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Wer kann sich das noch leisten? – 12 Fakten zur Leistbarkeit des Wohnens

Wohnen ist ein menschliches Grundbedürfnis. Dieses Grundbedürfnis ist für eine rasant steigende Zahl an Menschen nur mehr schwer oder gar nicht leistbar. Mit April steigen die Richtwertmieten um 8,6 Prozent. Den Mieter:innen steht ein Preisschock bevor. Anstatt eine Mietpreisbremse einzuführen, hat der Nationalrat beschlossen, den Bundesländern 225 Mio. Euro für Wohnkostenzuschüsse zur Verfügung zu stellen. Vor diesem Hintergrund präsentieren wir aktuelle Zahlen, Daten und Fakten zu den Wohnkosten in Österreich. Ein Dutzend Fakten wirft eine Frage auf: Wer kann sich das noch leisten?

Von Marc Pointecker und Gerald Gogola (A&W-Blog)

1. Personen mit geringen Einkommen bezahlen im EU-Vergleich besonders viel fürs Wohnen …

In Österreich sind 1,3 Mio. Menschen armutsgefährdet. Armutsgefährdete Menschen in Österreich mussten 2021 39,7 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben. Im EU-Durchschnitt waren es 37,7 Prozent. Seit dem Jahr 2021 haben sich die Kosten fürs Heizen in etwa verdoppelt. Strompreise und Mieten stiegen stark an. Werden die Mieten nun durch die Inflationsanpassung erhöht, zahlen die Mieter:innen doppelt: Erstens die hohen Energiepreise und zweitens die Inflationsanpassung, die durch die Energiepreise getrieben wird.

2. … und erleiden doppelt bis dreifach höhere Teuerung bei Wohnungsmieten

Die Inflation bei Wohnungsmieten beträgt in Österreich im Februar 6,4 Prozent. Die Inflationsentwicklung bei Mieten liegt erheblich über jener in Frankreich (2,1 Prozent), Deutschland (2 Prozent), Spanien (2 Prozent) und Schweden (1,9 Prozent) und auch deutlich über dem Durchschnitt der gesamten Eurozone (3 Prozent). Bereits in den letzten Monaten haben sich die Mieten in Österreich deutlich stärker verteuert als im internationalen Vergleich. Das zeigt der IHS Preismonitor auf Basis von Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat.

Inflationsraten von Wohnungsmieten stiegen in Österreich viel stärker an als im Rest der EU
Grafik: A&W-Blog

3. Für Haushalte mit niedrigen Einkommen ist die Inflation höher

Die 1,8 Mio. Menschen mit den geringsten Einkommen (unterste 20 Prozent) mussten im Februar eine Teuerung von 11,4 Prozent schultern, die 900.000 einkommensstärksten Menschen in Österreich kamen mit einer Teuerung von 10,1 Prozent davon. Das liegt daran, dass untere Einkommensschichten ihr Geld vor allem für Wohnung, Heizung sowie Ernährung ausgeben und diese Güter besonders teuer wurden.

4. Die Wohnkosten stiegen bereits vor der Teuerungskrise stark an

Bereits vor Beginn der Teuerungskrise legten die Wohnkosten über mehrere Jahre hinweg deutlich zu. Zwischen 2010 und 2021 verteuerte sich die durchschnittliche Miete inkl. Betriebskosten pro Quadratmeter um 38 Prozent. Am privaten Wohnungsmarkt fiel die Steigerung der Mietpreise mit +43 Prozent noch stärker aus, während sie in Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen mit +26 Prozent bzw. +33 Prozent darunter lag. Damit stiegen die Mietpreise deutlich stärker als die allgemeine Inflationsrate, die im selben Zeitraum (2010–2021) +23 Prozent betrug.

5. Die aktuellen Wohnkosten sind eine schwere Belastung

Für 1,4 Mio. Menschen (22 Prozent) stellen die Wohnkosten eine schwere finanzielle Belastung dar. Das zeigt die aktuelle Erhebung „So geht’s uns heute“, die Statistik Austria quartalsweise im Auftrag des Sozialministeriums durchführt. Die Betroffenheit hat stark zugenommen, im vierten Quartal 2022 waren es noch rund 1 Mio. Menschen. Vulnerable Personengruppen sind besonders betroffen. Unter den Personen, deren Haushalt von Arbeitslosigkeit betroffen ist (45 Prozent) und den Personen mit geringen Einkommen (43 Prozent) hat nahezu die Hälfte mit den Wohnkosten zu kämpfen.

6. Je geringer das Einkommen, desto höher die Wohnkosten

Die 20 Prozent der Bevölkerung mit den niedrigsten Einkommen zahlen 2021 8,2 Euro an Wohnkosten pro Quadratmeter, die 20 Prozent mit den höchsten Einkommen zahlen nur 4,6 Euro pro Quadratmeter. Personen mit geringem Einkommen müssen überwiegend mieten, leben in kleinen, pro Quadratmeter teuren Wohnungen mit oft mangelhafter Isolierung und sind daher mit höheren Wohnkosten konfrontiert. Die Kosten sind seit 2021 nicht gesunken, ganz im Gegenteil.

