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Brasilien: „Wo die Hautfarbe die Chancen bestimmt, ist keine Demokratie“

Lulas Regierung feiert das 20-jährige Bestehen des Programms zur Förderung der ethnischen Gleichberechtigung und führt neue Maßnahmen gegen Rassismus ein.

Von Igor Carvalho (Brasil de Fato / NPLA)

Vor 20 Jahren wurde in Brasilien ein staatlichen Programm für Menschenrechte ins Leben gerufen. Ein Schwerpunkt sollte die Bekämpfung des Rassismus sein, daher richteten sich gleich mehrere öffentliche Maßnahmen auf den Abbau ethnisch begründeter Ungleichheiten. Am 21. März würdigte würdigte Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva das 20-jährige Bestehen des Programms bei einer Veranstaltung im Palacio del Planalto. „Kein Land der Welt wird je eine Demokratie werden, solange die Hautfarbe der Menschen die Chancen bestimmen, die sie im Leben erhalten“ erklärte Lula im Hinblick auf die öffentlichen Maßnahmen, die er zu Beginn seiner ersten Amtsperiode (2003-2019) angestoßen hatte.

Maßnahmenpaket 2003

Neun Tage nach seiner Amtseinführung am 01.01.2003 hatte Lula das Gesetz 10.639 verabschiedet, mit dem die Aufnahme der afro-brasilianischen und afrikanischen Geschichte und Kultur in den Lehrplan der Grund- und Sekundarschulen landesweit zur Pflicht erhoben wurde. Dieses Gesetz war eine wichtige Errungenschaft der Schwarzen Bewegung und eine Antwort auf die Forderungen nach Anerkennung und Würdigung der Schwarzen Geschichte und Kultur Brasiliens. Im März desselben Jahres wurde das Ministerium zur Förderung der ethnischen Gleichberechtigung (SEPPIR) ins Leben gerufen und damit betraut, die Maßnahmen zum Abbau ethnisch bedingter Benachteiligung zu koordinieren und Förderprogramme in verschiedenen Bereichen wie Bildung, Gesundheit, Arbeit und Kultur durchzuführen.

Anielle Franco: Meine Generation hat von den Maßnahmen profitiert

Ein weiterer wichtiger Schritt war die Einführung von Quotenregelungen in staatlichen Universitäten, die die Aufnahme nicht-weißer Studienanwärter*innen begünstigen sollte. In der Staatlichen Universität von Rio de Janeiro UERJ war eine solche Regelung bereits 2001 eingeführt worden, später zogen staatliche Hochschuleinrichtungen in den verschiedenen Landesteilen nach. Die heutige SEPPIR-Ministerin Anielle Franco erinnerte in ihrer Rede im Palacio de Planalto an diese wichtige Maßnahme zur Chancengleichheit. „Ich bin dank der Quotenregelung an der UERJ aufgenommen worden, und ich bin stolz darauf. Meine Generation hat von diesen Maßnahmen profitiert, und das Ergebnis sehen wir heute: Die Ministerien dieses Landes waren noch nie so Schwarz besetzt wie 2023. Aber wir sind immer noch zu wenig, wir brauchen viele mehr. Immerhin stellen wir 56 Prozent der Bevölkerung dieses Landes“, so Franco. Zu den weiteren Maßnahmen, die etwa zur selben Zeit eingeführt wurden, gehörte der Stellenvorbehalt für Schwarze Bürger*innen bei öffentlichen Ausschreibungen, Maßnahmen zur Würdigung der Schwarzen Kultur und eine Gesetzgebung, die ethnisch bedingte Diskriminierung zur Straftat erhebt und Leitlinien zur Förderung der Gleichstellung einführt. Berührt würdigte Franco die früheren Vorsitzenden des gegenwärtig von ihr geleiteten Ministeriums. „Ohne Zweifel waren die letzten 20 Jahre die bedeutendsten für die Schwarze Bevölkerung. Tiefe Wurzeln schaffen starke Bäume, wie das SEPPIR. Die Bundesregierung hat dem Kampf gegen Rassismus oberste Priorität eingeräumt.“

Neues Maßnahmenpaket

In der Veranstaltung gab Lula eine Reihe öffentlicher Maßnahmen bekannt, die bereichsübergreifend zusammen mit anderen Ministerien vom SEPPIR durchgeführt werden sollen. „Diese Regierung ist offen für den Dialog mit der Zivilgesellschaft, für die Schwarze Bewegung und die Bewegungen für Menschenrechte. Der Wiederaufbau des Landes mit integrativen öffentlichen Maßnahmen ist eine unumgängliche Aufgabe“, betonte der Präsident. Zur Bekräftigung seiner Erklärung unterzeichnete Lula fünf Dekrete: Vorbehalt freier Stellen in der Bundesverwaltung, Einrichtung einer Arbeitsgruppe für das neue Staatliche Programm für Fördermaßnahmen, die Bildung der Arbeitsgruppe „Lebendige Schwarze Jugend“ und die Einrichtung einer Arbeitsgruppe gegen religiösen Rassismus. Abschließend unterzeichnete der Präsident den Eigentumstitel für die Gebiete ehemaliger Quilombos, diese nahmen vertreten durch die Gemeinden Brejo dos Crioulos (Minas Gerais), Lagoa dos Campinhos (Sergipe) und Serra da Guia (Sergipe) an dem Event teil.


Dieser Beitrag erschien am 26.03.2022 auf npla.de, lizensiert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international. Originalartikel: brasildefato.com.br

Titelbild: Lula Marques / FotospublicasCC BY-NC 2.0

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