in der Vergangenheit im Namen der Gerechtigkeit, der Freiheit und Menschlichkeit gekämpft haben, jetzt wieder verloren gehen? Ja klar, wir wollen – gemeinsam mit den Ukrainer*innen, den Russ*innen und anderen Menschen guten Willens -, dass unsere Werteordnung der Aufklärung: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (Solidarität!) erhalten bleibt. Aber darüber hinaus brauchen wir eine neue Aufklärung und die können wir nur schaffen, wenn wir gemeinsam „die Überlastung unseres Planeten“ erkennen und, unseren Möglichkeiten entsprechend, ein „Genesungsprogramm für unsere krisengeschüttelte Welt“ erstellen. (siehe „Der neue Bericht an den CLUB OF ROME, 50 Jahre nach „Die Grenzen des Wachstums“ – EARTH FOR ALL – SURVIVALGUIDE für unseren Planeten“, oekom, 2022)
Daher müssen wir zunächst nicht nur den Ukrainer*innen in ihrem Kampf um Freiheit beistehen, sondern auch mit aller Kraft versuchen, jenen Notstand, den Kriege immer bereiten, zu beseitigen, um uns dem „planetaren Notstand“ stärker zuwenden zu können.
Es ist höchste Zeit, dass wir Diplomatie einsetzen, dass wir Kriegslogik durch Friedenslogik ersetzen.
Frieden zu schaffen ist nicht nur die Aufgabe von Regierungen, sondern diese verantwortungsvolle Herausforderung liegt auch im Verantwortungsbereich der Zivilgesellschaft. Was es dazu jetzt dringend braucht, ist eine globale Bewegung, die von allen Parteien verlangt, dass sie aufhören zu kämpfen und anfangen (wieder) miteinander zu reden. Der Internationale Aufruf durch den weihnachtlichen Waffenstillstandsappell des Internationalen Friedens-Büros, die Appelle der UN-Generalversammlung und von vielen Regierungen, ja sogar die Äußerungen einiger politisch führenden Persönlichkeiten Russlands und der Ukraine zeigen, dass sich jetzt vielleicht ein ‚Fenster der Gelegenheit‘ öffnet.
Österreich ist ein neutrales Land. Wien ist eine „UNO-Stadt“ und Sitz des Sekretariats der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, die die Lage im Donbass seit der Unterzeichnung des Minsk-II-Abkommens beobachtet). Ist Österreich nicht prädestiniert, diesen Schritt zu gehen? Wir glauben, mit der Veranstaltung des Wiener Gipfeltreffens für Frieden in der Ukraine kann ein starkes Zeichen der Hoffnung gesetzt werden und das Vertrauen in einen Katalysator zu mehr und stärkere Friedensaktionen auf der ganzen Welt gestärkt werden.
Es liegt aber in der Verantwortung der Friedens- und Umweltbewegungen in aller Welt und aller friedliebenden Völker, diese Anstrengungen zu verstärken. Die Zukunft der Menschheit steht auf dem Spiel, wir sollten den Moment nutzen, bevor es zu spät ist.
Internationaler Friedensgipfel in Wien
10. und 11. Juni 2023, ÖGB Catamaran
Programm und weitere Infos: peacevienna.org | Zur Anmeldung
Es wird auch die Möglichkeit geben, virtuell an der Konferenz teilzunehmen.
Ilse Kleinschuster war fast 20 Jahre in der Initiative Zivilgesellschaft tätig und ist seit zwei Jahren Mitglied im Koordinationsteam des Aktionsbündnis für Frieden, aktive Neutralität und Gewaltfreiheit AbFaNG.
Dieser Beitrag wurde als Gastartikel eingereicht. Auch Dir brennt etwas unter den Nägeln und Du willst, dass es die Öffentlichkeit erfährt? Worauf wartest Du noch? Jetzt Gastartikel einreichen!
Titelbild: Alice Donovan Rouse auf Unsplash
Unsere Zeitung ist ein demokratisches Projekt, unabhängig von Parteien, Konzernen oder Milliardären. Bisher machen wir unsere Arbeit zum größten Teil ehrenamtlich. Wir würden gerne allen unseren Redakteur*innen ein Honorar zahlen, sind dazu aber leider finanziell noch nicht in der Lage. Wenn du möchtest, dass sich das ändert und dir auch sonst gefällt, was wir machen, kannst du uns auf der Plattform Steady mit 3, 6 oder 9 Euro im Monat unterstützen. Jeder kleine Betrag kann Großes bewirken! Alle Infos dazu findest du, wenn du unten auf den Button klickst.