Sicherheit neu denken – von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik
Gastbeitrag: Wo kann Österreich seinen Beitrag zur Sicherheitspolitik der EU leisten? Gedanken von Ilse Kleinschuster anlässlich des Schwindens der Bedeutung von Demokratie.
Wenn es jetzt um die Friedens-Politik der Friedenspreisträgerin „Europäische Union“ geht – erfüllt mich das mit Stolz oder befallen mich Zweifel, angesichts der widersprüchlichen Migrationspolitik – oder der undemokratischen EU-Außenpolitik? Als Europäerin fühle ich mich in meiner Beurteilung oft überfordert. Allerdings als Bürgerin meines Heimatlandes Österreich (das sich auf dem „Liberal Democracy Index“ mit einem Platz auf der Liste der bloßen „Wahldemokratien“ begnügen muss) nicht ganz so. Denn diesbezüglich stelle ich die Frage sehr bewusst, ob die Außenpolitik eines Landes, das sich immerwährender Neutralität verpflichtet hat, nicht anders aussehen sollte.
Abgesehen davon, dass immer deutlicher wird, dass die weltweiten ökologischen, politischen und sozialen Herausforderungen und Konflikte sich mit militärischen Mitteln nicht nachhaltig lösen lassen, erfahre ich in meiner Umgebung wie das Bedürfnis nach Perspektivenwechsel von einer militärischen zu einer zivilen Sicherheitspolitik immer lauter artikuliert wird – (noch) nicht so sehr in den Medien, mehr in privaten, vor allem kirchlichen, aber auch in kulturell/ethnisch vielschichtigen Milieus.
Erschreckend finde ich, was jetzt so manche EU-Politiker*innen in Bezug auf die „Sicherheit Europas“ vorhaben. Immer mehr Kriegsmaterial (auch in Österreich) zu produzieren und in andere Länder zu liefern, kann doch nicht friedenssichernd sein. Die Unterzeichnung des EU-Abkommens PESCO zum Beispiel: Sollte sie nicht Österreich zwingen, an einem Bündnis teilzunehmen, das neutralitäts- und somit verfassungswidrig ist? Hier geht es, so wird behauptet, um Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungspolitik – gegen wen oder was, bitte, muss Österreich sich verteidigen? Was bedeutet es, dass vor allem Deutschland und Frankreich nach militärischer Aufrüstung der EU rufen – warum herrscht hier keine demokratische Einigkeit? Wie kann es unter diesen Umständen je zu einer Demokratisierung der EU kommen?
Sollten wir, sollte Österreich nicht den Vorteil des Neutralitäts-Status wahrnehmen und sich mehr in Richtung Diplomatie engagieren und stärker mit Staaten kooperieren, die sich dem Gedankengut einer friedensstiftenden und humanitären, offenen Gesellschaft verschrieben haben?
Wenn ich an meine vergangenen Lehr- und Wanderjahre in dem Verein, der sich Initiative Zivilgesellschaft nannte, denke, dann fällt mir vieles ein, was ich jetzt als Argument für eine starke zivile Sicherheitspolitik einbringen könnte. Es war das an erster Stelle die Mitarbeit in einer Gruppe, die sich für mehr Demokratie engagiert hat (ig.eurovision.at), dann in jener, die sich um die Verkleinerung des ökologischen Fußabdrucks (footprint.at), um gerechtere Verteilung der Ressourcen (fli.at) und um eine (monetäre) Grundsicherung (Runder Tisch Grundeinkommen) bemüht hat. All diese visionären Konzepte sollten natürlich im Konsens mit unserer politischen Verfassung erarbeitet werden! Im demokratischen Streben nach einem ‚Guten Leben für alle‘ haben wir auf unserer Insel der Seligen kaum an den Ernstfall von Krieg gedacht. Unsere Strategien waren auf friedliche Kooperation und das Wohlergehen aller Menschen und der Natur ausgerichtet. Wir alle waren natürlich gegen Atomenergie, weil wir wissenschaftlich fundierte Argumente dagegen von unserem Mentor, dem Atomphysiker Prof. Peter Weihs, erhalten haben.
Die Krisen häuften sich und somit auch die Konflikte, nicht nur global, auch lokal
Kriegsfratzen zeigten sich wieder öfter vor den Türen der „Festung Europa“. Die Nachfrage nach einer Stärkung der zivilen Friedenskompetenz wurde plötzlich ein wesentlicher Punkt auf der AGENDA der Österreichischen initiativen Zivilgesellschaft, die sich bisher fast nur mit der UN-Agenda 2030 beschäftigt hatte. Jetzt hieß es: Umweltschutz ist auch Friedenssicherung! Ohne nachhaltige Entwicklung, kein nachhaltiger Friede! Wurde das auch parlamentarisch registriert?
In Windeseile hat sich herumgesprochen, dass es eine Stärkung der zivilen Konfliktprävention und Konfliktlösung braucht, wollen wir aktive Neutralität auch leben. Das Konzept zum Aufbau eines zivilen Friedensdienstes war geboren. Seit 2020 ist die Prüfung der Einrichtung eines zivilen Friedensdienstes im Regierungsprogramm verankert. Es sollte ein eigenständiges friedenspolitisches Instrument der Außenpolitik sein, geeignet um humane Ressourcen für die Teilnahme an zivilen Friedensmissionen zu erstellen: zivile Fachkräfte wie Richter*innen, Klima- und Gesundheits- Expert*innen, aber natürlich auch um Strukturen zu schaffen, die Mediation ermöglichten.
GIVE PEACE A CHANCE! – Geben wir doch dem UN-Klimaziel: Frieden eine Chance!
Als privilegierte Bewohnerin dieses Planeten, dieses „Raumschiffs ERDE“, und als Mitglied der emanzipierten Bürgerschaft dieses schönen Landes – das glücklicherweise sich zu immerwährender Neutralität verpflichtet hat – will ich gerne mithelfen, eine utopische Vision umzusetzen und ein Modell weiterzuentwickeln, das zu einem wegweisenden Beitrag für gewaltfreie Konfliktlösung, zum Schutz der Menschenrechte in allen Lebens- und Arbeitsbereichen, für mehr Gerechtigkeit und sozialen Frieden werden kann. Ich glaube, dass so ein Modell allmählich zu einer alternativen Form von Globalisierung führen kann, bei der Mensch und Umwelt und nicht die Wirtschaft im Mittelpunkt stehen. Es ist ein Modell, das gut dazu geeignet wäre, Österreich einen vorderen Platz als Beitragsland für eine gemeinsame EU-Sicherheitspolitik in Bezug auf eine friedlichere und nachhaltige Zukunft zu gewährleisten.
Ilse Kleinschuster war fast 20 Jahre in der Initiative Zivilgesellschaft tätig und ist seit zwei Jahren Mitglied im Koordinationsteam des Aktionsbündnis für Frieden, aktive Neutralität und Gewaltfreiheit AbFaNG – www.abfang.org
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Titelbild: Tetiana SHYSHKINA auf Unsplash
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