7. Untere Hälfte mietet, obere Hälfte besitzt

Die Vermögensverteilung in Österreich ist eindeutig: Die untere Hälfte mietet, die obere Hälfte besitzt die eigene Wohnung oder das Haus. Die Vermieter:innen zählen überwiegend zu den Reichsten des Landes. Insbesondere die vermögendsten Personen besitzen nicht nur eine Immobilie, sondern mehrere. Gemäß Household Finance and Consumption Survey der Oesterreichischen Nationalbank verfügen unter den 20 Prozent der vermögendsten Haushalte (5. Vermögensquintil) 36 Prozent über Immobilienbesitz, der über den eigenen Wohnsitz hinausgeht, also Immobilien, die vermietet werden können.

8. Wer erhält den Wohnkostenzuschuss?

Statt einer Mietpreisbremse werden den Bundesländern 225 Mio. Euro für Wohnkostenzuschüsse zur Verfügung gestellt. Die Zuteilung der Mittel erfolgt auf Basis eines Bevölkerungsschlüssels. Es gibt weder Einkommensgrenzen noch eine Einschränkung auf Mieter:innen. Wird der Wohnkostenzuschuss auf Mieter:innen umgelegt, sind die Mittel pro Mieter:in in den Bundesländern unterschiedlich hoch. Bundesländern mit vielen Mieter:innen steht pro Mieter:in weniger Geld zur Verfügung. Deshalb ist der Wohnkostenzuschuss pro Mieter:in im ländlichen Burgenland mit vielen Eigentümer:innen höher und im urbanen Wien mit vielen Mieter:innen geringer. Junge und einkommensschwache Menschen leben meist in Mietwohnungen und sind besonders von der Teuerung betroffen.

Wohnkostenzuschuss pro Mieter:in im Bundesländervergleich
Grafik: A&W-Blog

9. Wohnen ist für viele unleistbar geworden

Knapp 450.000 Personen sind österreichweit bereits in Zahlungsverzug bei Miete, Wohnnebenkosten, Betriebskosten oder Kreditraten geraten. Die bevorstehenden Mieterhöhungen werden dieses Problem noch weiter verschärfen. Im schlimmsten Fall droht die Delogierung.

10. Der Verlust der Wohnung kann tödlich sein

Wohnungslosigkeit verkürzt die Lebenserwartung dramatisch. Die Statistik Austria hat berechnet, dass sich die Lebenserwartung wohnungsloser Männer um 20 Jahre verringert. In fast der Hälfte der durch den Wohnschirm vor der Delogierung bewahrten Haushalte leben Kinder. Vor allem Alleinerzieher:innen und ihre Kinder sind betroffen.

11. Essen oder Heizen? Der Mangel an Notwendigem nimmt zu

Zunehmend mehr Menschen können sich aufgrund der Inflation keine angemessene Lebensführung mehr leisten und stehen vor der Frage, ob sie Lebensmittel oder die Energierechnung finanzieren. Über 713.000 Menschen können ihre Wohnung aus finanziellen Gründen nicht warm halten und 570.000 können sich keine angemessene Ernährung leisten.

12. Wohnschirm

Der WOHNSCHIRM des Sozialministeriums unterstützt Mieter:innen, die ihre Miete nicht mehr bezahlen können und dadurch von Delogierung bedroht sind, durch die einmalige Übernahme von Mietschulden. Rund 7.500 Personen konnten bisher vor Wohnungslosigkeit bewahrt werden. Zudem werden Menschen unterstützt, die sich ihre Energiekosten nicht mehr leisten können. Der Andrang steigt.

Stark steigende Mieten bringen den Wohnschirm an seine Grenzen. Denn eine einmalige Übernahme von Mietschulden macht nur dann Sinn, wenn Haushaltseinkommen und Wohnkosten längerfristig in einem realistischen Verhältnis zueinander stehen. Wer sich die Wohnung nicht leisten kann und auch keine günstigere Wohnung findet, wird das Zuhause verlieren.

Mehr Informationen und eine Übersicht der über 100 Beratungseinrichtungen in ganz Österreich sind unter www.wohnschirm.at verfügbar.

Die dargestellten 12 Fakten zeigen, dass Wohnen für eine steigende Zahl an Menschen zum Luxus wird. Für die Betroffenen müssen die Einkommen steigen und/oder die Mieten sinken, damit Wohnen wieder leistbar wird. Wenn das menschliche Grundbedürfnis auf Wohnen für alle erreicht werden soll, sind umfassende Reformen unerlässlich.


Dieser Beitrag wurde am 12.04.2023 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Malachi Cowie auf Unsplash

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