„Österreichisches Guantanamo“: Schwere Vorwürfe gegen Abschiebezentrum in Bosnien
„Herbert Kickls Fantasien über das Konzentrieren von Menschen sind leider Realität geworden“: SOS Balkanroute wirft der österreichischen Bundesregierung vor, Gefängniseinheiten für Geflüchtete im bosnischen Abschiebezentrum Lipa mitzufinanzieren und fordert ein Ende der illegalen Pushbacks von Geflüchteten.
Von Moritz Ettlinger
Die Vorwürfe der österreichischen NGO SOS Balkanroute wiegen schwer. „Ein hoher Zaun, auf jedem Schritt und Tritt Kameras, Fenster mit Gefängnisgittern und fast kein Tageslicht in den Zellen“: Das Abschiebezentrum im bosnischen Camp Lipa sehe aus wie ein US-amerikanisches Hochsicherheitsgefängnis.
Vergangene Woche wurde bekannt, dass das von Österreich mit 1,1 Millionen Euro mitfinanzierte Abschiebelager Gefängniseinheiten enthalten soll. Wie aus einer Anfragebeantwortung von Innenminister Gerhard Karner an die NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper hervorgeht, hat sich die österreichische Bundesregierung mit rund 800.000 Euro am Projekt beteiligt, die oberösterreichische Landesregierung schießt zusätzlich 300.000 Euro zu. Damit würde Österreich auch das Gefängnis dort mitfinanzieren, so der Vorwurf von SOS Balkanroute. Die NGO bezeichnet den Bau aus diesem Grund als „österreichisches Guantanamo“.
Gefängnis ohne Genehmigung
Der Bürgermeister vor Ort betont, von den Plänen nichts gewusst zu haben. „In den Bauplänen, die uns für Lipa vorgelegt wurden, war nie ein Gefängnis geplant. Niemand hat uns informiert“, kritisiert Elvedin Sedić in einem Video. Baugenehmigungen für den Bau von Gefängniseinheiten seitens der Stadt gebe es nicht, so Sedić. Der kantonale Premierminister Mustafa Ružnić fühlt sich ebenso übergangen, der bosnische Minister für Menschenrechte Senad Hurtic bezeichnete den Bau eines Gefängnisses in einem Flüchtlingscamp als „degoutant“ (widerlich).
Beteiligt am Bau ist auch das in Wien ansässige Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) unter der Leitung des ehemaligen Vizekanzlers Michael Spindelegger (ÖVP). SOS Balkanroute wirft dem ICMPD vor, von der Haftanstalt gewusst zu haben. „Das Projekt des Baus der Aufenthaltseinheiten wird über ICPMD realisiert“, beantwortet auch das bosnische Fremdenamt eine Anfrage von USK TV. Das ICPMD weist die Vorwürfe zurück, es sei „selbstverständlich nicht am Bau von Haftzellen oder Ähnlichem beteiligt“, sagt ein Sprecher auf Anfrage der APA.
An der Kritik am Abschiebezentrum ändert das wenig. „Der Bau von Gefängnissen für Menschen, die nichts verbrochen haben, außer auf der Suche nach einem besseren Leben zu sein, ist der Anfang vom Ende!“, sagt SOS-Balkanroute-Obmann Petar Rosandić. „Herbert Kickls Fantasien über das Konzentrieren von Menschen sind in Lipa leider Realität geworden, realisiert von einer türkisgrünen Regierung“. Die vereinte Zivilgesellschaft sei jetzt gefordert, die Inbetriebnahme des Gefängnisses zu verhindern.
Illegale Pushbacks?
Nach Angaben von SOS Balkanroute wurden allein in den vergangenen Tagen hunderte Menschen durch illegale Pushbacks entgegen den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention aus Kroatien ins Camp Lipa gebracht. „Wir wollten Asyl in Kroatien beantragen, aber die Polizei verhaftete uns und brachte uns in eine Garage, wo wir 4 Tage festgehalten wurden“, zitiert die NGO einen Flüchtenden aus Ghana.
Ein Geflüchteter aus Afghanistan erzählt in einem Video der NGO, dass die kroatische Polizei ihr Geld, ihre Handys und Schuhe einsammelte und alles verbrannte. Sie seien geschlagen und nach einer Woche in das Camp Lipa gebracht worden. Fast ausnahmslos alle Betroffenen würden von massiver Gewalt durch die Polizei berichten. Die Organisation fordert daher eine sofortige Aussetzung der Dublin-Abschiebungen nach Kroatien.
Titelbild: Ein Geflüchteter aus Afghanistan im Camp Lipa. Foto: SOS Balkanroute
DANKE, DASS DU DIESEN BEITRAG BIS ZUM ENDE GELESEN HAST!
Unsere Zeitung ist ein demokratisches Projekt, unabhängig von Parteien, Konzernen oder Milliardären. Bisher machen wir unsere Arbeit zum größten Teil ehrenamtlich. Wir würden gerne allen unseren Redakteur*innen ein Honorar zahlen, sind dazu aber leider finanziell noch nicht in der Lage. Wenn du möchtest, dass sich das ändert und dir auch sonst gefällt, was wir machen, kannst du uns auf der Plattform Steady mit 3, 6 oder 9 Euro im Monat unterstützen. Jeder kleine Betrag kann Großes bewirken! Alle Infos dazu findest du, wenn du unten auf den Button klickst.